Leitsätze
2323
Frage der Prozessfähigkeit von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen
Leitsätze
I. Die Frage des Vorliegens der prozessualen Handlungsfähigkeit ist nach § 9 AVG von der Behörde bzw vom Gericht als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen. II. Bei begründeten Bedenken in Bezug auf das Fehlen der Prozessfähigkeit der betreffenden Person ist daher die Frage von Amts wegen zu prüfen und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren - idR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – durchzuführen.
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Entscheidungsdatum: 22.12.2020
Aufbereitet am: 12.07.2021
2322
"Ausreichende Existenzmittel" gemäß Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG auch bei Herkunft aus Schwarzarbeit?
Leitsätze
I. Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art 267 AEUV sind nur dann unzulässig, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind. Ansonsten gilt eine Vermutung, dass die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Rechtsfragen auch entscheidungserheblich sind. II. Die unmittelbar aus Art 21 Abs 1 AEUV sich ergebende allgemeine Freizügigkeit stellt ein Prinzip des Unionsrechts und den Regelfall dar, dementsprechend sind Einschränkungen derselben wie Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG unter Einhaltung der vom Unionsrecht gezogenen Grenzen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen. III. Das Unionsrecht verlangt nach gefestigter und beibehaltener Rsp zwar ausreichende Existenzmittel für Nicht-Arbeitnehmer und Nicht-Selbständige, die sich in einem anderen Mitgliedstaat mehr als drei Monate lang aufhalten (Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG), stellt an die Herkunft der Mittel aber keine Anforderungen. IV. Aus dem in Punkt III genannten Grund ist Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG dahin auszulegen, dass ein minderjähriger Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass er während seines Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen muss, auch wenn diese Mittel aus den Einkünften stammen, die aus einer Beschäftigung bezogen werden, der sein Vater, der einem Drittstaat angehört und über keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in diesem Mitgliedstaat verfügt, illegal nachgeht.
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Entscheidungsdatum: 02.10.2019
Aufbereitet am: 09.07.2021
2321
Angemessene aufenthaltsrechtliche Frist für die Arbeitssuche als Unionsbürger in einem anderen Mitgliedstaat
Leitsätze
I. Auch Arbeitssuchende kommen in den Genuss der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die diesbezügliche EuGH-Rsp wurde in Art 14 Abs 4 lit b RL 2004/38/EG positiviert. II. In den (bedingungslos garantierten) ersten drei Monaten des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat fällt ein Unionsbürger unter Art 6 RL 2004/38/EG. Während dieser Zeit darf nicht mehr als der Besitz eines gültigen Ausweisdokuments verlangt werden. III. Sobald der Unionsbürger beschlossen hat, sich im Aufnahmemitgliedstaat als Arbeitssuchender registrieren zu lassen, fällt er unter Art 14 Abs 4 lit b RL 2004/38/EG (während der [voraussetzungslos gewährten] ersten drei Monate des Aufenthalts aber noch unter Art 6 leg cit). IV. Der Aufnahmemitgliedstaat hat dem Arbeit suchenden Unionsbürger für die Suche eine angemessene Frist zu gewähren: Diese beginnt zum in Punkt III genannten Zeitpunkt. Sie ist so zu bemessen, dass die Art 45 und 21 AEUV in ihrer praktischen Wirksamkeit nicht beeinträchtigt werden. Eine Frist von sechs Monaten trüge diesem Erfordernis beispielsweise Rechnung. V. Während der in Punkt IV bezeichneten Frist darf der Mitgliedstaat vom betroffenen Unionsbürger nur verlangen, dass dieser tatsächlich nach Arbeit sucht. Er darf aber noch nicht den Nachweis verlangen, dass der Unionsbürger eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Diesen Nachweis darf der Mitgliedstaat stattdessen erst nach Ablauf dieser Frist fordern.
