Leitsätze
1693
Überprüfung der Richtigkeit einer Prognose des BFA iSd § 35 AsylG 2005 durch das BVwG
Leitsätze
I. Ungeachtet der nach stRsp des VwGH für die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des BFA steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Auch wenn es sich bei der Mitteilung des BFA um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbstständig) angefochten werden kann, setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das BVwG jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des BFA in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das BFA die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält. II. Es ist unbestritten, dass eine Doppel- oder Mehrehe - selbst wenn eine solche nach dem anzuwendenden Personalstatut gültig ist - den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspricht und daher in Österreich nicht als rechtsgültig anzusehen ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber bei der Bezugsperson des Antragstellers um seine - zumindest behauptete - (Erst-)Ehefrau. Ein Verstoß gegen den ordre-public-Grundsatz könnte nur in Bezug auf das hier nicht zur Diskussion stehende Eingehen einer Ehe mit einer zweiten Frau ins Treffen geführt werden. III. Wenn alle vorgelegten Dokumente zum Beweis der aufrechten Ehe erst 31 Jahre nach der behaupteten Eheschließung sowie nach der Asylgewährung der Bezugsperson ausgestellt wurden, so sind diese Beweismittel eingehend zu würdigen. IV. Nach dem FRÄG 2017 ist auf Grundlage von § 34 Abs 6 Z 3 AsylG 2005 das Vorliegen einer bloßen Aufenthaltsehe zu prüfen und diesbezüglich eine ganzheitliche Würdigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 08.03.2018
Aufbereitet am: 03.07.2018
1692
Asylrelevante Zwangsrekrutierungen durch die Houthi-Milizen im Jemen
Leitsätze
I. In seiner bisherigen Rsp hat der VwGH von der - nicht asylrelevanten - Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei jene Verfolgung unterschieden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht an. Entscheidend ist, mit welchen Reaktionen der Betroffene aufgrund seiner Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, rechnen muss und ob in seinem Verhalten eine - sei es auch nur unterstellte - politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird. II. Die asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers beruht ua auf einer zu den Houthi oppositionellen Gesinnung, aufgrund der er sich weigert, sich den Houthi-Milizen anzuschließen, woraus sich im Ergebnis eine hinreichend wahrscheinliche Gefahr einer Verfolgung aus politischen Gründen ergibt, zumal der Beschwerdeführer bereits ins Visier der Houthi geraten und vor ihnen geflüchtet ist. Er kann in seiner Herkunftsregion auch keinen staatlichen Schutz erwarten, da dort die Staatsmacht faktisch von den Houthi ausgeübt wird. III. Aufgrund des dem Beschwerdeführer zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Jemen kommt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich eingetretene, markante Verbesserung der Sicherheitssituation im Herkunftsland oder einen Wegfall der Bedrohungssituation liegen nicht vor.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 08.03.2018
Aufbereitet am: 02.07.2018
1691
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Bezug auf Kinder aus einer früheren Ehe
Leitsätze
Im Rahmen der Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK muss berücksichtigt werden, welche konkreten Auswirkungen die drohende Ausreise des Beschwerdeführers und die damit verbundene Trennung auf das Kindeswohl (auch) der minderjährigen Kinder aus der früheren Ehe haben, zumal die beiden minderjährigen Kinder mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt leben.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 14.03.2018
Aufbereitet am: 27.06.2018
1690
Zur Rückkehr eines jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mannes ohne familiären oder sonstigen sozialen Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in Afghanistan
