Leitsätze
2632
Versorgungslage für Schutzberechtigte in Griechenland
Leitsätze
Ein in Griechenland als Schutzberechtigter anerkannter syrischer Staatsangehöriger wird durch die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der allgemeinen Rückkehrsituation im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 29.04.2022
Aufbereitet am: 29.11.2022
2631
Refoulementverbotswidrigkeit der Rückführung einer Mehrkindfamilie in den Irak
Leitsätze
Auch wenn ein Familienvater vor der – sieben Jahre zurückliegenden – Ausreise alleine für die Mehrkindfamilie sorgen konnte, darf nicht davon ausgegangen werden, er könne dies auch nach Jahren des Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet. Wenn weitere Rückkehrprobleme für Familienmitglieder im Herkunftsstaat bis zum Grad der existenziellen Bedrohung hinzutreten und auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) vorliegt, ist allen Mitgliedern solcherart betroffener Familien subsidiärer Schutz iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen.
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Entscheidungsdatum: 02.06.2022
Aufbereitet am: 28.11.2022
2630
Rückführungsentscheidung der Schweiz als absoluter Versagungsgrund
Leitsätze
I. Nach § 11 Abs 1 Z 2 NAG kommt es für die Annahme dieses Versagungsgrundes allein auf das Bestehen einer Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz (und nicht auf eine allfällige Ausschreibung im Schengener Informationssystem) an. II. Im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 11 Abs 1 Z 2 NAG ist eine Gefährdungsprognose nicht vorzunehmen. III. Da es sich bei § 11 Abs 1 Z 2 NAG (grundsätzlich) um einen absoluten Versagungsgrund handelt, ist bei dessen Vorliegen eine Interessenabwägung nicht vorgesehen. IV. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben begründet für sich genommen noch keine Ausnahmesituation iSv EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci ua.
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Entscheidungsdatum: 05.07.2022
Aufbereitet am: 25.11.2022
2629
Zur Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs 3 NAG
Leitsätze
I. Anträge von Inhabern einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs 2 AsylG auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs 3 NAG sind als Erstanträge und nicht als Verlängerungsanträge iSv § 2 Abs 1 Z 11 NAG zu qualifizieren. II. Zwischen der "Niederlassungsbewilligung" nach § 43 Abs 3 NAG und den in dieser Bestimmung aufgezählten Aufenthaltstiteln gemäß § 55 bzw § 56 AsylG besteht insoweit ein untrennbarer Zusammenhang, als der in Rede stehende Aufenthaltstitel nach dem NAG nur in unmittelbarem Anschluss an die erwähnten Titel nach dem AsylG erteilt werden kann. Dass die Aufenthaltstitel nach § 41a Abs 9 Z 1 und 2 sowie § 43 Abs 3 NAG die "Weiterführung" eines vorangegangenen, auf § 55 bzw § 56 AsylG gegründeten Aufenthaltsrechts darstellen und die in Rede stehenden Titel nach dem NAG bei ihrer erstmaligen Erteilung daher nur "im Anschluss" an einen Aufenthaltstitel nach § 55 bzw § 56 AsylG erlangt werden können, spiegelt sich auch in § 44a NAG wider. Demnach ist in Verfahren gemäß § 41a Abs 9 Z 1 und 2 sowie § 43 Abs 3 NAG ausdrücklich die sinngemäße Anwendung des § 24 Abs 1 und 2 sowie des § 20 Abs 2 NAG vorgesehen.
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Entscheidungsdatum: 21.06.2022
Aufbereitet am: 24.11.2022
2628
Sanktionen gegen grob gewalttätige Asylwerber; Bekräftigung des "Haqbin-Urteils"
Leitsätze
I. Der zweite Tatbestand des Art 20 Abs 4 RL 2013/33/EU ("grob gewalttätiges Verhalten") ist dahin auszulegen, dass er auch tatbildliche Handlungen von Asylwerbern außerhalb von Unterbringungszentren erfasst. II. Wie bereits im Urteil EuGH 12.11.2019, Rs C-233/18 (Haqbin), ECLI:EU:C:2019:956, judiziert, ist ein Totalentzug von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) iSd Art 2 lit f und g RL 2013/33/EU niemals zulässig (wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Bereitstellung eines würdigen Lebensstandards iSd Art 20 Abs 5 Satz 3 leg cit sowie dem in Satz 2 leg cit statuierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). III. Art 20 Abs 4 und 5 RL 2013/33/EU hindern nicht an der Inhaftnahme von Asylwerbern gemäß Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU, sofern die Voraussetzungen der Art 8–11 leg cit erfüllt sind. IV. Die absolute Unzulässigkeit eines Totalentzugs von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) vermag auch nicht durch Verfahrensgarantien im Recht der Mitgliedstaaten relativiert zu werden.
