Leitsätze
2187
Rechtswidrige Schubhaft bei Vorliegen eines gesicherten Wohnsitzes
Leitsätze
I. Da der Beschwerdeführer in Österreich einer selbstständigen Beschäftigung nachgegangen ist und über einen gesicherten Wohnsitz verfügt hat, gab es von vornherein keinen Sicherungsbedarf. II. Eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Zusammenhang mit einer Ausreiseunwilligkeit und das bloße Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet ist kein Grund für die Verhängung der Schubhaft.
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Entscheidungsdatum: 29.06.2020
Aufbereitet am: 28.12.2020
2186
Subsidiäre Schutzberechtigung bei verstärktem Risiko für Unversehrtheit im Herkunftsstaat
Leitsätze
I. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen besteht hier schon deshalb nicht, da sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt. II. Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt. III. Die Abweisung eines Asylantrages ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die konkret geschilderten Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung im Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde. IV. Die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat erscheint unzumutbar, wenn der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt ist, in seinen durch Art 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2017
Aufbereitet am: 27.12.2020
2185
Einreise eines Mündels eines EWR-Bürgers nach Begründung der Vormundschaft im Rahmen der algerischen "Kafala"
Leitsätze
I. Die gesetzliche Vormundschaft nach drittstaatlichem Recht (hier: die algerische "Kafala") stellt keine Adoption dar. Daher sind auf diese Weise unter die Vormundschaft von UnionsbürgerInnen gestellte Kinder auch nicht als Verwandte in absteigender Linie iSd Art 2 Z 2 lit c RL 2004/38/EG zu qualifizieren. Sie sind daher nicht automatisch einreiseberechtigt iSd Art 7 Abs 2 RL 2004/38/EG. II. Wohl aber können diese Kinder als Personen anzusehen sein, die nicht unter Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG fallen, aber auf Grund besonderer Umstände enge und stabile familiäre Beziehungen zu einem Unionsbürger haben, etwa infolge eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses, einer Zugehörigkeit zum Haushalt oder schwerwiegender gesundheitlicher Gründe. Sie können daher unter Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG zu subsumieren sein. III. Zwar ist laut der letztgenannten Norm die Einreise der Betroffenen bloß zu "erleichtern" und steht nicht ex lege zu, sodass die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben. IV. Die Einreise in das Unionsgebiet ist nach Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG aber dann zwingend zu ermöglichen, wenn das Kindeswohl dies gebietet (Art 7 iVm Art 24 Abs 2 GRC). Dies ist nach einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen: Dabei zu berücksichtigende Faktoren sind va das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der "Kafala"-Begründung, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit den Vormündern, der Grad der gefühlsmäßigen Beziehungen sowie der Grad der Abhängigkeit des Kindes von den Vormündern. V. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob hinsichtlich des Mündels Missbrauch, Ausbeutung oder Menschenhandel entgegen dem HKÜ vorliegen könnten. Darauf darf aber weder alleine aus der Wahl einer Vormundschaft im Drittstaat (wie bei der "Kafala") noch aus der Nicht-Wahl einer internationalen Adoption geschlossen werden.
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Entscheidungsdatum: 26.03.2019
Aufbereitet am: 25.12.2020
2184
Modul 2 der Integrationsvereinbarung auch bei Lernschwäche zumutbar
Leitsätze
I. Mit seiner Lernschwäche, die durch eine individuelle Rehabilitation gefördert werden könnte, weist der Revisionswerber keinen dauerhaft schlechten physischen oder psychischen Gesundheitszustand auf, sodass ihm die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung zugemutet werden kann. II. Mit dem bloßen Hinweis darauf, die Amtssachverständige sei bei der belangten Behörde tätig bzw mit der Sache bereits in der ersten Instanz befasst gewesen, wird eine Hemmung ihrer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten von ihr zu beurteilenden Fachfragen nicht aufgezeigt.
