Leitsätze
2577
Keine Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden (§ 35 AsylG) innerhalb des Unionsgebietes
Leitsätze
I. Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden iSd § 35 AsylG können ausschließlich bei österreichischen Vertretungsbehörden in Drittstaaten gestellt werden, nicht hingegen bei jenen in EU-Mitgliedstaaten. II. Ist ein schutzsuchender Drittstaatsangehöriger in das Unionsgebiet eingereist, ist für ihn das System der Dublin III-VO (604/2013) einschlägig, § 35 Abs 1 AsylG mit seinem weiten Wortlaut weicht dem Anwendungsvorrang der VO. III. Sollte entgegen der Rechtsmeinung des BVwG (oben I. und II.) ein Verfahren iSd § 35 AsylG auch bei österreichischen Vertretungsbehörden in der EU angestrengt werden können, wären dafür alle im Unionsgebiet eingerichteten Vertretungsbehörden außer dem Generalkonsulat München sowie den Botschaften in Pressburg und Laibach gemäß der Konsularverordnung (BGBl II 327/2019) unzuständig. IV. Zu den vorstehenden Rechtsfragen (I. bis III.) fehlt einschlägige Rsp des VwGH. Da es sich hierbei um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG handelt, war die Revision zuzulassen (§ 25a Abs 1 VwGG).
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Entscheidungsdatum: 02.11.2021
Aufbereitet am: 08.09.2022
2576
Zu integrationsbegründenden Schritten während eines unsicheren Aufenthaltsstatus
Leitsätze
Trotz eines fünf Jahre übersteigenden Aufenthalts, Unbescholtenheit und Integrationswilligkeit ist bei Fehlen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig, wenn die vorliegende Integration bei einer Gesamtbetrachtung nicht als außergewöhnlich bewertet werden kann und in einer Zeitspanne vorgenommen wurde, in der die Unsicherheit des Aufenthalts bekannt war. Dies umso mehr, als keine starken Nahebeziehungen in Österreich bestehen und sich die Familie der betroffenen Person im Herkunftsstaat befindet.
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Entscheidungsdatum: 05.05.2022
Aufbereitet am: 07.09.2022
2575
Lage homosexueller Pakistani; Beweiswürdigung des BFA
Leitsätze
I. In Pakistan finden landesweit asylrelevante, staatliche wie private Verfolgungshandlungen gegen Homosexuelle iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK statt. II. Es ist gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zumutbar, ihre Beziehung zu verstecken (ähnlich dem "forum internum" im Kontext der Religionsfreiheit). Betroffenen Antragstellern ist sohin der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen (§ 3 Abs 1 AsylG). III. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist Antragstellern, die eine Verfolgung auf Grund ihrer homosexuellen Orientierung vorbringen, nicht vorzuhalten, dass diese zurückhaltend mit Liebesgesten und dergleichen umgehen, wenn sie aus Staaten kommen, in denen gleichgeschlechtliche Paare permanenter Einschüchterung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Ferner spricht eine fehlende Kenntnis der österreichischen LGBT-Szene nicht für eine Unglaubwürdigkeit ihres Vorbringens.
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Entscheidungsdatum: 02.06.2022
Aufbereitet am: 06.09.2022
2574
Zum Prüfschema nach § 21 Abs 3 Z 2 NAG
Leitsätze
I. Gemäß § 21 Abs 3 Z 2 NAG ist die "Inlandsantragstellung" zuzulassen, wenn keines der angeführten Erteilungshindernisse vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet "zum Zweck der Antragstellung" - worunter auch der an die Antragstellung anschließende Auslandsaufenthalt fällt - im Hinblick auf die gebotene Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK "nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist". II. Der Beurteilung nach § 21 Abs 3 Z 2 NAG liegen nicht zwei getrennte, nacheinander vorzunehmende Prüfschritte zugrunde, sondern die Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Ausreise ist im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens zu beurteilen. III. Im Hinblick auf Sparguthaben, welche zur Deckung des gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG geforderten Unterhaltes herangezogen werden, ist nicht auf eine zeitlich nicht näher bestimmte "länger andauernde Sicherung des Lebensbedarfes" abzustellen, sondern darauf, ob mit den Ersparnissen iVm den weiteren Einkünften für die Gültigkeitsdauer des beantragten Aufenthaltstitels von einem Jahr ausreichende Unterhaltsmittel nachgewiesen werden können.