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Entscheidungsdatum: 01.08.2022
Aufbereitet am: 23.11.2022
2627
Mangelhafte Ermittlungen zur medizinischen Versorgungslage, insb zur Verfügbarkeit von Medikamenten in Afghanistan
Leitsätze
Der Beschwerdeführer aus Afghanistan wird durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der mangelnden Auseinandersetzung mit der Verfügbarkeit von Medikamenten für die Behandlung der Erkrankung sowie mit der Rückkehrsituation in die Region der innerstaatlichen Fluchtalternative im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 18.03.2022
Aufbereitet am: 22.11.2022
2626
Zur Unzulässigkeit eines Folgeantrags wegen res iudicata
Leitsätze
I. Bei der Frage, ob der Sachverhalt keine maßgebliche Änderung enthält, sodass sich ein Antrag aus dem Blickwinkel der entschiedenen Sache als unzulässig präsentiert, ist nicht allein auf den Inhalt des Vorbringens abzustellen. Vielmehr ist zu prüfen, ob dem Vorbringen ein "glaubhafter Kern", welchem Relevanz zukommt, innewohnt. II. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht weiter zu prüfen, wenn über einen inhaltsgleichen Antrag bereits entschieden wurde und keine neuen Elemente vorliegen oder die neuen Elemente ohnehin nicht geeignet sind, dass der antragstellenden Person mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein Schutzstatus zuerkannt wird.
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Entscheidungsdatum: 04.01.2022
Aufbereitet am: 21.11.2022
2625
Rechtsschutzdefizite in der Dublin III-VO?
Leitsätze
I. Art 27 Abs 1 Dublin III-VO ist nicht dahingehend auszulegen, dass er nur gegen Überstellungsentscheidungen einen Rechtsbehelf garantiere. Vielmehr steht gegen jede Entscheidung im Rahmen des Dublinsystems, mit der in subjektive Rechte eingegriffen wird, gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung. II. Wird ein Aufnahmegesuch gemäß Art 21 Dublin III-VO, in dem das Zuständigkeitskriterium des Art 8 Abs 2 leg cit in Rede steht, vom ersuchten Mitgliedstaat abgewiesen, so muss dieser dem unbegleiteten minderjährigen Asylwerber einen gerichtsförmlichen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung zur Verfügung stellen. III. Kein wie auch immer geartetes subjektives Recht erfließt im Rahmen von Entscheidungen iSd Art 8 Abs 2 Dublin III-VO dem Verwandten, dessentwegen dieser gerichtlichen Rechtsschutz iSd "unionsrechtsakzessorischen" Art 47 GRC in Anspruch nehmen könnte.
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Entscheidungsdatum: 01.08.2022
Aufbereitet am: 18.11.2022
2624
Zu den Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts
Leitsätze
I. Sind die Aufnahmekapazitäten für Asylwerber in einem Mitgliedstaat knapp und kommt es etwa daher teilweise zu Problemen bei der lückenlosen materiellen Versorgung von Asylwerbern, so kann aufgrund dieser Umstände nicht auf das Vorliegen genereller systemischer Mängel geschlossen werden. II. Wird über eine fremde Person aufgrund der Covid-19-Pandemie eine mehrtägige Quarantäne, während dieser sie behördlich untergebracht und auch entsprechend versorgt wird, verhängt, so kann darin keine unmenschliche Behandlung erblickt werden. III. Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO sind im Lichte des Art 4 GRC bzw Art 3 EMRK bloß im Falle einer "extremen materiellen Not", die bei der zu überstellenden Person unabhängig von deren Willen und persönlichen Entscheidungen einträte, unzulässig. Nur wenn im Aufnahmestaat objektive Kriterien (systemische oder allgemeine Mängel) vorliegen und dazu kumulativ die ernsthafte Gefahr besteht, dass die betroffene Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt wird, liegen jene außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen können. IV. Eine asylsuchende Person kann sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaats nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten kann. Es ist dabei irrelevant, dass bloß deshalb in einem anderen Mitgliedstaat kein Asylantrag gestellt wurde, weil von Anfang an der Wunsch bestand, nach Österreich zu kommen.
