Leitsätze
1573
"Absolute" Aufenthaltsverfestigung gemäß § 9 Abs 4 BFA-VG
Leitsätze
Durch die Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes wird ein in Österreich aufgewachsener serbischer Staatsangehöriger wegen der Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich des Vorliegens einer absoluten Aufenthaltsverfestigung und der familiären Verhältnisse im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 11.10.2017
Aufbereitet am: 13.12.2017
1572
Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Antragsteller bei zwischenzeitig eingegangener Ehe mit einer Unionsbürgerin
Leitsätze
I. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist aufgrund der Eheschließung mit einer österreichisch-britischen Doppelstaatsbürgerin, die in Österreich von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebracht macht, unzulässig. II. Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, sind zum Aufenthalt im betreffenden Mitgliedstaat berechtigt.
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Entscheidungsdatum: 24.11.2017
Aufbereitet am: 13.12.2017
1571
Aberkennung des subsidiären Schutzes wegen einer Gefahr für die Allgemeinheit
Leitsätze
I. Soweit neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Gefährdungsprognose nach § 9 Abs 2 Z 2 AsylG 2005 von Bedeutung sein können, hat die Behörde eine neue Beurteilung des Gesamtverhaltens des Fremden vorzunehmen und nachvollziehbar darzulegen, warum sie davon ausgeht, dass der subsidiär Schutzberechtigte nun eine Gefahr für die Allgemeinheit (oder für die Sicherheit des Staates) darstellt. II. Dabei ist es ihr nicht verwehrt, auch vor der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung begangene Straftaten in ihre Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen.
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Entscheidungsdatum: 30.08.2017
Aufbereitet am: 12.12.2017
1570
Gefahrenlage für Frauen in Syrien gebietsweise sehr unterschiedlich
Leitsätze
I. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass eine kurdische Frau aus ihrem Herkunftsort flieht, wenn dieser vom IS oder einer sonstigen islamistischen Gruppierung eingenommen wird. Die Gräueltaten des IS und ihre Haltung gegenüber anderen Ansichten oder Lebenseinstellungen (insb als Frau) sind notorisch. II. Wenn festzustellen ist, dass der Herkunftsort der kurdischen Beschwerdeführerin, der im Kurdengebiet direkt an der Grenze zur Türkei liegt, wieder unter Kontrolle der Kurden steht, hat sich die (aufgrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzes rein hypothetische) Rückkehrsituation entscheidend geändert. Denn wie sich aus den Länderberichten ergibt, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, sehr stark voneinander: von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei.
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Entscheidungsdatum: 05.07.2017
Aufbereitet am: 12.12.2017
1569
Schutzfähigkeit und -willigkeit des Staates bei häuslicher Gewalt
Leitsätze
I. Allein der Umstand, dass ein einzelnes Polizeiorgan im Herkunftsstaat nicht bereit ist, dem Schutzansuchen einer Asylwerberin vor häuslicher Gewalt zu entsprechen, bedeutet nicht, dass der Herkunftsstaat generell nicht schutzfähig und -willig wäre. II. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
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Entscheidungsdatum: 30.08.2017
Aufbereitet am: 11.12.2017
1568
Ausweisung einer von klein auf in Dänemark aufgewachsenen Fremden nach Verurteilung wegen Mord und Brandstiftung
Leitsätze
I. Die Ausweisung einer Fremden, die den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend im Gaststaat verbracht hat, kann nur durch sehr schwerwiegende Gründe gerechtfertigt werden. Den innerstaatlichen Behörden kommt bei der Entscheidung über die Ausweisung ein Ermessensspielraum zu. Die Aufgabe des EGMR besteht darin zu überprüfen, ob die umstrittene Maßnahme einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen getroffen hat. II. Die Beziehung zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern stellt nur dann Familienleben iSv Art 8 EMRK dar, wenn eine zusätzliche, über die normalen emotionalen Bindungen hinausgehende Abhängigkeit besteht. III. Die mit einer langjährigen Haftstrafe verbundene Ausweisung wirft im Hinblick auf die Kinder der inhaftierten Fremden kein Problem unter Art 8 EMRK auf, wenn diese im Zeitpunkt der Verbüßung der Freiheitsstrafe (und der damit verbundenen Abschiebung) bereits die Volljährigkeit erreicht haben. IV. Wurde ein Familienleben zu einer Zeit begründet, zu der den beteiligten Personen aufgrund des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, dass die Fortsetzung des Familienlebens im Gaststaat von Anfang an unsicher wäre, begründet die Ausweisung eines Familienmitglieds nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art 8 EMRK.