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Entscheidungsdatum: 29.04.2022
Aufbereitet am: 05.09.2022
2573
Erzwingen der Zeugeneinvernahme
Leitsätze
Die Behörde darf - und nichts anderes gilt für das LVwG - die Einvernahme eines Zeugen nicht allein deshalb unterlassen, weil dieser trotz Ladung nicht erscheint. Vielmehr ist es Pflicht der Behörde bzw des LVwG, einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen.
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Entscheidungsdatum: 12.04.2022
Aufbereitet am: 02.09.2022
2572
Widersprechende Sprachgutachten betreffend den Herkunftsstaat
Leitsätze
Der Beschwerdeführer wird durch die mangelhafte Ermittlungstätigkeit und Beweiswürdigung hinsichtlich einander widersprechender Sprachgutachten betreffend den Herkunftsstaat (Iran oder Armenien) im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 01.03.2022
Aufbereitet am: 01.09.2022
2571
Amtswegiger "Daueraufenthalt - EU" nach BFA-Mitteilung
Leitsätze
Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten bedarf evidenter Maßen erst eines (mit Beschwerde vor dem BVwG bekämpfbaren) Bescheides des BFA, in dem das Vorliegen eines Endigungsgrundes iSd § 7 Abs 1 Z 2 AsylG überprüfbar zu begründen ist, sodass nicht ersichtlich ist, dass im Falle, in dem der Gegenstand eines Erkenntnisses in der amtswegigen Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 Abs 8 NAG liegt, ein Rechtsschutzdefizit vorläge. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach der vom Gesetzgeber gewählten Vorgangsweise vor der bescheidmäßigen Aberkennung des Asylstatus die lediglich an das Ergehen einer Mitteilung des BFA nach § 7 Abs 3 AsylG gebundene amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 45 Abs 8 NAG zu erfolgen hat. Für eine nähere Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Mitteilung durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde (bzw das LVwG) besteht weder eine rechtliche Grundlage noch aus Rechtsschutzgründen der vom Fremden behauptete Überprüfungsbedarf.
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Entscheidungsdatum: 12.04.2022
Aufbereitet am: 31.08.2022
2570
Anwaltspflicht ist Anwalt's Pflicht
Leitsätze
Der Anwaltspflicht nach § 24 Abs 2 VwGG wird nur dann entsprochen, wenn die Eingabe als eine durch den Rechtsanwalt verfasste eingebracht und nicht etwa bloß ein von der Partei selbst verfasster Schriftsatz mit Unterschrift und Stampiglie des Rechtsanwaltes vorgelegt wird.
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Entscheidungsdatum: 07.04.2022
Aufbereitet am: 30.08.2022
2569
Behandlung von Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag nach Wiederaufnahme
Leitsätze
I. Bei den amtswegigen Wiederaufnahmen mehrerer Verfahren und den daran anschließenden Entscheidungen über mehrere Anträge handelt es sich jeweils um voneinander trennbare Spruchpunkte. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. II. Es handelt sich bei einem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag um einen einheitlichen Antrag, der mit der Erteilung des Aufenthaltstitels für den geänderten Aufenthaltszweck erledigt ist und über den lediglich dann gesondert mit einem Bescheid abzusprechen ist, wenn die Voraussetzungen für den anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt sind. III. Da es sich bei einem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag um einen einheitlichen Antrag handelt, ist mit der Wiederaufnahme des Verfahrens über die Erteilung des geänderten Aufenthaltstitels der Antrag als Ganzes - und damit auch hinsichtlich des Antrages auf Verlängerung des ursprünglichen Aufenthaltstitels - wieder offen. IV. "Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruches der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des LVwG ist daher die "Sache" des bekämpften Bescheides; entscheidet das LVwG in einer Angelegenheit, die noch nicht oder nicht in der vom LVwG in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des LVwG und ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet.
