Leitsätze
1713
Vorbereitung der Abschiebung durch das BFA bereits während der Strafhaft
Leitsätze
Wurde dem BFA die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 30 Abs 5 BFA-VG mitgeteilt, und ist diesem der voraussichtliche Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft bekannt, so ist es dem BFA möglich, mit der Vorbereitung der Abschiebung schon vor Ende der Strafhaft zu beginnen und so eine Schubhaft zu vermeiden.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2018
Aufbereitet am: 14.08.2018
1712
Zur Familieneigenschaft im Verhältnis der leiblichen Eltern und der Pflegeeltern
Leitsätze
Aufgrund der unzulässigen Verneinung eines Familienlebens zwischen dem bei Pflegeeltern lebenden Sohn und seinem leiblichen Vater kommt es durch die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und der Anordnung der Außerlandesbringung zur Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2018
Aufbereitet am: 13.08.2018
1711
Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Künstler"
Leitsätze
I. Die Beschwerdeführerin wird durch die Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Künstler" im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt. II. Das Einkommen selbständiger Künstler ist durch eine Haftungserklärung substituierbar.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2018
Aufbereitet am: 09.08.2018
1710
Kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen bei unzulässiger Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Personen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügen, kommt nach § 20 Abs 3 NAG in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokuments - ein unbefristetes Niederlassungsrecht zu. Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist in diesem Fall am Maßstab des § 52 Abs 5 FPG zu prüfen, wobei sich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auch noch aus § 9 BFA-VG ergeben. II. Ein Spruch, mit dem in Stattgebung der Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung (nur) die Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und darauf aufbauend die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG festgestellt wurden bzw ein solcher Aufenthaltstitel erteilt wurde, ist dahin zu deuten, dass damit implizit auch die vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung und die damit untrennbar zusammenhängenden weiteren Aussprüche (samt allfälliger Erlassung eines Einreiseverbotes) aufgehoben wurden. III. Erweist sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung - aus welchem Grund bzw auf welche Dauer auch immer - als unzulässig, so hat die Niederlassungsbehörde gemäß § 25 Abs 2 dritter Satz NAG "einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen", dh dem Verlängerungsantrag stattzugeben und den bisherigen Aufenthaltstitel erneut (allenfalls aber auch einen anderen, nunmehr in Betracht kommenden Titel nach dem NAG) auszustellen. Es ist somit weder Platz für eine Duldung, die einen titellosen Aufenthalt voraussetzt, noch für einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG, der nicht neben einen bereits bestehenden Aufenthaltstitel treten kann. Nach § 58 Abs 9 Z 2 AsylG ist ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG - das ist ua eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG - als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige bereits über ein Aufenthaltsrecht ua nach dem NAG verfügt. Davon ausgehend ist § 9 Abs 3 BFA-VG dergestalt teleologisch zu reduzieren, dass im Rückkehrentscheidungsverfahren nach § 52 FPG die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt. Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für die Konstellation, dass der Fremde über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" und damit über ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügt. Erweist sich demnach eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 5 FPG - aus welchem Grund auch immer - als unzulässig, besteht dieses Aufenthaltsrecht weiter. Allenfalls kann nach § 28 Abs 1 NAG eine "Rückstufung" vorgenommen werden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG kommt aber jedenfalls nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 29.05.2018
Aufbereitet am: 09.08.2018
1709
Aktenwidrige Feststellungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers
Leitsätze
Aufgrund einer aktenwidrigen Beurteilung der Gefährdungslage für den Beschwerdeführer in seiner Heimatprovinz wird dieser im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 12.06.2018
Aufbereitet am: 07.08.2018
1708
§ 21a NAG: Nachweis von Deutschkenntnissen trotz Analphabetismus zumutbar
Leitsätze
I. Die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 steht der Anwendung von neuen Beschränkungen, wie etwa eines neu eingeführten Erfordernisses des Nachweises von Deutschkenntnissen für den Zuzug türkischer Staatsbürger entgegen. II. Die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 ist nicht anzuwenden, wenn türkische Staatsangehörige nicht die Absicht haben, sich in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates zu integrieren. III. Bei Nicht-Anwendung der Stillhalteklausel ist § 21a NAG auch auf türkische Staatsbürger anzuwenden. IV. Analphabetismus macht für sich genommen den Erwerb von Deutschkenntnissen noch nicht unzumutbar im Sinne des § 21a Abs 4 Z 2 NAG.