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Entscheidungsdatum: 06.06.2017
Aufbereitet am: 07.12.2017
1567
Syrisch-argentinische Doppelstaatsbürgerschaft
Leitsätze
Im AsylG 2005 finden sich keine eigenständigen Regelungen betreffend mehrfache Staatsbürgerschaften, weshalb nach der geltenden Rechtslage eine direkte Anwendung des letzten Satzes des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK geboten ist. Eine Flüchtlingseigenschaft ist daher nur anzunehmen, wenn dem Beschwerdeführer in beiden Herkunftsstaaten asylrelevante Verfolgung droht.
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Entscheidungsdatum: 16.08.2017
Aufbereitet am: 06.12.2017
1566
Ausreichende Untersuchung des Todes eines Schubhäftlings in Folge eines Hungerstreiks
Leitsätze
I. Die Behörden können ihre Verpflichtung zur amtswegigen Untersuchung des Todes einer in staatlichem Gewahrsam befindlichen Person nicht auf deren Angehörige abwälzen. Daher war ein Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung nach Einstellung der Vorerhebungen durch die Staatsanwaltschaft nach § 48 Abs 1 Z 1 StPO idF BGBl 55/1999 kein effektiver Rechtsbehelf, der zur Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hätte werden müssen. II. Wenn eine Person in gutem Gesundheitszustand in Haft genommen wird und später verstirbt, liegt es an den Behörden, eine überzeugende Erklärung für den Tod zu liefern. Art 2 EMRK verlangt im Fall des Todes einer sich im behördlichen Gewahrsam befindenden Person eine effektive Untersuchung unter angemessener Einbeziehung der Angehörigen. Im vorliegenden Fall wurde der Tod des Bruders des Beschwerdeführers von der Staatsanwaltschaft und vom UVS eingehend untersucht. Dieses Vorgehen war ausreichend, um den Anforderungen von Art 2 EMRK zu entsprechen. III. Die Behörden sind verpflichtet, die Gesundheit von Personen zu schützen, denen die Freiheit entzogen wird. Das Fehlen angemessener medizinischer Versorgung kann eine Verletzung von Art 3 EMRK begründen. Es ist problematisch, einen hungerstreikenden Häftling, der Gefahr läuft, das Bewusstsein zu verlieren, in Einzelhaft anzuhalten, solange keine angemessenen Vorkehrungen zur Überwachung seines Gesundheitszustands getroffen werden. IV. Es gibt keine Hinweise dafür, dass die 2005 geltenden Richtlinien für den Umgang mit hungerstreikenden Gefangenen in Polizeigewahrsam unklar oder unzureichend gewesen wären, oder dass im vorliegenden Fall dagegen verstoßen wurde. Da es keine Hinweise auf die Sichelzellenerkrankung des Gefangenen gab und selbst Krankenhäuser keine standardisierten Bluttests zur Diagnose dieser Krankheit durchführten, kann den Behörden nicht vorgeworfen werden, keine entsprechende Untersuchung des Gefangenen angeordnet zu haben. Da auch die rapide Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht vorhersehbar war und er einer durchgehenden medizinischen Überwachung unterlag, die internationalen Standards entspricht, können die Behörden nicht für seinen Tod verantwortlich gemacht werden.