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Entscheidungsdatum: 24.05.2022
Aufbereitet am: 29.08.2022
2568
Unionsbürgerschaft: Totalverlust des kommunalen Wahlrechts nach "Brexit"
Leitsätze
I. Mit dem Inkrafttreten des Austrittabkommens (ABl L 2000/29, 7) zwischen der EU und Großbritannien (1.2.2020, siehe auch Art 50 Abs 3 EUV) verloren britische Staatsangehörige sämtliche Unionsbürgerrechte iSd Art 20 ff AEUV, mithin auch das kommunale Wahlrecht in den Mitgliedstaaten (Art 20 Abs 2 lit b, 22 AEUV). Eine Ausübung des Freizügigkeitsrechts vor dem Brexit ändert daran nichts. II. Dies (I.) gilt auch für jene britischen Staatsangehörigen, die im Unionsgebiet niedergelassen sind und auch im Herkunftsstaat nicht mehr wählen dürfen. III. Jene stRsp des EuGH, wonach dem Verlust des Unionsbürgerstatus eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voranzugehen hat, ist auf den "Brexit" nicht übertragbar, beruht dieser doch auf dem souveränen Entschluss des vormaligen Mitgliedstaates und nunmehrigen Drittstaates Großbritannien. IV. Den Mitgliedstaaten bleibt es unbenommen, nach den Bedingungen ihres nationalen Rechts Drittstaatsangehörigen Wahlrechte einzuräumen. V. Wird der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens (Art 267 AEUV) mit Fragen der Gültigkeit von die Union bindenden völkerrechtlichen Verträgen im Lichte des Primärrechts konfrontiert, so deutet er diese Fragen anders: Er prüft die Primärrechtskonformität des Aktes, mit dem die zuständigen Unionsorgane diesen Vertrag angenommen haben. VI. Es bestehen keine primärrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Beschlusses (EU) 2020/135, mit dem der Rat das Austrittsabkommen angenommen hat.
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Entscheidungsdatum: 09.06.2022
Aufbereitet am: 26.08.2022
2567
Neuerlich zu Spruchbestimmtheit und Interessenabwägung
Leitsätze
I. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruches dürfen nicht überspannt werden. Neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruches kann erforderlichenfalls etwa auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruches der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. II. Der VwGH hat (vor allem zu § 9 Abs 3 BFA-VG) bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich eine Interessenabwägung zugunsten des Fremden insb dann ergeben kann, wenn ein Familienleben mit einer Person besteht, die über ein unbefristetes Niederlassungsrecht (etwa) in Form eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 NAG verfügt. Dem Zusammenleben mit einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner kommt dabei im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zu. Gleiches gilt im hier zu beurteilenden Fall für das Zusammenleben der minderjährigen Mitbeteiligten mit ihrer dauerhaft niedergelassenen Mutter.
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Entscheidungsdatum: 31.03.2022
Aufbereitet am: 25.08.2022
2566
(K)ein Fall einer Abkoppelung vom Familienangehörigen-Begriff
Leitsätze
I. Grundsätzlich ist bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung eine Abwägung nach Art 8 EMRK nicht vorzunehmen, jedoch ist in bestimmten Konstellationen zur Erzielung eines der EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht wegen einer solchen besonderen Konstellation ein aus Art 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist aus verfassungsrechtlichen Gründen auch der betreffende - sofern nicht bereits im Inland aufhältige - Angehörige als Familienangehöriger erfasst und hat demnach einen Anspruch auf Familiennachzug. II. Von besonderen Konstellationen kann nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände - wie vor allem bei Bestehen eines besonderen familiären Betreuungsbedarfes schutzwürdiger Personen oder bei Bestehen sehr starker familiärer Bindungen bzw sehr enger familiärer Beziehungen zu im Aufnahmestaat verfestigt aufhältigen Personen - ausgegangen werden. Bei Vorliegen solcher besonderen Verhältnisse ist daher ausnahmsweise die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Vermeidung eines nach Art 8 EMRK unzulässigen Eingriffes in das Privat- und Familienleben geboten. III. Art 20 AEUV steht nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich dabei auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ein Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen.