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Entscheidungsdatum: 03.09.2020
Aufbereitet am: 24.12.2020
2183
Minderjährigkeit: Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend
Leitsätze
Die bisherige Rsp des VwGH, wonach die Minderjährigkeit eines Kindes für die Bejahung der Eigenschaft als Familienangehöriger iSd § 2 Abs 1 Z 9 NAG auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw des VwG vorliegen muss, wird vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 16.7.2020, B.M.M. et al, C-133/19, C-136/19 und C-137/19, nicht mehr aufrecht erhalten. Demnach ist bei der Beurteilung der Minderjährigkeit eines Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 23.12.2020
2182
Inlandsantragstellung: Interessenabwägung in Zeiten von COVID-19
Leitsätze
Nach stRsp des VwGH kann die in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rsp entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision iSd Art 133 Abs 4 B-VG bekämpft werden. Auch wenn der Revisionswerber zutreffend darauf hinweist, dass der aufenthaltsrechtliche Status bei der Interessenabwägung eine Rolle spielt, ist die vorliegend vorgenommene Interessenabwägung im Hinblick auf die in Anschlag gebrachten sozialen, beruflichen und familiären Merkmale nicht als unvertretbar zu erkennen. Auf die weitere Rüge, die faktische Unmöglichkeit einer Ausreise (hier aufgrund der COVID-19-Pandemie) führe nicht automatisch zu einem Überwiegen der Interessen des Fremden, kommt es nicht an, weil der angefochtenen Entscheidung nicht die Annahme eines derartigen Automatismus zugrunde liegt.
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Entscheidungsdatum: 08.07.2020
Aufbereitet am: 22.12.2020
2181
Keine Asylrelevanz der Rechtsfolgen einer Wehrdienstverweigerung im Irak; keine zu befürchtende Zwangsrekrutierung durch die Asaib Al Alhaq-Miliz
Leitsätze
I. Ein Haftbefehl irakischer Behörden infolge von Wehrdienstverweigerung hinsichtlich des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat erreicht nicht die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungshandlung: So ist damit keine Todesdrohung verbunden und gab es bereits Gnadenakte gegenüber Rekruten, die sich diesem Kampf entzogen hatten. II. Mehrfache Besuche von Vertretern der Asaib Al Alhaq-Miliz mit dem Ziel einer Rekrutierung sind nicht als asylrelevante Zwangsrekrutierung zu qualfizieren, wenn dabei nicht einmal eine Drohung in diese Richtung geäußert wird. III. Trotz der volatilen und angespannten Sicherheitslage im Irak kann es Fälle fehlender subsidiärer Schutzwürdigkeit wie jenen des Beschwerdeführers geben (anders noch: BVwG 2.3.2020, G306 2182882-1 ua): Parameter, die dafür sprechen, sind gute dortige Einkommensaussichten, keine Kinder und keine Unterhaltspflichten, dass man vor der Ausreise ständig dort im famliären Umfeld gelebt hat sowie ein guter Gesundheitszustand). Daran vermag für sehr gesunde irakische Staatsangehörige auch die Covid-19-Pandemie nichts zu ändern.
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Entscheidungsdatum: 02.09.2020
Aufbereitet am: 21.12.2020
2180
Unionsrechtswidrigkeit einer Erteilungsfiktion nach behördlicher Säumnis für Aufenthaltstitel nach der RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL)
Leitsätze
I. Es ist den Mitgliedstaaten grundsätzlich unbenommen, Genehmigungsfiktionen für Anträge in ihren Rechtsordnungen zu statuieren. Solche dürfen aber die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. II. Die RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL) verlangt unzweifelhaft, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Prüfung der Anträge von Personen, die eine Familienzusammenführung dort begehren, die Angehörigeneigenschaft des Zusammenführenden auf ihre materielle Wahrheit überprüfen. III. Daher steht Art 5 Abs 4 RL 2003/86/EG einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegen, die infolge verwaltungsbehördlicher Säumnis eine Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels an den/die AntragstellerIn vorsieht (und damit an eine/n womöglich Nicht-Angehörige/n). Denn solch eine Regelung beeinträchtigt die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts.