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Entscheidungsdatum: 16.11.2017
Aufbereitet am: 05.12.2017
1565
Anhaltung wegen unrechtmäßigem Aufenthalt nach Ablauf eines befristeten Visums
Leitsätze
I. Eine allgemeine Situation der Gewalt wird in der Regel keine Verletzung von Art 3 EMRK im Fall einer Abschiebung in das betroffene Land begründen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Situation allgemeiner Gewalt eine solche Intensität erreicht, dass jede Abschiebung in das betroffene Land gegen Art 3 EMRK verstößt. II. Wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR noch nicht abgeschoben worden ist, hat dieser in seiner Einschätzung auf die aktuellen Umstände abzustellen. Die Beurteilung muss auf die vorhersehbaren Konsequenzen der Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland im Lichte der dortigen allgemeinen Lage und seiner persönlichen Umstände fokussieren. III. Die Sicherheitslage und die humanitäre Situation in Syrien hat sich seit der Ankunft des Beschwerdeführers in Russland im Oktober 2011 und der im Februar 2015 ergangenen Ausweisung und auch zwischen diesem Zeitpunkt und der Abweisung seines Antrags auf temporäres Asyl dramatisch verschlechtert. Das dem EGMR vorliegende Material berichtet von unterscheidungsloser Gewalt und Angriffen auf Zivilisten und zivile Objekte. Die Abschiebung des Beschwerdeführers würde wegen dieser allgemeinen Lage in Syrien eine Verletzung von Art 2 und Art 3 EMRK begründen. IV. Art 3 EMRK schließt eine Abschiebung bei Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus. Die belangte Regierung hat dem EGMR aber keine Belege dafür vorgelegt, dass er in Damaskus in Sicherheit wäre. V. Wenn eine Person eine drohende Verletzung von Art 3 EMRK im Fall ihrer Abschiebung befürchtet, verlangt Art 13 EMRK, dass dies in einem Rechtsmittel geltend gemacht werden kann, über das rasch und nach gründlicher Prüfung entschieden wird. Zudem muss ihm automatische aufschiebende Wirkung zukommen. VI. Art 5 Abs 4 EMRK verlangt eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft. VII. Die Schubhaft ist zu beenden, sobald den Behörden klar sein muss, dass wegen der allgemeinen Situation im Herkunftsland eine Abschiebung in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird. VIII. Russland ist gemäß Art 46 EMRK verpflichtet, den Beschwerdeführer spätestens am Tag nach der Verkündung dieses Urteils aus der Schubhaft zu entlassen.
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Entscheidungsdatum: 14.02.2017
Aufbereitet am: 04.12.2017
1564
Zur Regularisierung des Aufenthalts bei langjährig aufhältiger Person
Leitsätze
I. Die Gesamtheit der Bindungen zwischen niedergelassenen Migranten und der Gemeinschaft, in der sie leben, fällt unter den Begriff des Privatlebens iSv Art 8 EMRK. II. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des mit einer Ausweisung einhergehenden Eingriffs in das Recht auf Achtung des Familienlebens ist eine Ehe nicht zu berücksichtigen, die erst nach der rechtskräftigen Ausweisung eingegangen wurde. III. Wenn eine Ausweisung von einem innerstaatlichen Gericht aufgehoben wurde und der Beschwerdeführer aufgrund eines Asylantrags ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht hat, kann er nicht länger behaupten, Opfer der behaupteten, mit der Ausweisung einhergehenden Verletzung von Art 8 EMRK zu sein. IV. Die Achtung des Privatlebens eines seit mehr als zwanzig Jahren in einem Land lebenden Fremden begründet in Kombination mit dem Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 EMRK eine positive Verpflichtung des belangten Staates, ein effektives und zugängliches Verfahren oder eine Kombination mehrerer Verfahren zur Verfügung zu stellen, in denen die Frage seines weiteren Aufenthalts unter angemessener Berücksichtigung seines Interesses an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens geklärt werden kann.
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Entscheidungsdatum: 12.01.2017
Aufbereitet am: 01.12.2017
1563
Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens bei (verspäteter) Bescheiderlassung
Leitsätze
Die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist nach der Systematik des § 16 VwGVG 2014 von der Verwaltungsbehörde vorzunehmen, weil § 16 Abs 2 VwGVG 2014 die Vorlage der Beschwerde unter Anschluss der Akten (nur) für den Fall vorsieht, dass die Bescheiderlassung von der Behörde nicht nachgeholt wird.
