Leitsätze
2098
Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt als Unionsbürger und Pensionsantritt
Leitsätze
Die zeitlichen Erfordernisse für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nach Art 17 Abs 1 lit a RL 2004/38/EG gelten uneingeschränkt auch für jene ArbeitnehmerInnen, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsantrittsalter erreicht haben. Eine einschränkende Auslegung iS einer Geltung nur für VorruhestandsbezieherInnen scheidet aus.
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Entscheidungsdatum: 22.01.2020
Aufbereitet am: 13.08.2020
2097
Zum gebotenen Zugang zum Asylverfahren und zur Haft als "humanitäre Unterbringung"
Leitsätze
I. Als "andere Behörde" iSd Art 6 Abs 1 UAbs 2 RL 2013/32/EU ist jede Verwaltungs- oder Gerichtsstelle anzusehen, die zwar nicht für die Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig ist, bei der solche Anträge aber "wahrscheinlich" gestellt werden können. II. Die "andere Behörde" iSd Art 6 Abs 1 UAbs 2 RL 2013/32/EU hat illegal aufhältige Drittstaatsangehörige über ihre Möglichkeit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu informieren und darüber hinaus bei der Bekundung der Absicht auf Antragstellung den Vorgang an die für die Registrierung des Antrags zuständige Behörde weiterzuleiten, damit dem Drittstaatsangehörigen die materiellen Leistungen iSd Art 17 RL 2013/33/EU zugute kommen können. III. Art 26 RL 2013/32/EU und Art 8 RL 2013/33/EU sind dahin auszulegen, dass ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der bei einer "anderen Behörde" iSd Art 6 Abs 1 UAbs 2 RL 2013/32/EU seine Absicht bekundet hat, internationalen Schutz zu beantragen, nicht aus einem anderen als den in Art 8 Abs 3 RL 2013/33/EU vorgesehenen Gründen in Haft genommen werden darf. Auch die Bestimmung des Art 18 Abs 9 RL 2013/33/EU rechtfertigt keine Inhaftnahme, wenn die Unterbringungskapazitäten derzeit erschöpft sind.
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Entscheidungsdatum: 25.06.2020
Aufbereitet am: 12.08.2020
2096
Gebotene Rechtsbelehrung iSd § 21a Abs 5 NAG
Leitsätze
I. § 21a NAG geht über das zur Erreichung des mit der Stillhalteklausel verfolgten Ziels der Förderung der Integration türkischer Staatsangehöriger Erforderliche hinaus und stellt daher eine unzulässige neue Beschränkung iSd Art 13 ARB 1/80 dar. Allerdings ergibt sich aus dem Aufbau und der Zielsetzung des ARB 1/80, dass der Beschluss die schrittweise Integration türkischer Arbeitnehmer in den Aufnahmestaat durch die Ausübung einer ordnungsgemäßen und grundsätzlich ununterbrochenen Beschäftigung von einem, drei oder vier Jahren zum Ziel hat. Art 13 ARB 1/80 ist folglich dann nicht anzuwenden, wenn türkische Staatsangehörige gar nicht die Absicht haben, sich in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats zu integrieren. II. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kann ein Antrag gemäß § 21a Abs 5 NAG nur bis zur Erlassung des Bescheids gestellt werden. Fehlt es an einem Antrag, so ist keine Interessenabwägung iSd § 11 Abs 3 NAG vorzunehmen. Die Behörde ist verpflichtet, den Drittstaatsangehörigen nicht nur über die Möglichkeit eines Antrags, sondern auch darüber zu belehren, dass die Antragstellung nur bis zur Erlassung des Bescheids zulässig ist. Die Belehrungspflicht besteht unabhängig davon, ob einem (allfälligen) Antrag a priori Erfolgschancen einzuräumen sind. Dem Gesetz ist - mangels einer dem § 13a AVG vergleichbaren Einschränkung - auch nicht zu entnehmen, dass die Belehrung unterbleiben dürfe, wenn im Verfahren ein Rechtsanwalt als Vertreter einschreitet. III. Das Unterbleiben der gebotenen Belehrung nach § 21a Abs 5 NAG belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Ein solcher rechtswidriger Bescheid ist im Rechtsmittelverfahren zu beheben, um dem Rechtsmittelwerber die Antragstellung im fortgesetzten behördlichen Verfahren zu ermöglichen. Die unterbliebene Belehrung ist also nicht vom VwG selbst nachzuholen, indem dem Drittstaatsangehörigen die Antragsmöglichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeräumt und anschließend über einen derartigen Antrag sogleich vom VwG selbst erstmals abgesprochen wird.