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Entscheidungsdatum: 07.04.2022
Aufbereitet am: 17.11.2022
2623
"Quasi res iudicata" in Verfahren zur Erlangung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 54 ff AsylG
Leitsätze
I. Hinsichtlich der Frage, ob in Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 55–57 AsylG ein seit der letzten fremdenbehördlichen Entscheidung maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliegt (§ 58 Abs 10 AsylG), sind die Wertungen des § 68 Abs 1 AVG übertragungsfähig. II. Wird ein Antrag auf Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 54 ff AsylG in Ermangelung eines maßgeblich geänderten Sachverhalts gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Bescheidbeschwerde bekämpft, so ist das BVwG darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es darf also einzig prüfen, ob ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd § 58 Abs 10 AsylG vorliegt, nicht aber das Vorliegen der materiellen Erteilungsvoraussetzungen des jeweiligen Aufenthaltstitels.
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Entscheidungsdatum: 01.06.2022
Aufbereitet am: 16.11.2022
2622
Zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Asylantrag und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Da die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz unzulässig ist, muss ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren eingestellt und eine bereits vom BFA erlassene erstinstanzliche Rückkehrentscheidung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom BVwG ersatzlos behoben werden. II. Möchte eine in Haft befindliche Person Asyl beantragen, so ist der Asylantrag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu stellen. Dazu muss eine Vorführung beantragt werden.
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Entscheidungsdatum: 08.04.2022
Aufbereitet am: 15.11.2022
2621
Rückkehrentscheidung mit unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht unvereinbar
Leitsätze
I. Der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts steht der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes anknüpft, entgegen. Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet nämlich eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts muss daher - gleich den in § 60 Abs 3 FPG ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltes - eine Gegenstandslosigkeit herbeiführen. II. Zwar wird ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht durch eine Eheschließung mit einer EWR-Bürgerin nicht ohne Weiteres erlangt, sondern besteht insb dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. Die Nichtbeachtung einer Rückkehrentscheidung begründet aber eine solche Gefährdung für sich genommen jedenfalls nicht. III. Ein Vorgehen nach § 55 Abs 6 NAG kommt dann in Betracht, wenn eine Aufenthaltsbeendigung erst nach Eheschließung und damit nach der Berufung auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Rechtskraft erwächst, nicht aber dann, wenn die Rechtskraft bereits vor der Eheschließung eingetreten ist.
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Entscheidungsdatum: 21.06.2022
Aufbereitet am: 14.11.2022
2620
"Minderjährigkeit" und "tatsächliche familiäre Bindungen" iSd RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL)
Leitsätze
I. Art 16 Abs 1 lit a iVm Art 2 lit f RL 2003/86/EG ist dahin auszulegen, dass ein "unbegleiteter Minderjähriger" zum Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Einreisetitel zum Behufe der Familienzusammenführung mit ihm gestellt wird, unter 18 Jahre alt sein muss. Es ist jedoch unions(grund)rechtlich unzulässig, zu verlangen, dass die Minderjährigkeit auch im Entscheidungszeitpunkt der/des mitgliedstaatlichen Behörde/Gerichts noch fortbestehen müsse. II. Es steht mit der RL 2003/86/EG, insb mit deren Art 13 Abs 2 iVm Abs 1 nicht im Einklang, das Ende der Minderjährigkeit im nationalen Recht zur auflösenden Bedingung zu erheben, mit deren Eintritt ein aus der Familienzusammenführung erfließender Aufenthaltstitel Angehöriger wegfiele. III. Für die Gewährung/das Fortbestehen von Einreise- und Aufenthaltstiteln aus dem Titel der Familienzusammenführung muss ein tatsächliches Familienleben bestehen, die bloße Verwandtschaft reicht nicht aus (Art 16 Abs 1 lit b RL 2003/86/EG): Tatbildliche "tatsächliche familiäre Bindungen" äußern sich insb in einem regelmäßigen Kontakt. Wechselseitige finanzielle Unterstützungen zwischen dem Zusammenführenden und dessen Angehörigen dürfen aber nicht verlangt werden.
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Entscheidungsdatum: 01.08.2022
Aufbereitet am: 11.11.2022
2619
Schutz des Familienlebens im Botschaftsverfahren (§ 35 AsylG)
Leitsätze
I. Hinsichtlich der Frage, ob der Aufenthalt der asyl- oder subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson von Antragstellern auf Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung in Österreich eine "finanzielle Belastung" iSd § 11 Abs 5 NAG darstellt (§ 35 Abs 4 Z 3 iVm § 60 Abs 2 Z 3 AsylG), ist wegen des Neuerungsverbots im Beschwerdeverfahren (§ 11a Abs 2 FPG) alleine auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu rekurrieren. II. Ein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK, das gegenüber einem Visaerteilungshindernis des § 60 Abs 2 AsylG prävaliert (§ 35 Abs 4 Z 3 AsylG), ist insb beim Vorliegen der folgenden Tatsachen anzunehmen: regelmäßige Kontakte, persönliche Treffen in einem Drittland, räumliche Trennung alleine auf Grund der Flucht der Bezugsperson, kein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die auf ein Zerreißen des Bandes zwischen Vater und Kind hindeuten. III. Befindet das BVwG, dass beantragte Visa iSd § 35 AsylG iVm § 26 FPG zu erteilen sind, so ist der entgegenstehende Bescheid der jeweiligen Botschaft weder zu reformieren noch iSd § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zu kassieren, sondern gemäß § 28 Abs 2 VwGVG mit Erkenntnis ersatzlos zu beheben.