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Entscheidungsdatum: 18.04.2018
Aufbereitet am: 06.08.2018
1707
Keine Verfolgungsgefahr für mutmaßlichen Terroristen im Fall seiner Ausweisung nach Marokko
Leitsätze
I. Angesichts der mit terroristischer Gewalt verbundenen Bedrohung der Menschenrechte ist es legitim, wenn ein Staat mit Nachdruck gegen jene vorgeht, die sich an Terroranschlägen beteiligen. Dies ändert jedoch nichts an der absoluten Geltung von Art 3 EMRK, dessen Schutz keine Ausnahmen kennt. Die Aktivitäten der betroffenen Person, wie unerwünscht oder gefährlich sie auch sein mögen, können dabei keine Rolle spielen. Bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit des Staates unter Art 3 EMRK kann das Risiko der Misshandlung auch nicht gegen die Gründe abgewogen werden, die für die Ausweisung sprechen. Wenn ein reales Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung im Fall der Abschiebung besteht, darf die betroffene Person nicht in dieses Land abgeschoben werden. II. Es ist grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Behörden und Gerichte, die Beweise zu bewerten und es ist nicht Aufgabe des EGMR, diese Einschätzung durch seine eigene zu ersetzen. Er muss sich lediglich vergewissern, ob die von den nationalen Behörden vorgenommene Beurteilung angemessen war und auf ausreichendem, aus verlässlichen und objektiven Quellen stammendem Material beruhte. III. Es ist Sache des Beschwerdeführers, Beweise für das Bestehen stichhaltiger Gründe für die Annahme eines realen Risikos einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung im Fall seiner Abschiebung vorzulegen. Die mit der Anwendung von Art 3 EMRK auf Abschiebungen verbundene Prognose umfasst jedoch einen gewissen Grad der Spekulation, weshalb von der betroffenen Person nicht verlangt werden kann, eindeutige Beweise vorzulegen. Wenn Beweise vorgelegt wurden, ist es Sache der Behörden, jeden von diesen aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen. IV. In Marokko kommt es nach wie vor zu Misshandlungen und Folter durch die Polizei und die Sicherheitskräfte, insb im Fall von Personen, die des Terrorismus oder der Gefährdung der nationalen Sicherheit verdächtigt werden. Es besteht jedoch nach Ansicht des EGMR keine generelle und systematische Praxis der Folter und Misshandlung während der Vernehmung und Anhaltung. Die generelle Situation in Marokko steht daher einer Abschiebung von Terrorverdächtigen nicht entgegen. V. Es gibt keinen Hinweise darauf, dass die marokkanischen Behörden sich im vorliegenden Fall über das Doppelbestrafungsverbot hinwegsetzen und den bereits in den Niederlanden wegen der Vorbereitung terroristischer Anschläge verurteilten Beschwerdeführer erneut strafrechtlich verfolgen würden. Da es auch sonst keine Hinweise auf ein Interesse der Behörden an seiner Person gibt, würde seine Abschiebung nicht mit der Gefahr einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung einhergehen.
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Entscheidungsdatum: 10.07.2018
Aufbereitet am: 01.08.2018
1706
Zur Ausführlichkeit der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Zurückverweisungen
Leitsätze
I. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine Sachentscheidung zu treffen. II. Der Umstand, dass weitere Vernehmungen erforderlich sind, rechtfertigt für sich genommen eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht. III. Lässt sich dem verwaltungsgerichtlichen Zurückverweisungsbeschluss gemäß § 28 Abs 3 VwGVG keine Begründung dazu entnehmen, warum das VwG davon ausgegangen ist, dass die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das VwG selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, so hat das VwG seiner Verpflichtung zur nachvollziehbaren Begründung des Nichtvorliegens seiner meritorischen Entscheidungszuständigkeit nicht entsprochen. IV. In aufenthaltsrechtlichen Verfahren mit Ermittlungen in Richtung Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption erlaubt § 37 Abs 4 NAG der zuständigen Aufenthaltsbehörde das Heranziehen von Ermittlungsergebnissen der LPD. Dort lässt sich somit eine Zurückverweisung nicht mit dem Fehlen "eigenständiger" Ermittlungen der belangten Aufenthaltsbehörde begründen.