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Entscheidungsdatum: 17.12.2020
Aufbereitet am: 08.07.2021
2320
Bestehen von faktischem Abschiebeschutz bei im Ausland gestelltem Asylantrag und Rücküberstellung nach Dublin-VO
Leitsätze
I. Der in einem anderen Mitgliedstaat gestellte Asylantrag ist auch in Österreich als gestellt anzusehen, wenn sich Österreich im Hinblick auf die Dublin-VO zur Wiederaufnahme des Fremden bereit erklärt hat. Eines nochmaligen Schutzersuchens nach Rücküberstellung bedarf es nicht. II. Es besteht die Pflicht des wiederaufnehmenden Staates, den in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag einer weiteren Prüfung zuzuführen.
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Entscheidungsdatum: 22.12.2020
Aufbereitet am: 07.07.2021
2319
Ausweisung eines Elternteils versus Kindeswohl
Leitsätze
I. Liegt ein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK (hier die Beziehung eines Elternteils zu dessen sechsjährigem Kind) vor, ist ein strenger Maßstab anzusetzen und es kann eine Ausweisung einen Verstoß gegen das besonders gewichtige Kindeswohl darstellen. II. Bei der Beurteilung hinsichtlich der Bestreitung des Lebensunterhalts ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Von einer möglichen Bestreitung des Lebensunterhalts kann ausgegangen werden, wenn die betroffene Person bereits mehrmals im Bundesgebiet beschäftigt war, derzeit zwar arbeitssuchend ist, jedoch laufend Einstellungsgespräche führt. Eine Einstellungszusage hat auch dann in die Beurteilung positiv miteinzufließen, wenn diese zB aufgrund der Corona-Situation noch nicht zum Tragen gekommen ist.
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Entscheidungsdatum: 10.12.2020
Aufbereitet am: 06.07.2021
2318
Gesicherter Lebensunterhalt - Prüfung der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft
Leitsätze
Bei der Prüfung des gesicherten Unterhalts iSd § 10 Abs 1 Z 7 StbG iVm § 10 Abs 5 StbG ist darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhältnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des § 10 Abs 5 StbG entsprechen.
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Entscheidungsdatum: 23.02.2021
Aufbereitet am: 05.07.2021
2317
Ausweisung eines Tschetschenen aus Frankreich nach Aberkennung seines Flüchtlingsstatus aufgrund von Verurteilung wegen Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung
Leitsätze
I. Es ist angesichts der vom Terrorismus ausgehenden Gefahr für die Bevölkerung legitim, wenn die Staaten mit großer Entschlossenheit gegen diejenigen vorgehen, die sich an terroristischen Handlungen beteiligen. II. Der durch Art 3 EMRK garantierte Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung schützt vor einer Abschiebung in einen Staat, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme einer realen Gefahr einer solchen Behandlung im Fall der Rückkehr der betroffenen Person bestehen. Dieser Schutz vor Refoulement gilt absolut und unabhängig von einer Beteiligung der betroffenen Person an terroristischen Straftaten. Ihre Beteiligung daran ist daher für die Anwendung von Art 3 EMRK nicht relevant. III. Die allgemeine Lage in Tschetschenien ist nicht derart gravierend, dass sie jeder Abschiebung dorthin entgegenstehen würde. Der von Art 3 EMRK gewährte Schutz kommt jedoch zum Tragen, wenn individuelle Gründe für die Annahme einer Misshandlungsgefahr bestehen. IV. Da es für Asylwerber schwierig sein kann, Beweise über ihre Verfolgung vorzulegen, kann es geboten sein, im Zweifel ihrem Vorbringen Glauben zu schenken. V. Die Aberkennung des Flüchtlingsstatus wegen einer schweren nicht politischen Straftat bewirkt nicht auch den Wegfall der Flüchtlingseigenschaft. Daher muss in einem solchen Fall vor einer Ausweisung eine sorgfältige und umfassende Prüfung dahingehend stattfinden, ob der betroffenen Person im Fall ihrer Rückkehr eine reale Gefahr einer mit Art 3 EMRK unvereinbaren Behandlung droht. Die Unterlassung einer solchen Prüfung begründet eine Verletzung des verfahrensrechtlichen Aspekts von Art 3 EMRK.