Leitsätze
I. Angesichts der in der Herkunftsprovinz Balkh auftretenden Militäroperationen würde bei Überstellung nach Afghanistan in diese Provinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK drohen. II. Nach dem massiven Einbruch der afghanischen Wirtschaft stellt sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum insb für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären oder sonstigen sozialen Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung als unzureichend dar. Solche Personen werden mit großen wirtschaftlichen Problemen konfrontiert und geraten bei fehlender Bildung in ernste Versorgungsschwierigkeiten sowie eine akute Gefährdung ihres Überlebens.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 17.11.2017
Aufbereitet am: 26.06.2018
1689
Auswirkungen der familiären Verbundenheit auf die Bedrohungssituation eines Antragstellers
Leitsätze
I. Im Asylverfahren können ebenso die Familienangehörigen des Antragstellers betreffende Umstände Bedeutung für die Beurteilung von Verfolgungsgefahr haben. II. Für die Beurteilung einer asylrechtlich relevanten Gefährdung ist nicht entscheidend, ob der Antragsteller in seinem Heimatstaat bereits einer Bedrohungssituation ausgesetzt war, sondern vielmehr, ob er bei einem Verbleib in seiner Heimat Verfolgungshandlungen ausgesetzt wäre.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 24.01.2018
Aufbereitet am: 25.06.2018
1688
Aufenthaltstitel nur für Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen
Leitsätze
I. Das VwG hat bei Vorliegen der Voraussetzungen den beantragten Aufenthaltstitel selbst in konstitutiver Weise zu erteilen und tritt diese Wirkung mit Erlassung des Erkenntnisses ein. II. Beträgt die Gültigkeit des Reisepasses weniger als die maximal mögliche für den Aufenthaltstitel gültige Aufenthaltsdauer, so ist dieser nur für die Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 18.04.2018
Aufbereitet am: 25.06.2018
1687
Zur Genitalverstümmelung als Verfolgungsgrund in Zusammenhang mit der Einstellung der Eltern
Leitsätze
I. Die Gefahr der weibliche Genitalverstümmelung kann eine asylrelevante Verfolgung iSd GFK darstellen. II. Die Durchführung einer weiblichen Genitalverstümmelung ohne Einwilligung der Mutter ist äußerst unwahrscheinlich. Spricht sich eine Mutter explizit gegen eine weibliche Genitalverstümmelung aus und wird ihr Entschluss zusätzlich vom Kindesvater gestützt, ist davon auszugehen, dass aus diesem Grund keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat zu befürchten ist.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 23.02.2018
Aufbereitet am: 20.06.2018
1686
Zurückweisung res iudicata versus Verpflichtung zur inhaltlichen Entscheidung
Leitsätze
Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers/einer Asylwerberin gesondert zu prüfen. Die Verfahren sind unter einem zu führen und allen Familienmitgliedern ist der gleiche Schutzumfang zu gewähren.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 23.02.2018
Aufbereitet am: 19.06.2018
1685
Folgen der Zurückziehung einer Säumnisbeschwerde
Leitsätze
I. Es ist davon auszugehen, dass die Schlussfolgerungen von herrschender Lehre und Judikatur aus § 73 AVG zur Zurückziehung eines Devolutionsantrages auch für die Zurückziehung einer Säumnisbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG anwendbar sind. Demnach erlischt die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts und liegt diese wieder bei der ursprünglich zuständigen Behörde. II. Aus § 28 Abs 1 und § 31 Abs 1 VwGVG ergibt sich, dass ein Verfahren (im vorliegenden Fall nach Zurückziehung der Säumnisbeschwerde) vom Verwaltungsgericht mit Beschluss einzustellen ist. Eine formlose Beendigung des Verfahrens (etwa per Aktenvermerk) kommt nicht in Betracht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.04.2018
Aufbereitet am: 18.06.2018
1684
Dokumentenprüfung versus Altersgutachten