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Entscheidungsdatum: 18.04.2018
Aufbereitet am: 31.07.2018
1705
Fortbestehen der Zuständigkeit nach Art 13 Abs 1 Dublin III-VO, trotz erfolgter Ausreise, Wiedereinreise in die Union und Antragstellung in einem dritten Mitgliedstaat
Leitsätze
I. Die Systematik der Dublin III-VO, die betreffend das Erlöschen der Verpflichtung zur Aufnahme bzw Wiederaufnahme im Zusammenhang mit der kurzfristigen freiwilligen Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten in ihrem Art 19 Abs 2 ausdrückliche Regelungen vorsieht und in ihrem Art 13 Abs 1 zweiter Satz in zeitlicher Hinsicht einen ausdrücklichen "Erlöschenstatbestand" normiert, legt ebenso nahe, dass eine aufgrund von Art 13 Abs 1 Dublin III-VO gegebene Zuständigkeit im Fall der kurzfristigen freiwilligen Ausreise - unabhängig davon, ob im betreffenden Mitgliedstaat vor der Ausreise ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde - außerhalb des Anwendungsbereiches explizit normierter "Erlöschenstatbestände" (vgl Art 19 Abs 2 Dublin III-VO) nicht erlischt. II. Ebenso ist aufgrund systematischer Überlegungen anzunehmen, dass die Dublin III-VO, die auf Konstellationen der kurzfristigen freiwilligen Ausreise (ua) in Art 19 Abs 2 Dublin III-VO ausdrücklich Bedacht nimmt, eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthalten müsste, sollten von dem Zuständigkeitskriterium der illegalen Einreise jene Situationen nicht erfasst werden, in denen nicht während des ersten durchgehenden Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, sondern erst nach zwischenzeitigem Verlassen dieses Gebiets in einem anderen Mitgliedstaat ein Asylantrag gestellt wird.
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Entscheidungsdatum: 05.04.2018
Aufbereitet am: 30.07.2018
1704
Aufhebung des familiären Bandes zwischen Eltern und Kindern nur unter außergewöhnlichen Umständen anzunehmen
Leitsätze
I. Ab dem Zeitpunkt der Geburt eines Kindes besteht zwischen diesem und seinen Eltern, insb der Mutter, eine derartige Verbindung, sodass nur in außergewöhnlichen Fällen die Aufhebung eines Familienlebens angenommen werden kann. II. Das Familienleben zwischen einer Mutter und ihren leiblichen Kindern hört auch bei einer längeren Abwesenheit bzw Trennung nicht automatisch zu bestehen auf.
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Entscheidungsdatum: 22.06.2018
Aufbereitet am: 27.07.2018
1703
Freiwillige Leistungen kein Einkommen iSd § 11 Abs 5 NAG
Leitsätze
I. Beabsichtigt der Fremde mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt zu leben, ist der "Familienrichtsatz" nach § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG maßgeblich. II. Aus § 11 Abs 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. III. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle eingeschränkt, in denen dies im Gesetz ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw durch die Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde. Dies ist in § 47 Abs 2 NAG nicht erfolgt, sodass als Unterhaltsanspruch eines Fremden, der einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" stellt, gemäß § 11 Abs 5 NAG lediglich gesetzlicher Unterhalt zum Tragen kommen kann. IV. Der Ehefrau des Fremden (als für das Familieneinkommen allein aufkommende Person) muss im Verfahren gemäß § 47 Abs 2 NAG hinsichtlich aller von ihr ins Treffen geführten Unterhaltsmittel ein Rechtsanspruch zustehen.
