Leitsätze
2921
Rückkehrentscheidung ohne aktuellen Aufenthalt im Bundesgebiet
Leitsätze
I. Ein aktueller Aufenthalt im Bundesgebiet stellt keine Voraussetzung für eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 FPG dar. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt, ist die Rückkehrentscheidung auch anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits wieder außer Landes befindet und ein entsprechendes Verfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde. Andernfalls könnte eine, grundsätzlich 18 Monate ab Ausreise gültige, Rückkehrentscheidung (wie auch ein daran anknüpfendes Einreiseverbot) durch eine kurzfristige Ausreise vor Bescheiderlassung verhindert werden. II. Kann ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger kein gültiges Reisedokument vorlegen, so ist davon auszugehen, dass auch die Einreise unrechtmäßig erfolgte, weshalb die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Z 1 FPG (Befristungen und Bedingungen des Einreisetitels oder Visumfreiheit) unerheblich ist. III. Wird ein Einreiseverbot auf § 53 Abs 2 Z 3 FPG gestützt, so genügt eine Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthalts per se nicht für eine Erfüllung dieses Tatbestands. Vielmehr ist das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung oder eine entsprechende Gefährdungsprognose erforderlich. IV. Im Zusammenhang mit einem auf § 53 Abs 2 Z 7 FPG gestützten Einreiseverbot reicht allein der Fund von Arbeitsaufzeichnungen, einer Arbeitsweste oder Bargeld in der Wohnung des Drittstaatsangehörigen nicht aus, um von einem Verstoß gegen das AuslBG auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 04.07.2023
Aufbereitet am: 12.02.2024
2920
Muss eine behauptete politische Überzeugung "grundlegend" sein?
Leitsätze
I. Eine "politische Überzeugung" iSd Art 10 Abs 1 lit e RL 2011/95/EU kann sich nicht nur in einer artikulierten "Meinung", sondern auch einer "Überzeugung" oder "Grundhaltung" manifestieren. II. Ausschlaggebend ist vor allem die Wahrnehmung der Verfolger, weniger die persönlichen Beweggründe des Antragstellers (Art 10 Abs 2 RL 2011/95/EU). Folglich kommt es nicht auf einen zu erreichenden Grad an Überzeugung an, etwa ob die Überzeugung "grundlegend" ist. Stattdessen genügt es, wenn der Antragsteller behauptet, er bringe diese Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung zum Ausdruck oder habe sie zum Ausdruck gebracht. Die Frage, ob die Furcht vor resultierenden Verfolgungshandlungen auch begründet ist, ist gesondert zu beurteilen. III. Aus Art 4 Abs 3 bis 5 RL 2011/95/EU ergibt sich, dass die Asylbehörden der Mitgliedstaaten eine umfassende und eingehende Prüfung aller relevanten Umstände betreffend die besonderen persönlichen Umstände dieses Antragstellers und der allgemeineren Gegebenheiten seines Herkunftslands, insbesondere der politischen, rechtlichen, justiziellen, historischen und soziokulturellen Aspekte, vorzunehmen haben, um zu ermitteln, ob der Antragsteller begründete Furcht vor einer persönlichen Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung hat, insb wegen der Überzeugung, die ihm die potenziellen Verfolger in seinem Herkunftsland zuschreiben könnten. Dabei haben die Behörden zwar auch das Ausmaß der Überzeugung sowie allfällige resultierende Aktivitäten zu berücksichtigen, dürfen aber nicht verlangen, dass die Überzeugung so tief verwurzelt ist, dass sie der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nicht mehr ablegen kann.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 09.02.2024
2919
Restriktiver Maßstab bei der Ausstellung von Fremdenpässen
Leitsätze
I. Die Ausstellung eines Fremdenpasses bedeutet einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates, weshalb diese nur unter der Prämisse erteilt werden können, dass sich Fremde zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung von Reisedokumenten wenden müssen. II. Zudem erfordert die mit der Ausstellung eines Fremdenpasses verbundenen Verpflichtungen, welche an sich nur gegenüber Staatsbürgern eingegangen werden, einen restriktiven Maßstab.