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Entscheidungsdatum: 24.03.2022
Aufbereitet am: 24.08.2022
2565
Rücktritt des Kindeswohls hinter öffentliche Interessen (Art 8 Abs 2 EMRK) in besonders schwerwiegenden Fällen
Leitsätze
I. Wird eine Rückkehrentscheidung gegen bis dato rechtmäßig aufhältige Fremde auf § 55 Abs 4 Z 4 FPG gestützt, so hat das BFA als Vorfrage selbst zu klären, ob der Verlängerung des Aufenthaltstitels ein gesetzlicher Hinderungsgrund iSd § 11 Abs 1 oder 2 NAG entgegensteht (mag diese Frage auch in der Zuständigkeit der Behörden iSd § 3 NAG liegen). II. Das Gewicht des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Eingriffs in das Familienleben des Bescheidadressaten und dessen Lebensgefährtin (Art 8 EMRK) wird durch Untreue des Bescheidadressaten in der Beziehung relativiert. III. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger (§ 206 ff StGB) stehen neben Suchtmittelkriminalität im besonderen Maße den Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK entgegen. IV. Bei Straftaten in diesem Sinne (III.) iVm einer negativen Beurteilung des Persönlichkeitsbildes sind trotz eines zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, Selbsterhaltungsfähigkeit und einem bestehenden Familienleben bei Vorhandensein eines Kleinstkindes schwere Eingriffe in das Familienleben des betroffenen Fremden gerechtfertigt (Art 8 Abs 2 EMRK iVm § 9 BFA-VG): So darf neben der Erlassung einer Rückkehrenscheidung ein mit gar zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs 1 und Abs 3 Z 1 FPG). Das Kindeswohl tritt in derartigen extremen Fällen hinter die verfolgten öffentlichen Interessen zurück.
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Entscheidungsdatum: 01.04.2022
Aufbereitet am: 23.08.2022
2564
Zur nicht maßgeblichen Änderung der subjektiven Lage iSd § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG
Leitsätze
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG ist aufgrund der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nur zulässig, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung maßgeblich geändert haben. Die maßgebliche Sachverhaltsänderung kann sich bspw auf das Herkunftsland aber auch auf die persönliche Situation des Betroffenen beziehen.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2021
Aufbereitet am: 22.08.2022
2563
Zur Unverhältnismäßigkeit eines Einreiseverbots trotz Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Wird eine Rückkehrentscheidung getroffen, ist nicht zwingend auch ein Einreiseverbot zu erlassen. Deutet das Gesamtverhalten des Fremden darauf hin, dass von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, so ist von der Verhängung eines Einreiseverbots Abstand zu nehmen. II. Der Erlassung eines Einreiseverbots hat – auch wenn bereits eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde – eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose voranzugehen. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt und die missbräuchliche Stellung eines Asylantrags alleine reichen jedenfalls nicht aus, um eine entsprechende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu begründen. III. Diskriminierung im Herkunftsstaat aufgrund einer Hauterkrankung kann das Fortkommen behindern und eine seelische Belastung darstellen. Sofern dadurch aber weder eine existenzbedrohende Notlage noch eine Verletzung der von Art 2 und 3 EMRK gewährten Rechte resultiert, genügt dies jedoch nicht für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten.