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Entscheidungsdatum: 01.06.2022
Aufbereitet am: 10.11.2022
2618
Berücksichtigung des Kindeswohls bei Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
Leitsätze
I. Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes kommt insb bei jenen Fällen in Betracht, in denen sich eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann angenommen werden, dass die Antragstellung lediglich den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen Entscheidung zu verhindern. II. Das Kindeswohl ist bei der Prüfung der Voraussetzungen der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Vielmehr stellt das Kindeswohl im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nur einen Teilaspekt dar.
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Entscheidungsdatum: 20.06.2022
Aufbereitet am: 09.11.2022
2617
Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung während eines laufenden Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels
Leitsätze
I. Da gemäß § 24 NAG nach der rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrags die antragstellende Person – unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag stets weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, ist eine auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützte Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Antrag rechtswidrig. II. Aufgrund des § 25 NAG kommt dem BFA lediglich die Kompetenz zu, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben. Wird das BFA gemäß § 25 NAG um Abgabe einer Stellungnahme ersucht, so begründet dies keine Kompetenz zur Fällung einer Rückkehrentscheidung in dieser Sache. III. Wird das BFA nach § 25 NAG in ein laufendes Verfahren der Niederlassungsbehörde betreffend die Verlängerung eines Aufenthaltstitels eingebunden, so kann dieses vor Abschluss des Verfahrens keine Rückkehrentscheidung erlassen.
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Entscheidungsdatum: 06.12.2021
Aufbereitet am: 08.11.2022
2616
Verweigerung der Identitätsfeststellung begründet per se keine Notwendigkeit der Schubhaftnahme
Leitsätze
Die bloße Gefahr, ein Antragsteller könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen, bildet kein Grundinteresse der Gesellschaft (iSe gebotenen Schutzes seiner Bürger vor Gefahren) und eine ausreichende Begründung zur Verhängung von Schubhaft.
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Entscheidungsdatum: 24.05.2022
Aufbereitet am: 07.11.2022
2615
Rechtmäßige Versagung von Einreisetiteln bei Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Schutzstatus der Bezugsperson
Leitsätze
I. Der Versagungsgrund des unsicheren Status der Bezugsperson bezieht sich allein auf die Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens und stellt nicht auf das Ergebnis eines solchen Verfahrens ab. II. Allein das Vorliegen der Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens des Status der Bezugsperson führt nach § 35 Abs 4 Z 1 AsylG zwingend dazu, dass die begehrten Einreisetitel zu versagen seien. Daran vermag auch ein anhängiges Beschwerdeverfahren nichts zu ändern.
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Entscheidungsdatum: 23.05.2022
Aufbereitet am: 04.11.2022
2614
Kein Anlass zum Selbsteintritt bei bloß unsubstanziierten Behauptungen im Dublinverfahren
Leitsätze
Eine bloß unbelegte Behauptung eines Beschwerdeführers, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass er im Rahmen der Überstellung in den nach der Dublin III-VO zuständigen Staat ein Asylverfahren nach europäischen Standards und ausreichende Versorgung erhalten würde, ist nicht dazu geeignet, die Länderberichte in Zweifel zu ziehen.
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Entscheidungsdatum: 19.04.2022
Aufbereitet am: 03.11.2022
2613
Keine freie Wahl des Aufenthaltsstaates unter Berufung auf das Kindeswohl
Leitsätze
I. Bei der Beurteilung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG ist unter Bedachtnahme aller Umstände des Einzelfalls sowie unter Interessenabwägung eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts vorzunehmen. II. Gemäß Judikatur des EGMR garantiert die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land und sind die Konventionsstaaten allgemein nicht verpflichtet, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. III. Sowohl der EGMR als auch der VfGH stellen in ihrer Rsp darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart sei, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. IV. Auch wenn dem Kindeswohl ein hoher Stellenwert zukommt, kann die Berücksichtigung des Kindeswohls nicht so weit gehen, dass Beschwerdeführer im Wissen um ihren unsicheren Aufenthalt den bevorzugten Mitgliedstaat frei wählen können.
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Entscheidungsdatum: 21.04.2022
Aufbereitet am: 02.11.2022