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Entscheidungsdatum: 19.07.2023
Aufbereitet am: 08.02.2024
2918
Attestierung einer (positiven) Zukunftsprognose während laufender Verbüßung der Haftstrafe nicht möglich
Leitsätze
I. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist daran zu messen, ob und wie lange er sich in Freiheit – sohin nach dem Vollzug einer Haftstrafe – wohlverhalten hat. II. Bei schweren Verbrechen nach dem SMG stehen weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegen.
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Entscheidungsdatum: 24.07.2023
Aufbereitet am: 07.02.2024
2917
Verhängung einer Rückkehrentscheidung bzw eines Einreiseverbotes bei begünstigten Drittstaatsangehörigen
Leitsätze
Gegen einen Aufenthaltsberechtigten hat im Bedarfsfall eine Ausweisung (anstatt einer Rückkehrentscheidung) bzw ein Aufenthaltsverbot (anstatt eines Einreiseverbotes) zu ergehen, solange keine rechtskräftige Feststellung nach § 54 Abs 7 NAG vorliegt.
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Entscheidungsdatum: 24.07.2023
Aufbereitet am: 06.02.2024
2916
Diplomatenausweise als Dokumentation eines "Aufenthaltstitels" im Sinne von Art 2 lit l und Art 12 Dublin III-VO
Leitsätze
I. Ein "Aufenthaltstitel" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO erfordert eine aktive Rolle des Mitgliedstaats, der einen mutmaßlichen solchen ausgestellt hat (konstitutives Element). II. Bereits, wenn ein Mitgliedstaat Diplomatenausweise in Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966, ausstellt, ist darin die Gewährung eines "Aufenthaltstitels" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO zu sehen. Schließlich bringt der Mitgliedstaat dadurch zum Ausdruck, dass er den Aufenthalt der Ausweisinhaber auf seinem Hoheitsgebiet akzeptiert und auf die Ausübung entgegenstehender Vorrechte als Empfangsstaat (vgl Art 4, Art 5 Abs 1, Art 9 und Art 10 des Wiener Übereinkommens) verzichtet.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 05.02.2024
2915
Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung trotz Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz
Leitsätze
I. Kommt die fremde Person ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und erweist sich ein langjähriger Aufenthalt mangels Legalisierung als unrechtmäßig, so ist jedoch bei einer langen Aufenthaltsdauer (hier: 18 Jahre) davon auszugehen, dass der Bezug zum Herkunftsstaat weitgehend erloschen ist. Diese Annahme wird insb verstärkt, wenn die fremde Person auch keinen Kontakt zu im Herkunftsstaat lebenden Familienmitgliedern hat. II. Unter Umständen kann eine in Österreich über mehrere Jahre vorgenommene medizinische Behandlung die persönlichen Interessen der fremden Person am Verbleib in Österreich und damit am Unterbleiben einer Rückkehrentscheidung verstärken. Diesem Aspekt ist umso mehr Gewicht beizumessen, wenn die Gesundheitsversorgung im Herkunftsstaat als unzureichend einzustufen ist. III. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz aufgrund von res iudicata zurückzuweisen, kann der begehrte Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Liegen jedoch besondere Gründe vor, wie beispielsweise ein dringendes Angewiesensein auf das österreichische Gesundheitssystem, so kommt eine Erteilung eines Aufenthaltstitels (hier etwa der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs 2 AsylG) in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 06.04.2023
Aufbereitet am: 02.02.2024
2914
Einberufung zum Wehrdienst in Syrien
Leitsätze
Aufgrund der mangelhaften Auseinandersetzung mit der Situation des Beschwerdeführers als Wehrdienstpflichtiger im Herkunftsstaat, wird der syrische Staatsangehörige im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 04.10.2023
Aufbereitet am: 01.02.2024
2913
Konversion zum Christentum
Leitsätze
I. Der VwGH hat im Zusammenhang mit der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels bereits wiederholt erkannt, dass es den Anforderungen an eine schlüssige Beweiswürdigung nicht entspricht, wenn Erfahrungssätze angewendet werden, ohne deren unterstellte generelle Geltung näher zu begründen. II. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels muss eine (schlüssige) Beweiswürdigung auch den sehr persönlichen und daher unterschiedlichen Zugang verschiedener Menschen zu ihrem religiösen Glauben in Betracht ziehen. III. An das Wissen eines Asylwebers über den von ihm angenommenen Glauben bzw einzelne theologische Fragestellungen dürfen keine überzogenen Erwartungen geknüpft werden.