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Entscheidungsdatum: 19.09.2017
Aufbereitet am: 30.11.2017
1562
Verweigerung der Entgegennahme des Asylantrags blinder Passagiere auf einem Schiff durch Grenzpolizisten
Leitsätze
I. Wenn von drei Beschwerdeführern, die eine Verletzung des Refoulementverbots bzw des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf geltend machen, einer verstorben und ein zweiter freiwillig in sein Herkunftsland zurückgekehrt ist, kann die Beschwerde im Hinblick auf sie aus dem Register gestrichen werden, da die rechtlichen Fragen ohnehin anhand des dritten Beschwerdeführers geprüft werden. II. Wenn ein Staat durch seine außerhalb seines Territoriums handelnden Organe die Kontrolle und damit Hoheitsgewalt über eine Person ausübt, ist er nach Art 1 EMRK verpflichtet, dieser Person die im Hinblick auf ihre Situation relevanten Rechte und Freiheiten der Konvention zu gewährleisten. III. Die Durchführung einer Grenzkontrolle an Bord eines Schiffes begründet gegenüber den Betroffenen Personen Hoheitsgewalt iSv Art 1 EMRK, soweit die Angelegenheit die mögliche Einreise und die Ausübung damit verbundener Rechte und Freiheiten der Konvention betrifft. IV. Wenn eine Ausweisungsentscheidung nicht durchsetzbar ist, auf unbestimmte Zeit ausgesetzt oder auf andere Weise ihrer Rechtswirkung beraubt wurde, kann die betroffene Person nicht länger behaupten, Opfer einer Konventionsverletzung iSv Art 34 EMRK zu sein. Dieser Verlust der Opfereigenschaft befreit den belangten Staat jedoch nicht automatisch von seinen Verpflichtungen nach Art 13 EMRK. Wenn der Beschwerdeführer in vertretbarer Weise behaupten konnte, dass ihm im Fall seiner Abschiebung eine gegen Art 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, und diese Behauptung nicht wirksam geprüft wurde, besteht weiterhin Opfereigenschaft im Hinblick auf die behauptete Verletzung von Art 13 EMRK. V. Es verstößt gegen Art 13 EMRK, wenn die Grenzbeamten einen Schutzsuchenden davon abhalten, einen Asylantrag zu stellen (hier: indem sie ihn nicht über seine Rechte informieren, ihm keinen Rechtsbeistand gewähren, seine Schutzbedürftigkeit nicht berücksichtigen und stattdessen erklären, keine Asylanträge entgegennehmen zu können) und gegen die Einreiseverweigerung kein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung zur Verfügung steht, das eine Verbringung in ein Land verhindern könnte, in dem eine gegen Art 3 EMRK verstoßende Behandlung droht.
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Entscheidungsdatum: 12.01.2017
Aufbereitet am: 29.11.2017
1561
14 Mal Abschiebung in die Schweiz - Schubhaft rechtmäßig
Leitsätze
Wer zum wiederholten Male nach erfolgter Abschiebung wieder illegal in das Bundesgebiet einreist und sich den Verfahren und Anordnungen der Behörde entzieht, ist offensichtlich nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Die Anordnung der Schubhaft und die darauf folgende Anhaltung zur Sicherung der Abschiebung sind im Falle des mittellosen und ohne soziale Verankerung in Österreich aufhältigen Beschwerdeführers jedenfalls verhältnismäßig und im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen.
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Entscheidungsdatum: 03.08.2017
Aufbereitet am: 28.11.2017
1560
Schubhaft nach (vereitelter) Abschiebung ist keine Fortsetzung der vorangegangenen Schubhaft
Leitsätze
Die Schubhaft endet nach der VwGH-Rsp mit dem Beginn des Abschiebungsvorganges (zB Verbringung zum Flughafen). Wird die Abschiebung vereitelt und der/die Abzuschiebende anschließend neuerlich in Schubhaft genommen, liegt keine Fortsetzung der ursprünglichen Schubhaft vor. Das BVwG kann daher auch keinen Fortsetzungausspruch iSd § 22a Abs 4 BFA-VG tätigen.
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Entscheidungsdatum: 04.07.2017
Aufbereitet am: 28.11.2017
1559
Keine erhebliche Fluchtgefahr bei Kooperation mit Asylbehörden
Leitsätze
Kooperation schließt erhebliche Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf aus. Als kooperativ gilt insb, wer von sich aus Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufsucht, auf sein anhängiges Asylverfahren hinweist, seine Absicht äußert, in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen, sich weder gegen seine bevorstehende Überstellung ausspricht, noch die Vereitelung derselben ankündigt.