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Entscheidungsdatum: 11.03.2020
Aufbereitet am: 11.08.2020
2095
Betriebskosten als Teil der Mietbelastungen iSd § 11 Abs 5 NAG
Leitsätze
Die Betriebskosten sind von dem in § 11 Abs 5 NAG verwendeten Begriff der Mietbelastungen erfasst.
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Entscheidungsdatum: 30.03.2020
Aufbereitet am: 10.08.2020
2094
Arbeitsmarktzugang für Asylwerber
Leitsätze
I. Nach einer Wartefrist von drei Monaten kann ein Asylwerber während des laufenden (behördlichen) Asylverfahrens in den Arbeitsmarkt eintreten. II. Ein Schutz vor Entzug des Rechts auf Arbeitsmarktzugang im Rechtsmittelverfahren über den Antrag auf internationalen Schutz setzt voraus, dass die Gewährung des Rechts, also des Arbeitsmarktzuganges durch Erteilung einer (entsprechenden) Beschäftigungsbewilligung vor Erlassung der (ablehnenden) erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren erfolgte.
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Entscheidungsdatum: 28.04.2020
Aufbereitet am: 06.08.2020
2093
Wieder zur mangelnden Sachentscheidungsbefugnis und Entscheidungsfrist ungarischer Asyl-Rechtsmittelgerichte
Leitsätze
I. Art 31 RL 2013/32/EU ist auf das Verfahren vor den Asyl-Rechtsmittelgerichten nicht anzuwenden, sondern betrifft bloß das verwaltungsbehördliche Verfahren. II. Der EuGH hält an seiner Rsp fest (EuGH 29.7.2019, C-556/17 [Torubarov]), wonach eine fehlende reformatorische Entscheidungsbefugnis der Asyl-Rechtsmittelgerichte eines Mitgliedstaats mit der RL 2013/32/EU (VerfahrensRL) und va deren Art 46 Abs 3 nur dann vereinbar ist, wenn im Falle von deren kassatorischen Entscheidungen die Erstbehörde an die Rechtsansicht der Gerichte gebunden ist. Stellt das mitgliedstaatliche Recht eine solche Bindung nicht sicher, so ist es von den Rechtsmittelgerichten nicht anzuwenden und haben diese in der Sache zu entscheiden. III. Entscheidungsfristen der Asyl-Rechtsmittelgerichte nach mitgliedstaatlichem Recht sind von diesen im Einzelfall dann nicht zu beachten, wenn sie ob der Komplexität des Falls die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Regelungen und der verfahrensrechtlichen Garantien verunmöglichen. Die Entscheidungen sind dann stattdessen unter Beachtung dieser Anforderungen so schnell wie möglich zu erlassen.
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Entscheidungsdatum: 19.03.2020
Aufbereitet am: 05.08.2020
2092
Bloße Wiedergabe von Zeugenaussagen ist keine ausreichende Sachverhaltsfeststellung
Leitsätze
Die bloße Referierung von Zeugenaussagen kann die erforderlichen, auf die entscheidungswesentlichen Punkte zu fokussierenden, klar und nachvollziehbar zu treffenden Feststellungen nicht ersetzen.