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Entscheidungsdatum: 09.03.2022
Aufbereitet am: 19.08.2022
2562
Keine res iudicata bei Folgeanträgen wegen zwischenzeitlicher Zuerkennung eines anderen Schutzstatus an Familienangehörige
Leitsätze
I. Damit ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG nicht gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, muss entweder eine neue Rechtslage oder ein neuer Sachverhalt vorliegen, wobei die neuen Fakten rechtserheblich sein müssen. II. Wurde einem Familienangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten abgeleitet zuerkannt (§ 34 Abs 1 Z 2 und Abs 3 AsylG) und wird im Anschluss einem anderen Familienangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt, so liegt darin ein rechtserhebliches neues Faktum. Der bislang "bloß" subsidiär Schutzberechtigte kann sohin einen zulässigen Folgeantrag stellen (mit dem Ziel der Zuerkennung des abgeleiteten Asylstatus gemäß § 34 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AsylG). III. Das BFA hat in Anträgen im Familienverfahren (§ 34 AsylG) unter einem allfällige eigene Fluchtgründe des Antragstellers zu ermitteln.
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Entscheidungsdatum: 02.02.2022
Aufbereitet am: 18.08.2022
2561
Ersatzlose Behebung eines Bescheides
Leitsätze
Die ersatzlose Behebung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein VwG stellt eine Entscheidung in der Sache selbst dar. Ein solcherart in Form eines Erkenntnisses gefasster Spruch eines VwG schließt eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich aus.
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Entscheidungsdatum: 03.02.2022
Aufbereitet am: 16.08.2022
2560
Zulässigkeit von Pushbacks an der "Balkanroute" nach Versäumnis der betroffenen Migrant*innen, sich legaler Einreisewege zu bedienen
Leitsätze
I. Es gilt eine Vermutung, dass ein Staat auf seinem gesamten Hoheitsgebiet die "Hoheitsgewalt" iSv Art 1 EMRK ausübt. Diese kann zwar durch außergewöhnliche Umstände widerlegt werden, doch ist nicht anzunehmen, dass im Sommer 2015 an der Grenze zwischen Nordmazedonien und Griechenland eine Situation herrschte, die Nordmazedonien daran gehindert hätte, seine Hoheitsgewalt in diesem Teil seines Staatsgebiets effektiv auszuüben. II. Das Zurückdrängen von Migranten durch Polizei und Soldaten über die Grenze stellt eine "Ausweisung" iSv Art 4 4. ZPEMRK dar. III. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Ausweisung als "kollektiv" iSv Art 4 4. ZPEMRK ist das Fehlen "einer vernünftigen und sachlichen Prüfung des Einzelfalls jedes individuellen Mitglieds der Gruppe". Ausnahmen von dieser Regel werden in Fällen angenommen, in denen das Fehlen einer individuellen Ausweisungsentscheidung auf das eigene Verhalten des Beschwerdeführers zurückgeführt werden kann. Dies gilt etwa für Situationen, in denen das Verhalten von Personen, die eine Landgrenze unrechtmäßig überquerten und dabei bewusst ihre große Zahl ausnutzten und Gewalt anwendeten, eine eindeutig destabilisierende Situation schuf, die schwer zu kontrollieren war und die öffentliche Sicherheit gefährdete. IV. Wenn der belangte Staat einen tatsächlichen und wirksamen Zugang zu Wegen der legalen Einreise, insb im Wege von Grenzverfahren, zur Verfügung gestellt hat, ein Beschwerdeführer aber davon keinen Gebrauch gemacht hat, wird der EGMR im fraglichen Kontext und vorbehaltlich der Anwendung von Art 2 und Art 3 EMRK berücksichtigen, ob es zwingende Gründe dafür gab, dies nicht zu tun, die auf objektiven Tatsachen beruhten, für die der belangte Staat verantwortlich war. Wo solche Vorkehrungen bestehen und das Recht, um Schutz gemäß der Konvention und insb Art 3 zu ersuchen, in einer tatsächlichen und wirksamen Weise gewährleisten, hindert die Konvention die Staaten nicht daran, in Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Grenzen zu kontrollieren, zu verlangen, dass Anträge auf derartigen Schutz an bestehenden Grenzübergängen gestellt werden. Folglich können sie Fremden, einschließlich potenziellen Asylwerbern, die es ohne zwingende Gründe verabsäumt haben, diesen Vorkehrungen zu entsprechen, indem sie – insb unter Ausnutzung ihrer großen Zahl – versuchten, die Grenze an einer anderen Stelle zu überqueren, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet verwehren.