Leitsätze
I. Wenn die urkundentechnische Überprüfung des irakischen Reisepasses des Beschwerdeführers ergibt, dass dieser "unbedenklich" sei, wird implizit auch die Richtigkeit des dort eingetragenen Geburtsdatums bestätigt. II. Wenn die Behörde einem Altersgutachten mehr Beweiskraft als einem Reisepass mit der Begründung zumisst, dass Reisedokumente im Herkunftsstaat häufig gefälscht würden, der konkrete irakische Reisepass seitens der LPD nach einer urkundentechnischen Überprüfung aber als unbedenklich eingestuft wurde, ist die Beweiswürdigung der Behörde unschlüssig.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.04.2018
Aufbereitet am: 13.06.2018
1683
Zu Sprachanalyse und Feststellung der Staatsangehörigkeit
Leitsätze
I. Der persönliche Umgang mit armenischen Staatsangehörigen mag ein Indiz für die Herkunft eines Asylwerbers sein, reicht für sich aber nicht aus, um dessen armenische Staatsangehörigkeit festzustellen. II. Das BVwG zweifelt stark an, ob ein Analytiker, welcher in Mosul geboren wurde und in Duhok und Bagdad sowie im Iran bzw den kurdischen Gebieten in Syrien und Damaskus lebte, zur Beurteilung der Frage, ob ein Kurde dezidiert aus Armenien stammt, die geeignete Person ist. Wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Beschwerdeführer aus Armenien stammen, scheint es angebracht, einen Kurden aus Armenien als Analytiker heranzuziehen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.04.2018
Aufbereitet am: 12.06.2018
1682
Kein Verfahrenshilfeanspruch bei Beigabe einer Rechtsberatung
Leitsätze
I. Um ein den Grundrechten entsprechendes Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung der Schubhaft zu gewährleisten, werden die Interessen durch den von Amts wegen bestellten Rechtsberater ausreichend wahrgenommen. Ein Anspruch auf Verfahrenshilfe ist weder aus § 40 VwGVG, noch aus § 52 BFA-VG, noch unionsrechtlich ableitbar. II. § 8a VwGVG ist lediglich subsidiär anzuwenden, soweit bundes- oder landesrechtlich nicht anderes bestimmt ist. § 52 BFA-VG ist eine derartige Bestimmung; sie entspricht den Vorgaben des Art 47 GRC. III. Die Entrichtung der Eingabegebühr in Höhe von 30 Euro gefährdet nicht den notwendigen Unterhalt des Beschwerdeführers. Der Verfahrenshilfeantrag ist daher auch vor diesem Hintergrund abzuweisen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.04.2018
Aufbereitet am: 11.06.2018
1681
Rechtmäßiger Aufenthalt bringt Verpflichtung zum Verlassen zum Erlöschen
Leitsätze
I. Aufgrund eines vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechts in Hinblick auf die Zulassung eines Verfahrens kann die zuvor ergangene Anordnung zur Außerlandesbringung keine Wirkung mehr entfalten. Die Begründung eines rechtmäßigen Aufenthalts bringt die der Anordnung zur Außerlandesbringung innewohnende Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes zum Erlöschen. II. Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird. Das gilt auch für jene Fälle, in denen die Zulassung eines Folgeverfahrens stattfand.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 28.02.2018
Aufbereitet am: 06.06.2018
1680
Prophylaktischer Schubhaftbescheid bei unsicherem Haftentlassungszeitpunkt
Leitsätze
Bei Dublin-Überstellungen muss im Regelfall sieben Tage vor der Effektuierung dem jeweiligen Mitgliedsstaat die Überstellung angekündigt werden. In Unkenntnis eines genauen Entlassungstermins des Beschwerdeführers aus seiner Gerichtshaft kann die Behörde aber nicht voraussehen, wann dieses Anmeldungsprozedere beginnen müsste. Durch eine Spontanentlassung vor dem grundsätzlich festgelegten Ende der Gerichtshaft ist daher eine zeitgerechte Abwicklung unter Vermeidung einer Schubhaft nicht möglich. Ein Schubhaftbescheid zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung kann daher schon vorher mit Wirkung für den Zeitpunkt der Entlassung aus der Gerichtshaft erlassen werden.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 31.01.2018