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Entscheidungsdatum: 12.03.2020
Aufbereitet am: 04.08.2020
2091
Aus Art 6 Abs 1 ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht für türkische Staatsangehörige und Niederlassungsrecht (I)
Leitsätze
I. Die Bestimmung des § 45 NAG 2005 setzt ua voraus, dass der Drittstaatsangehörige in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen war. Eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gilt gemäß § 2 Abs 3 NAG nicht als Niederlassung; einer solchen Aufenthaltsbewilligung ist wesensimmanent, dass sie an die Dauer des Studiums gebunden ist und (ausgenommen eine einmalige Verlängerung nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zum Zwecke der Arbeitssuche oder der Unternehmensgründung gemäß § 64 Abs 4 NAG) nicht über dessen Ende hinaus verlängert werden kann. II. Die Voraussetzung gemäß § 45 NAG, niedergelassen zu sein, ist mit einer Aufenthaltsbewilligung "Student" nicht erfüllt. Daran ändert auch der Umstand, dass der Drittstaatsangehörige seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Bundesgebiet hat, aufgrund des klaren Wortlautes des § 2 Abs 3 NAG nichts. III. Wenn ein türkischer Staatsangehöriger die in Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, kann er nach Ablauf des ersten Arbeitsjahres eine Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei demselben Arbeitgeber und ein entsprechendes Aufenthaltsrecht verlangen (vgl EuGH 24.1.2008, Payir, C-294/06). IV. Nach Ablauf des im Art 6 Abs 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 vorgesehenen Zeitraumes von drei Jahren ist der türkische Arbeitnehmer berechtigt, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben. Ein uneingeschränktes Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung gemäß dem dritten Spiegelstrich besteht erst nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung. V. Das aus Art 6 ARB 1/80 über das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt bzw die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung abgeleitete Aufenthaltsrecht kann nicht weiter reichen als das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt. VI. Stützt der Fremde sein Aufenthaltsrecht nicht auf eine nach nationalem Recht erteilte Aufenthaltsbewilligung, sondern ist dieses Folge seines gemäß Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 auf denselben Arbeitgeber eingeschränkten Rechts auf Zugang zum Arbeitsmarkt bzw der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung, so ist sein Aufenthaltsrecht von seiner beschäftigungsrechtlichen Situation abhängig. Es ist durch die Bindung an die Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt und an die Beschäftigung beim selben Arbeitgeber weder zeitlich noch inhaltlich unbeschränkt. Es ist von einem förmlich begrenzten Aufenthaltsrecht iSd Art 3 Abs 2 lit e der RL 2003/109/EG auszugehen. Der Fremde ist nicht als niedergelassen iS des die DaueraufenthaltsRL umsetzenden § 45 Abs 1 NAG anzusehen.
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Entscheidungsdatum: 23.01.2020
Aufbereitet am: 03.08.2020
2090
Keine Nachweispflicht sonstiger Einreisevoraussetzungen bei Besitz einer Daueraufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers nach Art 20 RL 2004/38/EG
Leitsätze
I. Die Visumfreiheit nach Art 5 Abs 2 UAbs 1 Satz 2 RL 2004/38/EG gilt nicht nur für jene drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern, die in Besitz einer Aufenthaltskarte iSd Art 10 RL 2004/38/EG sind, sondern auch für jene, die bereits eine Daueraufenthaltskarte iSd Art 20 leg cit besitzen. II. Bei der Anwendung des Art 5 Abs 2 UAbs 1 Satz 2 RL 2004/38/EG iZm Daueraufenthaltskarten-Inhabern ist nicht nach der Schengen-Zugehörigkeit des ausstellenden Mitgliedstaats zu differenzieren. III. Die Daueraufenthaltskarte ist auch ein geeignetes Dokument zum Nachweis der Visumfreiheit.
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Entscheidungsdatum: 18.06.2020
Aufbereitet am: 30.07.2020
2089
Aus Art 6 Abs 1 ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht für türkische Staatsangehörige und Niederlassungsrecht (II)
Leitsätze
I. Türkischen Staatsangehörigen stehen die ihnen aus Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zukommenden individuellen Rechte unmittelbar und unabhängig davon zu, ob die Behörden eine Aufenthaltsbewilligung ausstellen. II. Dem Interesse an einer Bescheinigung der aus dem ARB 1/80 abgeleiteten Berechtigung wird durch die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (vgl § 4c Abs 1 AuslBG), auf deren Ausstellung ein türkischer Arbeitnehmer bei Erfüllen der Voraussetzungen des ersten Spiegelstrichs des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 einen Rechtsanspruch hat, Rechnung getragen. Es besteht aber jedenfalls kein Anspruch auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels, mit dem ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden ist (vgl § 17 AuslBG), der aus Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 nicht abgeleitet werden kann. III. Aus der VO (EG) 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige kann ein Anspruch auf Erteilung eines bestimmten innerstaatlichen Aufenthaltstitels nicht abgeleitet werden. IV. Der VwGH hat bereits klargestellt, dass die im Erkenntnis Ro 2017/22/0015 getroffenen Aussagen zum ersten Spiegelstrich des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 auf Fälle nach dem zweiten und dritten Spiegelstrich des Art 6 Abs 1 leg cit gleichermaßen bzw sinngemäß anwendbar sind (vgl VwGH 6.9.2018, Ro 2018/22/0008, und abermals Ro 2019/22/0001).