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Entscheidungsdatum: 05.09.2023
Aufbereitet am: 31.01.2024
2912
Homosexuelle Orientierung als Teil der Identität
Leitsätze
Von einem Asylwerber kann nicht erwartet werden, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden.
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Entscheidungsdatum: 12.09.2023
Aufbereitet am: 30.01.2024
2911
Einreiseverweigerungen an EU-Binnengrenzen auch bei Fehlen eines Asylgesuchs de facto unmöglich
Leitsätze
I. Auf irregulär eingereiste Drittstaatsangehörige an Binnengrenzen – selbst wenn diese nach Maßgabe der Art 25 ff VO (EU) 2016/399 ausnahmsweise wieder kontrolliert werden – ist neben der genannten VO (Schengener Grenzkodex) auch die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) anwendbar, sofern der Aufenthalt nach der Einreise nicht legalisiert wird (insb durch ein Asylgesuch). II. Die Parallelität der beiden Sekundärrechtsakte hat zur Konsequenz, dass die Mitgliedstaaten zwar eine Entscheidung auf Einreiseverweigerung (Art 14 VO [EU] 2016/399) treffen dürfen, aber zusätzlich die Garantien der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) einhalten müssen, sofern der Drittstaatsangehörige schon auf ihrem Gebiet (etwa im Umfeld einer Grenzübergangsstelle) ist. III. Konkret müssen die Mitgliedstaaten diesen Drittstaatsangehörigen gegenüber grs eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihnen diesfalls eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewähren und dürfen sie nur als ultima ratio abschieben (Art 6 ff RL 2008/115/EG). Ein dem Aufgriff unmittelbar folgendes Verbringen in den Mitgliedstaat, aus dem der Drittstaatsangehörige gekommen ist, steht damit nicht in Einklang.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 29.01.2024
2910
Kein gebotener Selbsteintritt ohne Widerlegung der Sicherheitsvermutung des § 5 Abs 3 AsylG
Leitsätze
I. Für einen Selbsteintritt gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO genügen weder allgemeine Berichte, eine geringe Anerkennungsquote, eine drohende Verhaftung noch eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art 13 EMRK. Vielmehr muss eine Verletzung der Rechte des Art 3 EMRK bzw Art 4 GRC in dem für das Verfahren zuständigen Staat wahrscheinlich sein. II. Die Zuständigkeit für das Führen eines Asylverfahrens ergibt sich allein aus den Bestimmungen der Dublin-Verordnungen. Individuelle Wünsche des betroffenen Asylwerbers sind dabei nicht zu berücksichtigen. III. Führte ein Asylwerber den Großteil seiner Beziehung mit einer im Inland aufhältigen Partnerin in Form einer Fernbeziehung und ist die in Österreich lebende Partnerin nicht auf den Asylwerber angewiesen, so wird im Falle einer Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz (hier: aufgrund der Unzuständigkeit Österreichs) eine behauptete Verletzung des Art 8 EMRK erheblich relativiert.
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Entscheidungsdatum: 06.09.2023
Aufbereitet am: 26.01.2024
2909
Zur Verpflichtung der Fällung einer Rückkehrentscheidung trotz Unzulässigkeit der Abschiebung
Leitsätze
I. Kann einem Fremden aufgrund dessen eklatanten Fehlverhaltens weder Asyl, subsidiärer Schutz noch ein anderer Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden, kommt jedoch eine Abschiebung aufgrund einer drohenden Verletzung seiner Rechte gemäß Art 2 und 3 EMRK nicht in Betracht, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, jedoch die Unzulässigkeit der Abschiebung auszusprechen. Sollte sich die Lage im Herkunftsstaat verändern, ist zu einem späteren Zeitpunkt ggf ein neuer Bescheid zu erlassen, mit welchem die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt wird. II. Art 6 Abs 1 RL 2008/115/EG legt im Falle eines illegalen Aufenthalts eines Fremden eine allgemeine Verpflichtung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung fest, unabhängig davon, ob der Vollzug dieser Entscheidung zulässig ist oder nicht. III. Das non-refoulement-Gebot steht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht entgegen. Dieses betrifft lediglich deren Vollzug und damit die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung.
