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301
Unzureichende Untersuchung eines Zwischenfalls in der Ägäis, bei dem mehrere Migranten und Migrantinnen nach einem missglückten Abschleppversuch ertrunken waren
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Nach einem tödlichen Schiffsunglück, an dem ein Boot der Küstenwache beteiligt war, muss eine angemessene Untersuchung zur Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durchgeführt werden. Die Opfer bzw deren Angehörige müssen angemessen in das Verfahren eingebunden werden. Die Untersuchung muss sich auch darauf beziehen, ob der Einsatz angemessen vorbereitet und organisiert wurde. II. Es kann von staatlichen Organen nicht erwartet werden, dass ihnen in einer Gefahrensituation auf Hoher See in jedem Fall die Rettung bzw Bergung jeder Person gelingt. Die Küstenüberwachungsorgane trifft in diesem Kontext eine Verpflichtung, die entsprechenden Mittel bereitzustellen, nicht aber eine Verpflichtung zur Erzielung bestimmter Resultate. III. Bei Einsätzen der Küstenwache muss das übergeordnete Ziel darin bestehen, das Leben der in Seenot geratenen Personen zu retten. Die Planung und Durchführung von Einsätzen muss diesem Ziel gerecht werden. IV. Die Durchführung einer Leibesvisitation, bei der sich die betroffenen Personen in Gegenwart zahlreicher anderer Personen entkleiden müssen, stellt eine erniedrigende Behandlung dar.
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302
Zum Eingehen einer Beziehung während eines unsicheren Aufenthaltsstatus
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Obwohl eine Verurteilung der fremden Person bereits getilgt wurde und die Person somit als gerichtlich unbescholten gilt, darf die Straffälligkeit im Rahmen der Interessenabwägung nach Art 8 EMRK berücksichtigt werden. II. Verbleibt die fremde Person unter beharrlicher Missachtung einer bereits rechtskräftig auferlegten Ausreiseverpflichtung jahrelang illegal in Österreich und hält sich diese mehrere Jahre unter Verletzung der Meldeverpflichtung im Verborgenen auf, so ist von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung der fremden Person auszugehen. III. Bestehen anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat, weil die fremde Person dort etwa den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht hat, im Herkunftsstaat sozialisiert wurde, die Landessprache als Muttersprache spricht, eine Schulbildung absolviert und gearbeitet hat und auch Familienangehörige (beispielsweise die Mutter und der Onkel der fremden Person) dort leben, so führt die Rückkehrsituation regelmäßig zu keinem Überwiegen der Interessen an einem Verbleib in Österreich.
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303
Zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung oder Zwangsrekrutierung bei Kindern
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Werden Kinder deshalb zu alleinstehenden Kindern, weil sie von ihren Eltern unbegleitet nach Österreich geschickt werden, so sind diese (zumindest, wenn sie gemeinsam mit ihren Eltern aus dem Herkunftsstaat ausreisten) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten so zu behandeln, als befänden sie sich noch in der Obhut der Eltern. Würde diesen Kindern alleine aus diesem Grund eine Asylberechtigung zuerkannt werden, würde den Eltern, die in manchen Fällen durch das alleine Weiterschicken der Kinder § 92 StGB verwirklichen (sofern sie in die Zuständigkeit Österreichs fallen), der Rechtsvorteil des Familienverfahrens und somit die Gewährung des Status von Asylberechtigten eröffnet werden, den sie ansonsten nicht erhalten hätten. II. Das syrische Regime verfolgt Kinder nicht aufgrund der Tatsache, dass es sich um Kinder handelt und diese (insb wenn sie alleinstehend sind) zu einer vulnerablen Gruppe zählen, sondern weil sie Kinder von politisch Oppositionellen sind. Verfolgt werden in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur Kinder, sondern alle nahen Verwandten jeden Alters und Geschlechts von Oppositionellen. III. Alleine aus dem Umstand, dass der syrische, jedoch im Libanon lebende, Vater eines minderjährigen syrischen, in Österreich aufhältigen, Kindes einer Verfolgung ausgesetzt ist, lässt sich insb dann keine aktuelle wahrscheinliche Verfolgungsgefahr für das Kind ableiten, wenn sich bspw andere Verwandte (hier: die Großeltern) in Syrien aufhalten und diese keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind.
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304
Keine Vertrauenswürdigkeit aufgrund der mehrfachen Antragstellung auf internationalen Schutz innerhalb der EU
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Im Rahmen der Beurteilung des Sicherungsbedarfs vor der Anordnung der Schubhaft ist eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, in welcher die Vertrauenswürdigkeit des Verhaltens der fremden Person einzuschätzen ist. Stellt die Person in mehreren Staaten innerhalb der EU einen Antrag auf internationalen Schutz, obwohl bereits eine Zuerkennung des Schutzstatus in einem Staat erfolgte, so ist das Verhalten nicht vertrauenswürdig. II. Von einem nicht vertrauenswürdigen Verhalten ist etwa auch auszugehen, wenn die Person aufgrund der Begehung von Verbrechen (bspw das Verbrechen der Schlepperei) zeigt, dass sie nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung zu halten.
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305
Rückkehrentscheidung aufgrund Gefährdung öffentlicher Interessen trotz langer (etwa 30 Jahre) rechtmäßiger Aufenthaltsdauer
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Eine besonders gravierende bzw schwere Straffälligkeit liegt beispielsweise aufgrund der Begehung eines schweren Raubes und einer Freiheitsentziehung, welche zu einer unbedingten elfjährigen Freiheitsstrafe führten, vor. Aufgrund einer derartig massiven Straffälligkeit kann jedenfalls von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die fremde Person ausgegangen werden, weswegen der (weitere) Aufenthalt der fremden Person den öffentlichen Interessen widerstreitet. II. War die fremde Person langjährig rechtmäßig in Österreich niedergelassen und spricht sie Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, so hat die Interessenabwägung – trotz einer von der fremden Person ausgehenden Gefährdung – regelmäßig zu ihren Gunsten auszugehen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf in einer derartigen Konstellation grundsätzlich nicht erlassen werden. III. Trotz eines Einreiseverbots kann die fremde Person ihre Bindungen zu in Österreich lebenden Familienangehörigen durch briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte aufrechterhalten. Befindet sich die fremde Person in den nächsten Jahren in Strafhaft, so muss sich der Kontakt ohnehin im Wesentlichen auf diese Kommunikationsformen beschränken. Dadurch wird das Gewicht des Privat- und Familienlebens in einem gewissen Maß relativiert. IV. Je ausdrücklicher sich die Gefährlichkeit der fremden Person manifestiert, desto länger ist ihr Wohlverhaltenszeitraum anzusetzen. Befindet sich die fremde Person jedoch in Haft, so liegt klarerweise noch kein Wohlverhaltenszeitraum vor, weshalb nicht auf einen Gesinnungswandel und eine positive Zukunftsprognose geschlossen werden kann.
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