Aufbereitet am: 05.06.2018
1679
Zum Wortlaut des § 76 Abs 3 FPG und zur Prognose betreffend die Behinderung einer Abschiebung (§ 76 Abs 3 Z 1 FPG)
Leitsätze
I. Aus dem Wortlaut des § 76 Abs 3 FPG geht klar hervor, dass es sich bei den folgenden Tatbeständen (hier: § 76 Abs 3 Z 1 FPG) jedenfalls auch um eine Prognose im Hinblick auf tatsächliche oder zu erwartende, die Abschiebung erschwerende oder entziehende Handlungen der Fremden handeln soll. II. Es besteht kein Zweifel daran, dass ein Widersetzten der Beschwerdeführerin im Rahmen der Abschiebung, wie in der Einvernahme angekündigt, als "behindern" iSd § 76 Abs 3 Z 1 FPG zu qualifizieren ist.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 16.03.2018
Aufbereitet am: 04.06.2018
1678
Ausweisung wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit unter Missachtung der verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen
Leitsätze
I. Die in Art 1 7. ZPEMRK vorgesehenen Garantien sind auf die Ausweisung von Fremden anwendbar, die sich rechtmäßig auf dem Gebiet eines Staates aufhalten, der dieses Protokoll ratifiziert hat. II. Eine vollstreckbare Entscheidung, die den Asylstatus einer Person widerruft und sie zur Ausreise verpflichtet, ist als Ausweisungsmaßnahme iSv Art 1 7. ZPMRK anzusehen. III. Art 1 7. ZPEMRK garantiert, dass eine Ausweisung "nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung" erfolgt. Der Ausdruck "rechtmäßig" betrifft nicht nur das Bestehen einer rechtlichen Grundlage im innerstaatlichen Recht, sondern auch die Qualität des fraglichen Rechts: Es muss zugänglich und vorhersehbar sein und auch ein gewisses Maß an Schutz gegen willkürliche Eingriffe in die Konventionsrechte durch die Behörden gewähren. Die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit gehen nicht so weit, dass die Staaten Rechtsvorschriften erlassen müssten, in denen im Detail jedes Verhalten aufgelistet wird, das eine Ausweisung aus Gründen der nationalen Sicherheit nach sich ziehen kann. Allerdings verlangt die Rechtsstaatlichkeit in einer demokratischen Gesellschaft selbst dann, wenn die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht, dass grundlegende Menschenrechte berührende Ausweisungsentscheidungen einer Form von zweiseitigem Verfahren vor einer unabhängigen Behörde oder einem Gericht unterworfen sein müssen, um die Gründe für sie effektiv zu prüfen und die einschlägigen Beweise zu bewerten – wenn nötig unter angemessenen verfahrensrechtlichen Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung von klassifiziertem Material. Der Einzelne muss in der Lage sein, die Behauptung der Exekutive zu bestreiten, die nationale Sicherheit stehe auf dem Spiel. IV. Es verstößt gegen Art 1 7.ZPEMRK, wenn eine Fremde unter Berufung auf eine als geheim eingestufte Mitteilung des Geheimdienstes mit der Begründung ausgewiesen wird, ihre Anwesenheit gefährde die nationale Sicherheit, ohne dass näher angegeben wird, worauf sich diese Annahme stützt und ohne dass der Betroffenen eine Gelegenheit eingeräumt wird, dazu Stellung zu nehmen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 17.05.2018
Aufbereitet am: 30.05.2018
1677
Anhaltung in Schubhaft aufgrund einer nur mündlich mitgeteilten Entscheidung
Leitsätze
I. Art 5 Abs 1 lit f EMRK erlaubt die Freiheitsentziehung von Fremden, gegen die ein Ausweisungsverfahren anhängig ist. Diese Bestimmung verlangt nicht, dass die Anhaltung als notwendig anzusehen ist, etwa um die Flucht zu verhindern. Es reicht aus, dass ein Ausweisungsverfahren im Gange ist. Außerdem muss die Anhaltung eine Grundlage im innerstaatlichen Recht haben. II. Art 5 Abs 4 EMRK verlangt, dass eine Freiheitsentziehung mit einem effektiven Rechtsmittel bekämpft werden kann. III. Es kann eine Verletzung von Art 8 EMRK vorliegen, wenn ein Fremder aus einem Land ausgewiesen wird, wo seine engen Familienangehörigen leben. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur, wenn diese Familienmitglieder sich rechtmäßig aufhalten oder wenn es ausnahmsweise gute Gründe gibt, warum sie der betroffenen Person nicht folgen können. Wenn sich die Ehefrau des betroffenen Fremden wie im vorliegenden Fall schon seit längerem unrechtmäßig aufhält und es zudem keine Gründe gibt, die gegen eine Rückkehr in das gemeinsame Herkunftsland sprechen, kann die Ausweisung keine Verletzung von Art 8 EMRK begründen. IV. Art 1 7. ZPMRK ist nur auf Fremde anwendbar, die sich rechtmäßig im betroffenen Konventionsstaat aufhalten. Der Begriff "rechtmäßig" bezieht sich dabei auf das innerstaatliche Recht des betroffenen Staates, das demnach festzulegen hat, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthalt als rechtmäßig anzusehen ist.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 19.06.2018
Aufbereitet am: 29.05.2018
1676
Fehlende Echtheitsbestätigung des Heimreisezertifikates
Leitsätze
I. Bei der Nichtbeschaffung der erforderlichen Echtheitsbestätigung des Heimreisezertifikates durch das BFA ist eine geplante Abschiebung von vornherein aussichtslos. Eine Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung dieser nicht durchführbaren Abschiebung gilt als unverhältnismäßig. II. Dem BFA ist ein gewisser Zeitraum für das Verfassen des Schubhaftbescheides und die Bestellung des Rechtsberaters zur Zustellung des Bescheides einzuräumen. Dass dem Beschwerdeführer der Schubhaftbescheid vom 18.7.2017 nach Ende der Nachtstunden am 19.7.2017 um 6:00 Uhr jedoch immer noch nicht zugestellt wurde, macht die Dauer der weiteren Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis zur tatsächlichen Zustellung des Schubhaftbescheides unverhältnismäßig.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 14.12.2017
Aufbereitet am: 28.05.2018
1675
Einvernahme Minderjähriger nur in Anwesenheit der gesetzlichen Vertretung
Leitsätze
I. Aus § 10 Abs 3 BFA-VG ergibt sich lediglich eine eingeschränkte Prozessfähigkeit. Aus dem Postulat des § 21 ABGB, dass Minderjährige unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, ist zu schließen, dass die Einvernahme vor der Behörde die volle Prozessfähigkeit voraussetzt und nicht nur die Fähigkeit, Handlungen zu seinem Vorteil setzen zu können. Stützt sich die Behörde auf die Aussagen des Minderjährigen, indem sie daraus vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte die notwendigen Schlussfolgerungen für die Zu- oder Aberkennung von internationalem Schutz zieht, wird der Voraussetzung der vollen Prozessfähigkeit ein noch höherer Bedeutungsgehalt zugemessen. Die gegenteilige Ansicht, nämlich die Irrelevanz der Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters bei der behördlichen Einvernahme, würde bedeuten, dass das Gericht den Schutz der Minderjährigen, wie es die Kinderrechtskonvention durch den Vorrang des Kindeswohles postuliert, außer Acht lässt und es zudem unterlassen würde, dass die gesetzliche Vertretung ihre Aufgaben wahrnehmen kann. II. Mangels Ladung und Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters bei der Einvernahme des zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführers unterlief der Behörde bei der Anwendung des § 19 Abs 2 AsylG 2005 und § 10 Abs 3 BFA-VG ein wesentlicher Verfahrensfehler.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 06.03.2018
Aufbereitet am: 24.05.2018
1674
Kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen bei begünstigten Drittstaatsangehörigen
Leitsätze
I. Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG 2005 nicht erlassen werden. II. Begünstigten Drittstaatsangehörigen kann gemäß § 54 Abs 5 AsylG 2005 kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - insb also auch nicht ein solcher nach § 55 AsylG 2005 - erteilt werden. III. Hinsichtlich begünstigter Drittstaatsangehöriger kommt eine Feststellung nach § 9 Abs 3 BFA-VG 2014, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, nicht in Betracht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Aufbereitet am: 22.05.2018