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Entscheidungsdatum: 25.07.2017
Aufbereitet am: 27.11.2017
1558
Über Antrag auf Absehen vom Nachweis der Deutschkenntnisse jedenfalls zu belehren
Leitsätze
I. § 21a Abs 5 NAG knüpft die Verpflichtung zur Belehrung des Antragstellers durch die Behörde an keine Bedingungen. II. Die Regelung des § 21a Abs 5 NAG dient dazu, dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, die seiner Ansicht nach für die Begründetheit des Antrags sprechenden Umstände - zB die sein Privat- und Familienleben iSd Z 2 des § 21a Abs 5 NAG 2005 betreffenden Aspekte - ins Treffen zu führen. Ohne Vorliegen eines derartigen Antrags und damit des entsprechenden Vorbringens des Antragstellers kann aber nicht von vornherein feststehen, dass zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens keinesfalls vom Nachweis der Deutschkenntnisse abzusehen und der Antrag somit abzuweisen wäre. Die Behörde kann daher die Belehrung über die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 21a Abs 5 NAG nicht deshalb unterlassen, weil sie dem (noch nicht gestellten) Antrag a priori keine Erfolgschancen einräumt. Eine offenkundige Aussichtslosigkeit eines Antrags kann nicht aus einer hypothetischen Einschätzung über den Inhalt des - noch nicht vorliegenden - Antrags begründet werden. III. Das NAG enthält neben der in § 21a Abs 5 vorgesehenen Belehrungspflicht noch vergleichbare Regelungen in den §§ 19 Abs 8 und 21 Abs 3. Diese Regelungen wurden im Zuge der Einführung der VwG lediglich insoweit adaptiert, als die Antragstellung und damit auch die Belehrung nunmehr bis zur Erlassung des Bescheides (und nicht wie zuvor: bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) zu erfolgen hat. Im Zusammenhang mit der Belehrungspflicht nach § 19 Abs 8 NAG (alt) belastet ein Unterbleiben der gebotenen Belehrung den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Ein Antrag nach § 21 Abs 3 NAG (alt) kann nur während des erstinstanzlichen Verfahrens gestellt werden und der Antragsteller ist auch über diesen Umstand zu belehren. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn das VwG die unterbliebene Belehrung nicht selbst nachholt und dem Fremden die Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 21a Abs 5 NAG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einräumt (und anschließend über einen allfälligen derartigen Antrag selbst erstmals abspricht).
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Entscheidungsdatum: 27.07.2017
Aufbereitet am: 27.11.2017
1557
Auf türkische Staatsangehörige ist das FrG 1997 weiterhin anzuwenden
Leitsätze
I. Eine nationale Regelung fällt nur insoweit in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80, als sie geeignet ist, die Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates durch türkische Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. Eine Beschränkung, mit der bezweckt oder bewirkt wird, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Inland durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen, ist verboten, sofern sie nicht zu den in Art 14 ARB 1/80 aufgeführten Beschränkungen gehört oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist oder geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht. II. Nach der vor dem 1.1.2006 geltenden Rechtslage des FrG 1997 durfte jeder Ehegatte eines Österreichers - gleich welcher Staatsangehörigkeit - den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellen und die Entscheidung im Inland abwarten. Der Antrag durfte nur dann abgelehnt werden, wenn der Drittstaatsangehörige eine Gefahr für die Ordnung und Sicherheit darstellte (§ 49 FrG 1997). Mit der am 1.1.2006 in Kraft getretenen Änderung der Rechtslage (Außerkrafttreten des FrG 1997 und Inkrafttreten des NAG 2005) wurde die Rechtsposition aller drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern umgestaltet. Von den ab diesem Zeitpunkt geltenden strengeren Voraussetzungen waren auch jene Angehörigen von Österreichern, die türkische Staatsangehörige sind, betroffen. III. § 21 NAG 2005 stellt eine unzulässige neue Beschränkung iSd Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls, der dieselbe Funktion wie Art 13 ARB 1/80 hat, dar, weil türkische Staatsangehörige wie auch sonstige Angehörige österreichischer Staatsbürger nach § 49 FrG 1997 Niederlassungsfreiheit genossen haben und Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in Österreich stellen und auch die Entscheidung darüber dort abwarten durften. Einem Angehörigen eines österreichischen Staatsbürgers stand im Geltungsbereich des FrG 1997 der Status eines vorläufig aufenthaltsberechtigten Asylwerbers bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht entgegen. IV. Die durch das FrÄG 2009 bewirkte Verschiebung einer Altersgrenze für Familienzusammenführungen von Ehegatten auf 21 Jahre stellt gegenüber der früheren Rechtslage des FrG 1997 und der Stammfassung des NAG 2005 eine nicht anzuwendende Verschärfung dar. Somit hätten die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht anhand der Bestimmungen des NAG 2005, sondern anhand der für den Fremden günstigeren Bestimmungen des FrG 1997 - ungeachtet dessen mittlerweile erfolgten Außerkrafttretens - geprüft werden müssen.