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Entscheidungsdatum: 18.02.2020
Aufbereitet am: 29.07.2020
2088
Erfordernis der Angabe von konkretem Aufenthaltstitel und -zweck löst Stillhalteklausel des ARB 1/80 nicht aus
Leitsätze
I. Aus § 19 Abs 1 und 2 NAG ergibt sich, dass in einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der konkret angestrebte Aufenthaltstitel und der konkret verfolgte Aufenthaltszweck genau zu bezeichnen sind. Diese Bestimmungen bewirken keine Schlechterstellung gegenüber einer früheren Rechtslage seit dem EU-Beitritt Österreichs. Die gebotene Festlegung auf (nur) einen konkreten Aufenthaltstitel und Aufenthaltszweck lässt ebenso - selbst im Fall eines dabei unterlaufenen Fehlers - keinen Nachteil erkennen, da es der Fremden unbenommen ist, neben dem "Hauptantrag" auch einen oder mehrere Eventualanträge zu stellen, sodass sie sich gegen die Folgen einer allfälligen unrichtigen Festlegung des Aufenthaltstitels und Aufenthaltszwecks absichern kann. II. Die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 kommt nur dann und nur insoweit zur Anwendung, als durch die sonst grundsätzlich maßgebliche Rechtslage eine Verschärfung - iSe Schlechterstellung des Antragstellers - eingetreten ist, andernfalls ist auf die nach den in der Rsp entwickelten Kriterien maßgebliche Rechtslage abzustellen. III. Ausgehend von der in § 19 Abs 2 NAG festgelegten strengen Antragsbindung kommt eine amtswegige Umdeutung eines Antrages nach den Bestimmungen des NAG nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 27.02.2020
Aufbereitet am: 28.07.2020
2087
Zulässigkeit von Identitätskontrollen im Hinterland einer Schengen-Binnengrenze
Leitsätze
I. Um Identitätskontrollen in Grenznähe von (an Schengen-Binnengrenzen grundsätzlich unzulässigen) Grenzübertrittskontrollen zu unterscheiden, sind die Intensität, die Häufigkeit und Selektivität der Kontrollen maßgeblich. II. Die in Art 23 lit a Satz 2 VO (EU) 2016/399 genannten Merkmale sind Indizien für das Vorliegen von Grenzübertrittskontrollen gleichzuhaltenden Kontrollen. Diese Indizien können nur durch das Hinzukommen von Determinanten im mitgliedstaatlichen Recht entkräftet werden, die hinreichend genaue und detaillierte Konkretisierungen und Einschränkungen zur Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durchgeführten Kontrollen beinhalten. Je mehr Indizien vorliegen, umso schärfer müssen die genannten Determinanten gefasst sein. Es muss gewährleistet sein, dass die praktische Ausübung dieser Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Dies zu prüfen ist Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten.