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Entscheidungsdatum: 15.04.2021
Aufbereitet am: 02.07.2021
2316
Zur zeitlichen Anwendbarkeit des Art 33 Abs 2 RL 2013/32/EU und zu dessen Verhältnis zum Dublin-System
Leitsätze
I. Art 52 Abs 1 RL 2013/32/EU gestattet den Mitgliedstaaten eine Anwendung (der RL 2013/32/EU [VerfahrensRL]) auch auf Asylanträge, die vor dem 20.7.2015 gestellt wurden, verpflichtet aber nicht dazu. II. Die oben (I) genannte Ermächtigung erstreckt sich aber nicht auf Sachverhalte, die nach Art 49 Dublin III-VO noch vollständig in den Geltungsbereich der Dublin II-VO (343/2003) fallen. III. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Art 33 Abs 2 RL 2013/32/EU als unzulässig ablehnen, ohne dass sie vorrangig auf die von der Dublin III-VO (604/2013) vorgesehenen Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren zurückgreifen müssen. IV. Ein geringeres Niveau an sozialer Unterstützung im Mitgliedstaat, wo einem Antragsteller bereits subsidiärer Schutz gewährt wurde, als im Mitgliedstaat der Antragstellung reicht nicht aus, um die "Refoulement"-relevante Schwelle des Art 3 EMRK/Art 4 GRC zu erfüllen, es sei denn, diese Diskrepanz führt dazu, dass der Antragsteller seine elementarsten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen kann. V. Verweigert ein Mitgliedstaat systematisch entgegen Art 13 RL 2011/95/EU die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und gewährt stattdessen bloß subsidiären Schutz, so begründet dies eine Verletzung von Art 18 GRC. VI. Der in Punkt V genannte Rechtsverstoß ist nicht "Refoulement"-relevant: Er hindert den Mitgliedstaat der nunmehrigen Antragstellung nicht an einer Erklärung des Asylantrags als unzulässig. Vielmehr führt der Verstoß dazu, dass der Mitgliedstaat, der bloß subsidiären Schutz gewährt hat, das Verfahren zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wieder aufnehmen muss.
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Entscheidungsdatum: 19.03.2019
Aufbereitet am: 01.07.2021
2315
Keine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak; Situation von Kindern im Irak
Leitsätze
I. Im Irak gibt es keine asylrelevante Gruppenverfolgung in Bezug auf die islamisch-sunnitische Minderheit. II. Für die Beurteilung der subsidiären Schutzwürdigkeit von Antragstellern auf internationalen Schutz ist es besonders zu berücksichtigen, wenn diese einer vulnerablen Gruppe iSd Definition des Art 21 RL 2013/33/EU angehören. III. Kinder sind im Irak besonderen Gefahren ausgesetzt (Unterernährung, Fehlen an Bildungseinrichtungen, Zwangsrekrutierung durch viele bewaffnete Akteure inklusive der staatlichen Sicherheitskräfte), deren Eintritt der Staat nicht effektiv abwenden kann. Ihnen droht daher bei einer Rückführung in den Irak in aller Regel eine Verletzung des Art 3 EMRK. In diesem Regelfall ist Kindern subsidiärer Schutz gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen. IV. Haben die Eltern von irakischen Kindern ebenso Anträge auf internationalen Schutz gestellt (Familienverfahren), so ist der den Kindern zu gewährende subsidiäre Schutzstatus gemäß § 34 Abs 4 AsylG auch auf deren Eltern zu erstrecken, wenn keine der Negativvoraussetzungen des Abs 3 leg cit vorliegen.