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Entscheidungsdatum: 09.05.2023
Aufbereitet am: 25.01.2024
2908
Unterlassung einer Aussetzung der Visafreiheit für Bürger der USA durch die Europäische Kommission
Leitsätze
I. Art 7 Abs 1 lit a VO (EU) 2018/1806 verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, der Kommission Drittstaaten zu nennen, die für die Einreise von Unionsbürgern eine Visumpflicht vorsehen, während die Staatsangehörigen dieser Drittstaaten die EU-Außengrenzen gemäß Anhang II sichtvermerkfrei überschreiten dürfen. Die Mitteilung ist im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen. Behält der Drittstaat die Visumpflicht auch nach Ablauf von 24 Monaten ab der Veröffentlichung bei, so hat die Europäische Kommission gemäß Art 7 Abs 1 lit f VO (EU) 2018/1806 per delegiertem Rechtsakt iSd Art 290 AEUV die Visafreiheit in der EU für dessen Staatsangehörige für zwölf Monate auszusetzen. II. Art 7 Abs 1 lit f VO (EU) 2018/1806 ist nicht als absolute Verpflichtung der Kommission zu deuten, die Visafreiheit für Drittstaatsangehörige auszusetzen, deren Staaten das Prinzip der Gegenseitigkeit nicht leben. Vielmehr verfügt die Kommission über ein Handlungsermessen. Dabei hat die Kommission zunächst das Ergebnis der von dem betroffenen Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen, sodann die von ihr selbst insbesondere in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Handel unternommenen Schritte zur Wiedereinführung oder Einführung des visafreien Reiseverkehrs und schließlich die Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu dem betreffenden Drittland zu würdigen.
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Entscheidungsdatum: 05.09.2023
Aufbereitet am: 24.01.2024
2907
Einreiseverbot wegen eingestandener Beschäftigung entgegen dem AuslBG (ohne behördlichem Betreten)
Leitsätze
I. Gemäß § 53 Abs 2 Z 7 FPG ist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, derentwegen ein bis zu fünfjährig befristetes Einreiseverbot erlassen werden kann, ua dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen. § 53 Abs 2 Z 7 FPG verlangt ein Betreten bei der Erfüllung eines (wirtschaftlich betrachtet) Arbeits- oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses ohne Aufenthaltstitel bzw Beschäftigungsbewilligung durch Organe der zuständigen Behörden (Abgabenbehörde oder AMS) oder Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Bereits die einmalige Begehung reicht, um die Gefahr für die öffentliche Ordnung zu indizieren. II. Gibt der Drittstaatsangehörige die Beschäftigung entgegen dem AuslBG zu, ohne betreten worden zu sein, ist § 53 Abs 2 Z 7 FPG nicht erfüllt. Wurde er nicht verwaltungsbehördlich deswegen rechtskräftig bestraft, so ist auch Z 1 leg cit nicht erfüllt. Nichtsdestotrotz liegt ein mit § 53 Abs 2 Z 7 FPG vergleichbarer Unrechtsgehalt vor und kann das Einreiseverbot direkt auf § 53 Abs 2 iVm Abs 1 FPG gestützt werden, sind doch die Einzeltatbestände des Abs 2 leg cit nur demonstrativ. III. Bei einem geständigen "Ersttäter" im Sinne dieser Konstellation (II.) ist ein Einreiseverbot zwar dem Grunde nach gerechtfertigt, eine Befristung im oberen Bereich des gesetzlich Möglichen aber unverhältnismäßig.
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Entscheidungsdatum: 01.09.2023
Aufbereitet am: 23.01.2024
2906
Aktuell keine zwangsweisen Rekrutierungen in von kurdischen Milizen kontrollierten Gebieten Syriens
Leitsätze
I. Es ist von keiner Gefahr einer drohenden zwangsweisen Rekrutierung auszugehen, wenn ein Einberufungsbefehl vorliegt, der beinahe ein Jahr lang ignoriert wurde und dies auch keine Verfolgungshandlungen nach sich gezogen hatte. II. Kommt in einem Verfahren betreffend die Zuerkennung des Asylstatus eine allgemein desolate wirtschaftliche und soziale Situation im Heimatland der antragstellenden Person hervor, so kann diese nur asylrelevant sein, wenn dadurch jegliche Existenzgrundlage entzogen wird und dies zudem mit einem in der GFK genannten Grund im Zusammenhang steht.