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Entscheidungsdatum: 22.03.2018
Aufbereitet am: 25.07.2018
1702
Zugehörigkeit zum Clan der Hawiye in Somalia
Leitsätze
Beim Clan der Hawiye handelt es sich um keine Minderheit, sondern um einen angesehenen und respektierten Clan in Somalia.
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Entscheidungsdatum: 17.04.2018
Aufbereitet am: 24.07.2018
1701
Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien
Leitsätze
Die Beschwerdeführerinnen werden mangels eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien und der mangelnden Berücksichtigung der Berichte zum bulgarischen Asylsystem an sich und in Bezug auf vulnerable Personen im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2018
Aufbereitet am: 23.07.2018
1700
Zur Rechtskraft und Dauer des Einreiseverbots iVm einer Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Im Sinne der Verfahrensökonomie können rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dienen. II. Im Fall eines Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs 1 AsylG 2005 wird eine mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung nicht gegenstandslos.
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Entscheidungsdatum: 22.03.2018
Aufbereitet am: 18.07.2018
1699
Fehlende Interessenabwägung hinsichtlich des Familienlebens bei Ausweisung eines Familienvaters
Leitsätze
I. Der Begriff des "Familienlebens" iSv Art 8 EMRK ist nicht auf eheliche Beziehungen beschränkt, sondern umfasst auch andere Formen des Zusammenlebens. Daher kommt es für das Bestehen eines Familienlebens nicht darauf an, ob eine in einer religiösen Zeremonie geschlossene Ehe staatlich anerkannt wurde. II. Die Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und seinen bei ihm lebenden Kindern ist auch dann ein von den Behörden zu achtendes Familienleben iSv Art 8 EMRK, wenn die Vaterschaft nicht amtlich registriert wurde. III. Ein Fremder, der die Behörden durch die während eines unrechtmäßigen oder unsicheren Aufenthaltsstatus begründeten Familienlebens vor vollendete Tatsachen stellt, kann aus Art 8 EMRK kein Recht darauf ableiten, sich in diesem Land niederlassen zu dürfen. In solchen Fällen würde eine Ausweisung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gegen Art 8 EMRK verstoßen. IV. Auch wenn ein Familienleben während eines unsicheren Aufenthalts begründet wurde, müssen die Behörden die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung prüfen und dabei die berührten Interessen unter Heranziehung der vom EGMR entwickelten Kriterien und Standards sorgfältig gegeneinander abwägen. Diesen Anforderungen wird nicht Genüge getan, wenn die Beziehung eines Fremden zu seiner die Staatsbürgerschaft des Aufenthaltsstaats besitzenden Ehefrau und zu seinen minderjährigen Kindern mit der Begründung ignoriert wird, die Ehe wäre nicht staatlich anerkannt und die Vaterschaft nicht amtlich registriert worden.
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Entscheidungsdatum: 17.04.2018
Aufbereitet am: 17.07.2018
1698
Verweigerung von Einreisetiteln für die Ehegattin und die minderjährigen Kinder eines in Österreich subsidiär schutzberechtigten afghanischen Staatsangehörigen
Leitsätze
Eine juristisch nicht nachvollziehbare Versagung von Einreisetiteln für die Ehegattin und die minderjährigen Kinder eines in Österreich subsidiär schutzberechtigten afghanischen Staatsangehörigen ist grundrechtswidrig.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2018
Aufbereitet am: 16.07.2018
1697
Rechtsberater im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem BVwG
Leitsätze
I. Dem Asylwerber kommt im Rechtsmittelverfahren vor dem BVwG vor dem Hintergrund des § 52 BFA-VG 2014 ein Rechtsanspruch auf Teilnahme des Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung zu, sofern er diesen darum ersucht hat. II. Auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften resultierenden Verfahrensgarantien ist es auch Sache des VwG dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann.