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Entscheidungsdatum: 02.02.2021
Aufbereitet am: 30.06.2021
2314
Zu den Anforderungen an eine Interessenabwägung bei einer in das Privat- und Familienleben eingreifenden Ausweisung
Leitsätze
I. Für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern müssen besondere Elemente einer Abhängigkeit vorliegen, die über das normale Maß der emotionalen Bindung hinausgehen. Solche Elemente liegen etwa dann vor, wenn ein Elternteil aus gesundheitlichen Gründen auf die finanzielle und praktische Unterstützung seiner volljährigen Kinder, in deren Haushalt er lebt, angewiesen ist. Das Vorliegen eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses wird nicht durch die Tatsache in Frage gestellt, dass die Kinder ihren Elternteil auch durch Geldüberweisungen ins Ausland unterstützen könnten. II. Wenn eine Ausweisung in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreift, muss die innerstaatliche Behörde eine sorgfältige Interessenabwägung anhand der vom EGMR entwickelten Kriterien vornehmen und begründen, warum das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegt als das persönliche Interesse des betroffenen Fremden an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens. Wenn eine solche begründete und nachvollziebare Interessenabwägung unterblieben ist, kann der EGMR nicht unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip davon ausgehen, dass die Behörden innerhalb ihres Ermessensspielraums eine angemessene Entscheidung getroffen haben. III. Auch eine mehr als zehn Jahre zurückliegende Vergewaltigung kann ein legitimes öffentliches Interesse an einer Ausweisung begründen. Allerdings müssen die Behörden die Entwicklung des Verhaltens des Betroffenen seit der Tat berücksichtigen. Auch eine inzwischen eingetretene Invalidität muss im Hinblick auf eine dadurch möglicherweise verursachte Herabsetzung der Gefährlichkeit beachtet werden.
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Entscheidungsdatum: 09.04.2019
Aufbereitet am: 29.06.2021
2313
Rechtskraftwirkung von Bescheiden steht der Aberkennung des subsidiären Schutzstatus mangels wesentlicher Änderung des Sachverhalts entgegen
Leitsätze
I. Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden ist es nicht zulässig, die Aberkennung nach § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat. II. Diese Bestimmung erlaubt keine Neubewertung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts, sondern kommt eine Aberkennung nur dann in Frage, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus maßgeblich geändert haben.
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Entscheidungsdatum: 24.11.2020
Aufbereitet am: 28.06.2021
2312
Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft aufgrund fehlender Berücksichtigung der Ergebnisse der Erstbefragung in einem Aktenvermerk gemäß § 76 Abs 6 FPG
Leitsätze
I. Entspricht ein Aktenvermerk nach § 76 Abs 6 FPG nicht den entsprechenden Kriterien und wird nach dem Ergebnis der Erstbefragung (in Bezug auf einen Asylfolgeantrag) kein neuer Aktenvermerk angefertigt, so kann sich die zugrundeliegende Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig erweisen. II. Lässt sich eine in Schubhaft befindliche Person mit der Stellung eines Asylfolgeantrags einige Wochen (hier: knapp einen ganzen Monat) Zeit, so kann die ausschließliche Verzögerungsabsicht der Folgeantragstellung indiziert werden. III. Das Vorliegen eines gewissen Sicherungsbedarfs zeigt sich zB in einer Mittellosigkeit und Unmöglichkeit der Aufnahme einer regulären, den Unterhalt sichernden legalen Beschäftigung sowie in unklaren Wohnverhältnissen nach der Entlassung aus der Strafhaft.
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Entscheidungsdatum: 06.10.2020
Aufbereitet am: 25.06.2021
2311
Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Abschiebung bei besonderer Verdichtung der persönlichen Interessen in Österreich
Leitsätze
Soweit eine besondere Verdichtung der persönlichen Interessen in Österreich besteht, sodass bereits von außergewöhnlichen Umständen gesprochen werden kann, ist bei Überwiegen der persönlichen vor öffentlichen Interessen im Falle der Ausweisung von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben nach Art 8 EMRK auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 21.12.2020
Aufbereitet am: 24.06.2021
2310
Verweis auf geänderte Judikatur für Statusaberkennung allein nicht ausreichend
Leitsätze
I. Der Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus verlangt eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts. II. Ob man denselben Sachverhalt bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich hätte anders beurteilen können, ist ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen.