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Entscheidungsdatum: 05.04.2022
Aufbereitet am: 15.08.2022
2559
Zur Berechnung des Haushaltseinkommens bei volljährigen Kindern
Leitsätze
I. Nach der Rsp des VwGH kommt es bei einem gemeinsamen Haushalt darauf an, ob das Haushaltsnettoeinkommen den unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen jeweils zu ermittelnden "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG deckt. II. Geht der über 18-jährige Sohn der Zusammenführenden einer Schulausbildung nach und ist daher vom Fortbestand seiner Kindeseigenschaft iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG auszugehen, ist bei Ermittlung des maßgeblichen "Haushaltsrichtsatzes" für diesen Sohn (bzw Stiefsohn in Bezug auf den Revisionswerber) lediglich der in § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG vorgesehene Richtsatz zu veranschlagen. III. Im Verfahren betreffend Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" ist zu klären, ob der Zusammenführenden für ihren volljährigen Sohn, falls sich dieser in einer Ausbildung iSv § 2 Abs 1 lit b FamLAG befindet, weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe zukommt. Zwar wären Leistungen der Familienbeihilfe bei Berechnung der für den Fremden zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nicht zu berücksichtigen, jedoch würde ein Anspruch auf Familienbeihilfe auch das Bestehen eines Anspruches auf den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs 3a Z 1 lit b EStG indizieren. Dabei sind die Aussagen, die im hg Erkenntnis vom 22.3.2011, 2007/18/0689, zum Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG in der damals anzuwendenden Fassung BGBl I 24/2007 getroffen wurden (vgl nunmehr § 33 Abs 3 EStG), auf die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit des Familienbonus Plus für die Einkommensermittlung nach § 11 Abs 5 NAG zu übertragen.
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Entscheidungsdatum: 18.11.2021
Aufbereitet am: 12.08.2022
2558
Neuerlich zur Relevanz von § 25 NAG für Verwaltungsgerichte
Leitsätze
I. Der Umstand allein, dass im Verlängerungsverfahren erst das LVwG vom Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ausgegangen ist, vermag an der Maßgeblichkeit des § 25 NAG nichts zu ändern. II. Der Umstand, dass die Behörde nicht befugt wäre, den Verlängerungsantrag bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abzuweisen, sondern zu einem Vorgehen gemäß § 25 Abs 1 NAG angehalten wäre, berechtigt das LVwG nicht, die Angelegenheit an die Behörde zurückzuverweisen. III. Gemäß § 17 VwGVG sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des NAG, welche die Behörde in seinem dem Verfahren vor dem LVwG vorangehenden Verfahren anzuwenden gehabt hätte, vom LVwG sinngemäß anzuwenden. Daraus folgt, dass § 25 NAG auch vom LVwG anzuwenden ist, ungeachtet dessen, dass in der genannten Bestimmung lediglich von der "Behörde" die Rede ist. IV. Eine allein aus § 25 Abs 1 NAG abgeleitete Befugnis zur Zurückverweisung der Sache an die Behörde besteht nicht. Ob das LVwG zur Zurückverweisung der Sache an die Behörde berechtigt ist, bestimmt sich nach der (allgemeinen) verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 28 VwGVG.
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Entscheidungsdatum: 28.02.2022
Aufbereitet am: 11.08.2022