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Entscheidungsdatum: 04.06.2020
Aufbereitet am: 27.07.2020
2086
Fehlende Glaubwürdigkeit infolge Unfähigkeit zur konkreten Schilderung einschneidender Erlebnisse
Leitsätze
I. Gegen die Glaubhaftigkeit des späteren Vorbringens spricht, wenn der Beschwerdeführer eine ihm drohende Verfolgung durch die Polizei nicht erwähnt, sondern lediglich davon spricht, dass er mit dem Dorfvorsteher seit längerem in einem Konflikt stehe. II. Es spricht gegen die Glaubhaftigkeit der Behauptung, wegen der Zugehörigkeit zu einer politisch aktiven Gruppierung einer polizeilichen Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist anzugeben, um welche Gruppierung es sich dabei gehandelt hätte, sondern nur allgemein angibt, dass Khalistan eine Gruppierung von Sikhs sei, die um einen eigenständigen Staat kämpfe. III. Es spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens, wenn der Beschwerdeführer erst in der Beschwerdeverhandlung in der Lage ist, jene Splittergruppe genau zu bezeichnen, der er angehört hätte. IV. Es spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens, wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, übereinstimmende Angaben darüber zu machen, wie oft er von der Polizei festgenommen wurde, zumal es sich um einschneidende Erlebnisse handelt, wenn dies tatsächlich selbst erlebt wurde. V. Es spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens, wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, in der Erstbefragung und den folgenden Einvernahmen übereinstimmende Angaben zu den behaupteten Misshandlungen und Folterungen durch die Polizei im Herkunftsstaat zu machen. VI. Gegen das Bestehen einer Verfolgungsgefahr spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise im Februar 2019 einige Monate später wieder nach Indien zurückgekehrt ist. Wäre er tatsächlich einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt, wäre davon auszugehen, dass er nicht mehr in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt wäre. VII. Dass es dem Beschwerdeführer möglich war, trotz der im internationalen Flugverkehr durchgeführten strengen Personen- und Sicherheitskontrollen, die der Beschwerdeführer bei seiner Ausreise, seiner Rückkehr und der neuerlichen Ausreise wiederholt durchlief, ein- und auszureisen, spricht gegen das Bestehen einer konkreten Verfolgungsgefahr seitens der Behörden.
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Entscheidungsdatum: 28.02.2020
Aufbereitet am: 23.07.2020
2085
"Aufenthaltsberechtigung plus" bei nachweislicher Beziehungsintensität zu Familienmitgliedern im Inland
Leitsätze
I. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern auch vorausgesetzt, dass eine gewisse Beziehungsintensität zwischen Geschwistern und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern vorliegt. II. Eine gewisse Beziehungsintensität unter Familienmitgliedern liegt vor, wenn die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind. Die bloße Verwandtschaft erfüllt den Begriff "Familienleben" noch nicht.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2020
Aufbereitet am: 22.07.2020
2084
Reales Risiko einer drastischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und einer finanziellen Notlage nach 20 Jahren Abwesenheit
Leitsätze
Versetzt eine Rückführung die rückgeführte Person auf Grund ihrer gesundheitlichen Lage und der langen Abwesenheit von dem Staat, in den sie rückgeführt werden soll, in eine aussichtslose Lage, verstößt die Rückführung gegen Art 3 EMRK.
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Entscheidungsdatum: 27.02.2020
Aufbereitet am: 21.07.2020
2083
Derzeit keine Zwangsrekrutierung in NW-Syrien
Leitsätze
Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität drohen, liegt nicht vor, wenn im Entscheidungszeitpunkt keine konkreten, überzeugenden Hinweise dafür bestehen.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2020
Aufbereitet am: 20.07.2020
2082
Kein Aufenthaltsverbot wegen schwerer Straftat gegen Vermögen nach zehnjährigem Wohlverhalten mehr zulässig
Leitsätze
Wenngleich ein Verbrechen gegen Vermögen eine Gefährdung öffentlicher Interessen begründet, ist nach zehnjährigem Wohlverhalten und geordneten Lebensumständen das Verhängen eines befristeten Aufenthaltsverbots (§ 67 Abs 1 und 2 FPG) gegen EWR-Bürger nicht mehr zulässig.
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Entscheidungsdatum: 01.04.2020
Aufbereitet am: 16.07.2020
2081
Verhältnismäßige Bemessung eines Einreiseverbots nach jahrelangem rechtswidrigen Aufenthalt bei fehlenden Unterhaltsmitteln
Leitsätze
I. Bei einem nach Ablauf einer visumfreien Aufenthaltsdauer von 90 Tagen illegalen Aufenthalt von mehreren Jahren und fehlendem Nachweis von Unterhaltsmitteln erweist sich die Verhängung eines befristeten Einreiseverbots gemäß § 53 Abs 1 und Abs 2 Z 6 FPG durch das BFA dem Grunde nach als rechtmäßig. II. Bei der Bemessung des Einreiseverbots kann aber in solchen Fallgestaltungen iSd durch Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Verhältnismäßigkeit mit einem Ausmaß von einem Jahr das Auslangen gefunden werden, zumal der betroffene Drittstaatsangehörige ausgereist ist. Daran ändern auch zwei schon mehrere Jahre zurückliegende strafgerichtliche Verurteilungen geringfügiger Natur nichts, ebenso nicht ein nach § 197 StPO abgebrochenes neuerliches Strafverfahren. III. Das BVwG bleibt der bisherigen Rsp treu, wonach erforderliche Unterhaltsmittel iSd § 53 Abs 2 Z 6 FPG vom betroffenen Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und nicht von BFA und BVwG amtswegig zu ermitteln sind.