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Entscheidungsdatum: 21.12.2020
Aufbereitet am: 23.06.2021
2309
Zur maßgeblichen Änderung der Umstände bei Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Leitsätze
I. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer nicht besonders qualifizierten Form der Suchtgiftdelinquenz ohne weitere darauffolgende Anzeigen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die betroffene Person eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. II. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des gegenständlichen Status nicht mehr vorliegen. Treten neue Umstände hinzu, die den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuwiderlaufen könnten, so ist eine neue Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. War etwa die Minderjährigkeit bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschlaggebend, so stellt das Erreichen der Volljährigkeit keine maßgebliche Änderung der Umstände dar.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2020
Aufbereitet am: 22.06.2021
2308
Keine Abschiebung bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor Entscheidung des BVwG oder Rechtskraft
Leitsätze
I. Bei Drittstaatsangehörigen darf eine Abschiebung aufgrund einer Rückkehrentscheidung nur dann erfolgen, wenn die Rückkehrentscheidung rechtskräftig ist oder das BVwG die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bestätigt hat. II. Auch ohne asylrechtlichen Kontext ist bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtsmittelfrist und bei Beschwerde die Entscheidung des BVwG über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten.
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Entscheidungsdatum: 05.03.2021
Aufbereitet am: 21.06.2021
2307
Vorbringen von nach Erhebung des Rechtsbehelfs gegen Dublin III-Überstellungsentscheidungen eingetretenen Tatsachen
Leitsätze
I. Der EuGH hat im System des Art 267 AEUV (Vorabentscheidungsverfahren) von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen, ebenso von der Rechtsauslegung relevanten nationalen Rechts durch dieses Gericht. Somit kann die Prüfung der Vorlagefrage nicht anhand der Rechtsauslegung der Regierung des betreffenden Mitgliedstaats erfolgen. II. Die Einreise des Bruders eines Antragstellers in denselben Mitgliedstaat nach Ergehen einer asylbehördlichen Zurückweisungsentscheidung nach der Dublin III-VO (604/2013) (Überstellungsentscheidung) gegen den Antragsteller kann die nunmehrige Anwendung des Art 10 Dublin III-VO "nicht rechtfertigen". III. Um die rechtsrichtige Anwendung der Dublin III-VO (604/2013) zu gewährleisten, müssen auch entscheidungserhebliche Tatsachen geltend gemacht werden können, die erst nach einer asylbehördlichen Überstellungsentscheidung eintreten. IV. Punkt III kann etwa im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens iSd Art 27 Dublin III-VO erfüllt werden. V. Punkt III kann aber auch im Rahmen eines speziellen Rechtsbehelfs, unabhängig von jenem des Art 27 Dublin III-VO, erfüllt werden (Art 27 Dublin III-VO unterscheidet sich insoweit von Rechtsbehelfen iSd Art 46 Abs 3 RL 2013/32/EU, die dezidiert eine Entscheidung ex nunc bewirken müssen): Die Ausgestaltung eines solchen speziellen Rechtsbehelfs fällt zwar in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, wird aber durch Art 47 GRC, den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz determiniert. Seine Erhebung darf daher nicht von der Tatsache abhängig gemacht werden, dass dem betreffenden Antragsteller die Freiheit entzogen wurde oder die Durchführung der betreffenden Überstellungsentscheidung unmittelbar bevorsteht.
