Aktueller Leitsatz der Redaktion
2529
Verbot der Verlängerung von Grenzkontrollen zu Slowenien bei gleichbleibender Bedrohung der öffentlichen Sicherheit
Leitsätze
I. Die in Art 25 VO (EU) 2016/399 enthaltene Ermächtigung, aus Anlass einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eines Mitgliedstaates wieder Binnengrenzkontrollen einzuführen, ist strikt mit sechs Monaten im Gesamten limitiert. Lediglich dann, wenn eine neue tatbildliche Bedrohung in Erscheinung tritt, kann der Mitgliedstaat die Fristen des Art 25 neuerlich in Gang setzen. Stets muss der Mitgliedstaat hierbei die Verfahrensvorschriften der Art 26 bis 28 VO (EU) 2016/399 beachten. II. Für den Fall außergewöhnlicher Umstände, während derer eine Abwesenheit von Kontrollen das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden würde, gilt für Binnengrenzkontrollen eine Höchstfrist von zwei Jahren (Art 29 VO [EU] 2016/399). III. Eine Rechtfertigung für Binnengrenzkontrollen, die die genannten Höchstfristen überdauern, kann auch nicht primärrechtlich in Art 72 AEUV gesehen werden. Denn diese Bestimmung, derzufolge die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit für den Schutz der inneren Sicherheit und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung behalten, ermächtigt nicht so ohne Weiteres zum Abgehen von Unionsrecht. IV. Die österreichischen Binnengrenzkontrollen zu Slowenien erweisen sich demnach spätestens seit Herbst 2017 (zwei Jahre nach ihrer Einführung) als rechtswidrig. V. Der Vorwurf der Unionsrechtswidrigkeit ist auch § 24 Abs 1 Z 1 PassG zu machen, der die Einreise ohne ein Reisedokument (§ 2 Abs 1 PassG) mit einer Verwaltungsstrafe bedroht, ohne aber nach der (Unions-) Rechtskonformität der jeweiligen Grenzkontrolle zu differenzieren.
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Aufbereitet am: 29.06.2022

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