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Entscheidungsdatum: 01.04.2020
Aufbereitet am: 15.07.2020
2080
Erforderlicher Nachweis einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung für den Anspruch auf Sonderbehandlung als begünstigte Drittstaatsangehörige
Leitsätze
I. Ein Anspruch auf Erteilung eines Visums iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG bzw der RL 2004/38/EG besteht bei Vorliegen einer begünstigten Drittstaatsangehörigeneigenschaft eines EWR-Bürgers. II. Bei Kindern, die das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben, ist für die begünstigte Drittstaatsangehörigeneigenschaft eines EWR-Bürgers eine tatsächliche Unterhaltsgewährung unzweifelhaft nachzuweisen.
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Entscheidungsdatum: 10.02.2020
Aufbereitet am: 14.07.2020
2079
Beförderungsverweigerung durch Luftfahrtunternehmen wegen (angeblicher) Einreiseverweigerung durch einen Mitgliedstaat
Leitsätze
I. Zwar sieht Art 8 Beschluss 565/2014/EU bloß Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern als Normadressaten vor, indem er ihnen freistellt, die einzelstaatlichen Visa untereinander als gleichwertig anzuerkennen. Machen die genannten Mitgliedstaaten aber von dieser Möglichkeit Gebrauch, so verpflichten sie sich im anerkannten Umfang zur Befolgung des Beschlusses und können sich die Einzelnen gegenüber einem Mitgliedstaat, an den der Beschluss 565/2014/EU gerichtet ist und der beschlossen hat, die genannte Möglichkeit auszuüben, auf die damit verbundene Verpflichtung berufen. II. Luftfahrtunternehmen sind nicht als den Mitgliedstaaten zuzurechnende Einrichtungen anzusehen, weil sie nicht mit einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut oder hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgingen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten. Va sind ihre Organe und Beauftragten keine Grenzschutzbeamten, die Kontrollen iSd Art 7 ff VO (EU) 2016/399 durchführen. Daher kann sich ein Einzelner gegenüber einem Luftfahrtunternehmen nicht auf den Beschluss 565/2014/EU berufen und scheidet das Unternehmen nicht aus dem Anwendungsbereich der VO (EG) 261/2004 (Fluggäste-AusgleichsleistungsVO) und den aus dieser folgenden Rechten und Pflichten aus. III. Das Unionsrecht, insb Art 14 VO (EU) 2016/399, verlangt für Einreiseverweigerungen begründete Entscheidungen der Mitgliedstaaten mittels Standardformulars, das dem betroffenen Drittstaatsangehörigen auszuhändigen ist. Daraus folgt für das Rechtsverhältnis des einreisewilligen Drittstaatsangehörigen zum Luftfahrtunternehmen, dass ihm dieses die Beförderung nicht unter Berufung auf eine Einreiseverweigerung versagen darf, ohne dass ihm zuvor eine schriftliche, begründete Entscheidung über die Einreiseverweigerung mitgeteilt wurde. IV. Auf Einreisebestimmungen gestützte Beförderungsverweigerungen durch Luftfahrtunternehmen fallen in den Anwendungsbereich der VO (EG) 261/2004 (Fluggäste-AusgleichsleistungsVO) und entlassen die Unternehmen nicht aus den aus der VO entspringenden Rechten und Pflichten. V. Die VO (EG) 261/2004 (Fluggäste-AusgleichsleistungsVO) bzw insb deren Art 15 ist dahin auszulegen, dass sie einem Ausschluss bzw einer Beschränkung der iSd VO (EG) 261/2004 (Fluggäste-AusgleichsleistungsVO) bestehenden Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Beförderungsverweigerung gemäß deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegensteht. Daher kann ein Fluggast durch derartige Klauseln nicht um etwaige Schadenersatzansprüche nach der VO gebracht werden.
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Entscheidungsdatum: 30.04.2020
Aufbereitet am: 13.07.2020