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Entscheidungsdatum: 31.05.2017
Aufbereitet am: 24.11.2017
1556
Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft trotz festgestellter Haftfähigkeit und Sicherungsbedarf
Leitsätze
Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes – selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert – kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre.
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Entscheidungsdatum: 24.07.2017
Aufbereitet am: 24.11.2017
1555
Bedarfsorientierte Mindestsicherung für deutsche Staatsbürger bei rechtmäßigem Aufenthalt
Leitsätze
I. Ziel des Fürsorge-Abkommens ist die rechtliche Gleichbehandlung von österreichischen und deutschen Staatsangehörigen im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen der "Fürsorge" (RV 1024 BlgNR 11. GP, S 16). II. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung trat an die Stelle der Sozialhilfe (RV 687 BlgSbgLT, 14. GP, S 33), die wiederum das - im Anhang I des Fürsorge-Abkommens erwähnte - Gesetz über die vorläufige Regelung des Fürsorgewesens und der Jugendfürsorge im Land Salzburg (Sbg LGBl 11/1949), ersetzt hatte. III. § 55 Sbg SHG 1975 bestimmte, dass "Fürsorgeleistungen", die durch einen Bescheid auf Grund der durch dieses Gesetz aufgehobenen Rechtsvorschriften zuerkannt worden waren, als Leistungen der Sozialhilfe weiter zu gewähren waren. Schon daraus erhellt, dass Leistungen der Sozialhilfe - und sohin die in weiterer Folge an die Stelle der Sozialhilfe getretenen Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung - den vormaligen "Fürsorge"-Leistungen entsprechen. IV. Der Grundsatz der Subsidiarität der Unterstützung von Hilfsbedürftigen durch Leistungen der öffentlichen Hand war bereits dem vormaligen Fürsorgerecht immanent. Er wurde vom Fürsorge- auf das Sozialhilferecht übertragen und in weiterer Folge in das Mindestsicherungsrecht übernommen. Das Erfordernis des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist daher keine - die Mindestsicherung von der vormaligen Fürsorge - unterscheidende "andere Voraussetzung" iSd Art 1 Z 4 des Abkommens. Die Regelungen über die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach Maßgabe des sbg MSG sind daher unzweifelhaft die "Fürsorge" regelnde "gesetzliche Vorschriften" iSd Art 1 Z 4 iVm Art 13 Abs 1 zweiter Satz des Abkommens. V. Beim Fürsorge-Abkommen handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag gesetzesändernden Inhalts, der seinerzeit vom Nationalrat ohne Beschlussfassung über einen Erfüllungsvorbehalt genehmigt wurde (AB 1154 BlgNR 11. GP). Dies bedeutet, dass es sich bei diesem Abkommen um einen unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Vertrag handelt, der eine unmittelbare Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte - hier: für die mit dem Vollzug des Mindestsicherungsrechts befassten Behörden - darstellt. Die Gleichstellung der vom Abkommen erfassten, in Österreich aufhältigen deutschen Staatsangehörigen mit österreichischen Staatsbürgern in Angelegenheiten der Mindestsicherung ergibt sich sohin unmittelbar aus Art 2 des Abkommens; einer diesbezüglichen Normierung im sbg MSG bedarf es nicht. VI. Art 2 des Abkommens nennt jene Staatsangehörigen als Berechtigte, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei "aufhalten", wobei unter "aufhalten" nicht ein bloß "tatsächlicher", sondern vielmehr ein "rechtmäßiger" Aufenthalt zu verstehen ist. Es ist - mangels ausdrücklicher gegenteiliger Regelung - nicht anzunehmen, dass rechtswidriges, verbotenes Verhalten die Grundlage für einen Anspruch auf staatliche Leistungen bilden könnte. Zudem bezweckt das Fürsorge-Abkommen eine bilaterale Vereinbarung "auf dem Boden der gleichen Grundsätze, wie sie das Europäische Fürsorgeabkommen beherrschen" (RV 1024 BlgNR 11. GP, S 15). Das Europäische Fürsorge-Abkommen knüpft die Gewährung von Leistungen in seinem Art 1 ausdrücklich an das Vorliegen eines "erlaubten" Aufenthalts. Aus den genannten Gründen können nur jenen deutschen Staatsangehörigen, die sich rechtmäßig in Österreich aufhalten, Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt werden. Ein Anspruch kommt ihnen auch dann zu, wenn ihr Aufenthalt kein "dauernder" iSd § 4 Abs 1 sbg MSG ist. Insofern erweitert das Abkommen § 4 sbg MSG.