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Entscheidungsdatum: 06.02.2023
Aufbereitet am: 22.01.2024
2905
Gegenstandslosigkeit von schriftlich eingebrachten Anträgen auf internationalen Schutz
Leitsätze
I. Anträge auf internationalen Schutz sind - soweit es sich nicht um einen Antrag von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Fremden handelt - persönlich und mündlich zu stellen. II. Die Unzulässigkeit eines schriftlichen Antrages ergibt sich dabei bereits aus dem Wortlaut des § 25 Abs 1 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag ... schriftlich gestellt wurde").
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Entscheidungsdatum: 29.03.2023
Aufbereitet am: 19.01.2024
2904
Vorliegen einer Ehe iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG
Leitsätze
Die in § 2 Abs 1 Z 22 lit b AsylG enthaltene Wendung "sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat" ist so zu verstehen, dass die Ehe bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sein muss, als sich noch keiner der Ehepartner in Österreich aufgehalten hat. Das gilt sinngemäß auch für den Fall einer eingetragenen Partnerschaft.
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Entscheidungsdatum: 28.03.2023
Aufbereitet am: 18.01.2024
2903
Ex-lege-Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats wegen fehlender Bindung
Leitsätze
I. Die Konstellation des Verlusts der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats, mit dem – in Ermangelung des gleichzeitigen Besitzes der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats – der Verlust der Unionsbürgerschaft einhergeht, fällt unter das Unionsrecht (Art 20 AEUV). II. Es ist den Mitgliedstaaten grs aus unionsrechtlicher Sicht unbenommen, den Verlust der Staatsangehörigkeit bei nie bestehender Bindung zum Staat oder Verlust dieser Bindung vorzusehen. Es muss aber stets eine Einzelfallprüfung der Folgen dieses Verlusts für die Situation der Betroffenen aus unionsrechtlicher Sicht offenstehen. III. Sieht das nationale Recht einen Verlust der Staatsangehörigkeit ex lege mit Eintritt eines gewissen Lebensalters wegen nicht (mehr) bestehender Bindung vor, so muss die genannte Einzelfallprüfung zur Verfügung stehen. Insb sind die Auswirkungen des Verlusts der Staatsangehörigkeit (Unionsbürgerschaft) auf das Familien- und Berufsleben der betroffenen Person in Relation zum vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziel zu prüfen. IV. Ist das gebotene Verfahren über einen Antrag auf Beibehaltung der Staatsangehörigkeit an eine Frist gebunden, so muss diese angemessen sein, um die unionsrechtliche Rechtsstellung wahren zu können (Effektivitätsgrundsatz). Diese Frist kann auch nur zu laufen beginnen, wenn die nationalen Behörden die betroffene Person vom (drohenden) Verlust der Staatsangehörigkeit und der Möglichkeit dieses Beibehaltungsverfahrens informiert haben. Ist der Eintritt eines bestimmten Lebensjahres Beurteilungszeitpunkt für das Bestehen der Bindung, so kann die Frist erst nach diesem Stichtag zu laufen beginnen. V. Das Fehlen eines Beibehaltungsverfahrens, in welchem die gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen wird, kann keinesfalls durch die Möglichkeit einer – allenfalls erleichterten – Wiedereinbürgerung ausgeglichen werden.
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Entscheidungsdatum: 05.09.2023
Aufbereitet am: 17.01.2024
2902
Keine Deutschnachweispflicht für Familienangehörige von Asylberechtigten
Leitsätze
Da gemäß § 21a Abs 4 Z 4 NAG Familienangehörige von Asylberechtigten, die einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs 1 Z 2 lit c NAG beantragen, keinen Nachweis von Deutschkenntnissen zu erbringen haben, sind sie behördenseits weder über das Fehlen eines Sprachnachweises zu informieren noch über einen möglichen Zusatzantrag gemäß § 21a Abs 5 NAG zu belehren.
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Entscheidungsdatum: 17.08.2023
Aufbereitet am: 16.01.2024