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Entscheidungsdatum: 05.04.2018
Aufbereitet am: 11.07.2018
1696
Zur dynamischen Ermittlung der erforderlichen Existenzmittel
Leitsätze
I. § 11 Abs 5 NAG knüpft bei der Festlegung der Referenzwerte für die nachzuweisenden Unterhaltsmittel an die Beträge an, die im ASVG als zu garantierendes Mindesteinkommen angesehen werden. Hiebei wird allgemein auf den "je nach der zugrundeliegenden familiären Situation in Betracht" kommenden Richtsatz verwiesen. Da die Situation eines Fremden, der zu studieren beabsichtigt, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres derjenigen eines Waisenpensionsberechtigten iSd § 293 Abs 1 lit c sublit aa ASVG entspricht, ist für ihn der dort normierte Richtsatz maßgeblich und er muss daher zur Ermöglichung einer Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften über feste und regelmäßige eigene Einkünfte nur in der Höhe dieses Richtsatzes verfügen. Hinsichtlich der innerhalb des § 293 Abs 1 lit c sublit aa ASVG vorgenommenen Differenzierung ist der Richtsatz für Vollwaisen heranzuziehen, weil dieser danach ausgerichtet ist, dass damit der gesamte Unterhalt des Waisenpensionsberechtigten sichergestellt werden soll. II. Bei der gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG zu treffenden Prognoseentscheidung muss bei saisonbedingten Schwankungen beim Jahreseinkommen ein repräsentativer Zeitraum für die Berechnung des durchschnittlich verfügbaren Monatseinkommens gewählt werden. Dem derart ermittelten Einkommen ist der für denselben Zeitraum festgelegte Richtsatz gegenüberzustellen. III. Bei Beurteilung der zur Verfügung stehenden Mittel ist nicht allein auf den Entscheidungszeitpunkt abzustellen. Daher kann für die Ermittlung des für die Deckung der Lebenshaltungskosten erforderlichen Betrages (Richtsatz) nichts anderes gelten. Demzufolge ist bei einer Ausgangslage, bei der hinsichtlich des Richtsatzes nach § 293 Abs 1 ASVG während der Gültigkeitsdauer des zu erteilenden Aufenthaltstitels eine Änderung eintreten wird, diese absehbare Änderung zu berücksichtigen. Die für eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erforderlichen Unterhaltsmittel sind nicht statisch zum Entscheidungszeitpunkt zu ermitteln, sondern danach, welche Beträge nach dem System des ASVG während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels als zur Deckung der monatlichen Lebenshaltungskosten jeweils notwendig angesehen werden.
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Entscheidungsdatum: 22.03.2018
Aufbereitet am: 10.07.2018
1695
Keine Handhabe bei Nichtvorlage einer Säumnisbeschwerde?
Leitsätze
Unterlässt es die Verwaltungsbehörde pflichtwidrig, dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakten vorzulegen, stehen dagegen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung, welche in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts fallen. Denn mittels Säumnisbeschwerde kann ausschließlich die Erlassung von Bescheiden, nicht aber die Setzung tatsächlicher Verhaltensweisen (wie etwa die Vorlage der Beschwerde samt Akten) durchgesetzt werden. Auch ein "Auftrag" des Verwaltungsgerichts gegenüber der Verwaltungsbehörde, die Säumnisbeschwerde vorzulegen, wie ihn die Antragsteller begehren, scheidet aus, weil dem Verwaltungsgericht als Organ der Gerichtsbarkeit gegenüber Verwaltungsbehörden keine Weisungsbefugnis gemäß Art 20 Abs 1 B-VG zukommt und auch sonst keine besondere Rechtsgrundlage für den hier begehrten Auftrag getroffen ist.
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Entscheidungsdatum: 08.03.2018
Aufbereitet am: 09.07.2018
1694
Voraussetzungen für Daueraufenthaltsrecht in Aufenthaltsbeendigungsverfahren eigenständig zu beurteilen
Leitsätze
Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Das bedeutet aber nicht, dass auch im Aufenthaltsbeendigungsverfahren, in dem verbindlich über das Weiterbestehen der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht entschieden wird, für die Vergangenheit in Bezug auf den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen ist. Vielmehr hat die Behörde in diesem Verfahren eigenständig zu beurteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht vorlagen und ob ausgehend davon bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben wurde.
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Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Aufbereitet am: 04.07.2018