Aktueller Leitsatz der Redaktion
2697
Zweiwöchige Anhaltung einer Familie mit einem achtjährigen Kind in einem Abschiebezentrum
Leitsätze
I. Die Unterbringung Minderjähriger in Schubhaft wirft spezielle Fragen auf, da sie - egal ob begleitet oder unbegleitet - besonders vulnerabel sind und in Anbetracht ihres Alters und ihrer fehlenden Autonomie besonderer Betreuung bedürfen. Die besondere Verletzlichkeit minderjähriger Kinder ist entscheidend und muss Vorrang gegenüber der Eigenschaft eines Elternteils als Ausländer haben. II. Im Hinblick auf die Anhaltung eines Kindes in einem Abschiebezentrum sind für die Frage der Vereinbarkeit mit Art 3 EMRK unter anderem das Alter des betroffenen Kindes, die Bedingungen sowie die Dauer der Haft maßgeblich. Selbst wenn die unangemessenen Bedingungen der Anhaltung für sich den von Art 3 EMRK geforderten Schweregrad nicht erreichen, wird diese Norm verletzt, wenn dieser Umstand mit einer überlangen Haftdauer einhergeht. Dies gilt auch dann, wenn die Anhaltung aus der Weigerung der Eltern resultiert, auszureisen. III. Im vorliegenden Fall war die 14 Tage dauernde Anhaltung eines achtjährigen Kindes in Begleitung seiner Eltern im Abschiebezenrtum Metz-Queuleu angesichts der dort omnipräsenten Sicherheitsdimension nicht mit Art 3 EMRK vereinbar. IV. Die Nichteinhaltung einer vom EGMR erlassenen vorläufigen Maßnahme zur Beendigung der Schubhaft gemäß Art 39 VerfO verletzt jedenfalls dann Art 34 EMRK, wenn der belangte Staat keinerlei Rechtfertigungsgründe vorbringt und auch keine objektiven Hindernisse bestanden, die die Durchführung der Maßnahme vereitelten.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Aufbereitet am: 17.03.2023

Jahrgangsband 2023