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Entscheidungsdatum: 22.02.2017
Aufbereitet am: 23.11.2017
1554
Zweckänderungsantrag schließt Verlängerungsantrag mit ein
Leitsätze
I. Das NAG enthält keine (ausdrückliche) Regelung dahingehend, dass ein Zweckänderungsantrag nach § 26 NAG-2005 jedenfalls auch einen Verlängerungsantrag einschließt. II. Ein kurz vor Ablauf des innegehabten Aufenthaltstitels gestellter Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels bezweckt sowohl die Verlängerung des Aufenthalts in Österreich als auch den Umstieg auf einen anderen Aufenthaltstitel. Ein derartiger Antrag ist daher nicht als bloßer Zweckänderungsantrag, sondern als Verlängerungsantrag iSd § 2 Abs 1 Z 11 und § 24 Abs 4 NAG anzusehen. III. Bei einem während der Geltung der bisher innegehabten Aufenthaltserlaubnis gestellten Zweckänderungsantrag ist das in § 26 NAG bzw nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis das in § 24 Abs 4 NAG vorgesehene Zweckänderungsverfahren durchzuführen. IV. Ein Zweckänderungsantrag kann gemäß § 12 Abs 1 Z 12 NAG nur "während der Geltung eines Aufenthaltstitels" vorliegen. Daraus ist abzuleiten, dass ab dem Ende der bisherigen Aufenthaltsberechtigung und damit auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein als Verlängerungsantrag zu wertendes Anbringen vorliegt. V. Wird vor Ablauf des innegehabten Aufenthaltstitels ein Zweckänderungsantrag gestellt, so fehlt es an einer rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag (iSv § 12 Abs 1 Z 11 und § 24 Abs 4 NAG), was den rechtmäßigen Aufenthalt des Fremden aufgrund des § 24 Abs 1 dritter Satz NAG über die im zuletzt erteilten Aufenthaltstitel genannte Frist hinaus verlängert. VI. Zweckänderungsanträge nach Ablauf der Gültigkeit des letzten erteilten Aufenthaltstitels sind als Verlängerungsanträge nach § 24 Abs 4 NAG zu werten, und zwar unabhängig davon, ob sie "kurz vor Ablauf" des innegehabten Aufenthaltstitels oder früher gestellt worden sind. Das lässt sich aus der Definition des Zweckänderungsantrages nach § 26 NAG ableiten. Sie stellt auf den Zeitraum "während der Gültigkeit eines Aufenthaltstitels" ab, weshalb der Antrag nach Ablauf dieses Zeitraums als Verlängerungsantrag nach § 24 Abs 4 NAG zu werten ist. An dieser Sichtweise vermag auch die Regelung des § 24 Abs 1 erster Satz NAG nichts zu ändern. Nach § 24 Abs 1 NAG sind Verlängerungsanträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, jedoch frühestens drei Monate vor diesem Zeitpunkt, einzubringen. Die Regelung, innerhalb welchen zeitlichen Rahmens ein Verlängerungsantrag zu stellen ist, lässt jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, wie ein außerhalb dieses zeitlichen Rahmens als Zweckänderungsantrag nach § 26 NAG eingebrachtes Anbringen im Fall des Ablaufs der Gültigkeit des bisherigen Aufenthaltstitels zu werten ist. Dabei ist zu beachten, dass eine beabsichtigte Zweckänderung nach § 26 erster Satz NAG der Behörde unverzüglich anzuzeigen ist. Ein Zuwarten mit einem Zweckänderungsantrag bis zu dem drei Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels liegenden Zeitpunkt (um somit von vornherein einen verbundenen Antrag nach § 24 Abs 4 NAG stellen zu können) steht somit nicht im Belieben des Antragstellers. VII. Wurde über einen Zweckänderungsantrag bei Ablauf der Gültigkeit des bisher innegehabten Aufenthaltsrechts noch nicht entschieden, so ist ab diesem Zeitpunkt vom Vorliegen eines - mit einem Zweckänderungsbegehren verbundenen - Verlängerungsantrages nach § 24 Abs 4 NAG auszugehen. Durch diesen Verlängerungsantrag wurde der rechtmäßige Aufenthalt der Fremden verlängert.
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Entscheidungsdatum: 27.07.2017
Aufbereitet am: 22.11.2017