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Entscheidungsdatum: 15.04.2021
Aufbereitet am: 18.06.2021
2306
Keine Art 3 EMRK-Widrigkeit von Dublinüberstellungen nach Rumänien
Leitsätze
I. In Griechenland bestehen nach wie vor systematische Mängel im Asylwesen iSd Art 3 Abs 2 Dublin III-VO, sodass dieser Mitgliedstaat bei der Zuständigkeitsbestimmung nach dem Kapitel III leg cit nicht zu berücksichtigen ist. II. In Rumänien bestehen keine derartigen systematischen, mit Blick auf Art 3 EMRK relevanten Mängel, die einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat gemäß Art 18 Abs 1 lit b Dublin III-VO entgegenstehen. Dies gilt insb hinsichtlich der medizinischen Versorgung von Asylsuchenden. Auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ändern nichts an dieser rechtlichen Beurteilung. III. Der Umstand, dass die Europäische Kommission noch kein Vertragsverletzungsverfahren (Art 258 AEUV) gegen einen Mitgliedstaat angestrengt hat, ist ein wichtiger Indikator dafür, dass in diesem Mitgliedstaat die Standards der Flüchtlingsversorgung nicht massiv (und im Lichte von Art 3 EMRK relevant) unterschritten werden. IV. Eine zu befürchtende Art 3 EMRK-Verletzung durch eine Überstellung in einen Mitgliedstaat resultiert nicht daraus, dass der Asylwerber durch Organe dieses Mitgliedstaats zur Abgabe von Fingerabdrücken (für EURODAC) gezwungen worden war: Denn dabei handelt es sich um eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, die insb zur Wahrung der Sicherheit der Mitgliedstaaten notwendig ist und somit einen zumutbaren Eingriff darstellt, wie er auch in Österreich erfolgen würde.
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Entscheidungsdatum: 01.12.2020
Aufbereitet am: 17.06.2021
2305
Erhalt der Selbstständigeneigenschaft für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht auch bei schwangerschaftsbedingter kurzfristiger Unterbrechung der Tätigkeit
Leitsätze
I. Eine in einem anderen Mitgliedstaat aufhältige und dort selbstständig erwerbstätige Unionsbürgerin behält diese Eigenschaft iSd Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EG auch dann, wenn sie in der Spätphase der Schwangerschaft diese Tätigkeit unterbricht und nach einer angemessenen Zeitspanne nach der Geburt die Tätigkeit wieder aufnimmt. II. Die zu Art 45 AEUV ergangene Rsp zu Arbeitnehmerinnen in einer vergleichbaren Situation (vor allem EuGH 19.6.2014, C-507/12 [Saint Prix] ECLI:EU:C:2014:2007) ist auf Selbstständige iSd Art 49 AEUV vollumfänglich übertragbar.
Entscheidungsdatum: 19.09.2019
Aufbereitet am: 16.06.2021
2304
Unzulässigkeit der Schubhaft wegen Aussichtslosigkeit der Erlangung von Heimreisezertifikaten in Bezug auf Somalia
Leitsätze
I. Eine auf § 76 Abs 2 Z 1 FPG gestützte Schubhaft darf nur dann verhängt werden, wenn das in dieser Bestimmung genannte Sicherungsverfahren auch in eine Abschiebung münden kann, der Sicherungszweck also erreichbar ist. II. Sind dem BFA unüberwindbare Hindernisse bei der Erreichung einer Abschiebung in Bezug auf den Herkunftsstaat bekannt, so darf eine Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 1 FPG von vornherein nicht verhängt werden. III. Hindernisse iSd Punktes II bestehen aktuell in Bezug auf Somalia, dessen Vertretungsbehörden für die Jahre 2019 und 2020 überhaupt keine Heimreisezertifikate ausgestellt haben. IV. In Fällen der a priori bestehenden Unerreichbarkeit des Sicherungszwecks hat das BVwG gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG bei der Absprache über Beschwerden nach Abs 1 leg cit auch die Feststellung auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen.
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Entscheidungsdatum: 02.12.2020
Aufbereitet am: 15.06.2021