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Entscheidungsdatum: 20.11.2019
Aufbereitet am: 18.12.2020
2179
Keine Aufenthaltsverlängerung als Familienangehöriger bei einvernehmlicher Scheidung
Leitsätze
I. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs 2 Z 2 NAG steht einem geschiedenen Familienangehörigen ein vom bisherigen Aufenthaltszweck abgeleitetes Aufenthaltsrecht (nur) bei Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten zu. Nachdem bei einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG ein Schuldausspruch auf keinen Fall in Frage kommt, kann sich § 27 Abs 2 Z 2 NAG, der ausdrücklich den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten voraussetzt, nicht auch auf eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG beziehen. II. Dass ein Familienangehöriger, dessen Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Zusammenführenden geschieden wird, gemäß § 27 Abs 2 Z 2 NAG seines Aufenthaltsrechts (trotz Nichterfüllung der näher genannten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen) nicht verlustig geht, kann nicht als willkürliche, unsachliche Differenzierung im Vergleich mit einem einvernehmlich geschiedenen Familienangehörigen gesehen werden. Die Regelung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG knüpft am geltenden Eherecht an, das vom Verschuldensprinzip ausgeht (vgl ErläutRV 485 BlgNR 24. GP 4 zum EPG [BGBl I 135/2009]), und findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass der Gesetzgeber den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens (aufgrund der Annahme eines erhöhten Schutzbedarfs des anderen Ehegatten) mit verschuldensabhängigen Rechtsfolgen verbindet. Diese Erwägungen treffen auf eine Scheidung im Einvernehmen, bei der die Verschuldensfrage und eine erhöhte Schutzwürdigkeit des anderen Ehegatten keine Rolle spielen, nicht zu. Folglich ist in den vom Gesetzgeber in § 27 Abs 2 Z 2 NAG vorgesehenen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Scheidung mit Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Zusammenführenden keine willkürliche, unsachliche Differenzierung zu erblicken, wird doch nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches - aus sachlichen Gründen - verschieden behandelt. III. Die Bestimmung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG ist hinreichend determiniert, um ihre Vollziehung unter strenger Gesetzesbindung zu wahren. Auch die faktische Effektivität des Rechtsschutzes ist in jeder Hinsicht gewährleistet. Für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips bestehen somit keine Anhaltspunkte. Die Regelung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG begegnet somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 17.12.2020
2178
Nach Bescheiderlassung eingetretene Lageänderung
Leitsätze
I. Einer behebenden Entscheidung iSd § 21 Abs 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 muss auch - unter Überbindung der Rechtsansicht - entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde unterlaufen sind. II. Zudem hat das BVwG in seiner Begründung offenzulegen, warum es nicht in der Lage ist, die Ermittlungsmängel in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden Beschwerdeverfahrens - gebotenen Eile zu beseitigen.
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Entscheidungsdatum: 06.08.2020
Aufbereitet am: 16.12.2020
2177
Familienleben bei rechtsgültiger Ehe auch ohne Zusammenleben zu bejahen
Leitsätze
I. Nach der Rsp des EGMR umfasst der Begriff des Familienlebens iSd Art 8 Abs 1 EMRK jedenfalls ("at any rate") eine Beziehung, die auf einer rechtmäßigen und echten Ehe ("a lawful and genuine marriage") gründet, auch wenn das Familienleben etwa mangels Zusammenlebens (noch) nicht vollständig entwickelt ist. Als eine Ausprägung der sog Kernfamilie genießt also die Beziehung zwischen zwei (nicht nur zum Schein) verheirateten Menschen den Schutz des Familienlebens gemäß Art 8 Abs 1 EMRK. II. Die zu keiner Zeit angezweifelte rechtsgültige Ehe zwischen der in Afghanistan lebenden Beschwerdeführerin und ihrem österreichischen Ehegatten begründet ein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK, auch wenn die seit mehr als zehn Jahren verheirateten Eheleute nicht zusammenleben. III. Indem das LVwG den Anwendungsbereich des Art 8 EMRK von vornherein verneint und demzufolge die nach § 21a Abs 5 Z 2 NAG im Lichte des Konventionsrechts gebotene Abwägung unterlässt, hat es dieser Bestimmung einen mit Art 8 Abs 1 EMRK nicht zu vereinbarenden Inhalt unterstellt; denn das LVwG hat es damit auch unterlassen, anhand der vom EGMR entwickelten Kriterien zu prüfen, ob Art 8 EMRK im konkreten Fall die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebietet.
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Entscheidungsdatum: 08.06.2020
Aufbereitet am: 15.12.2020
2176
Wegfall der Fristhemmung nach § 37 Abs 4 NAG
Leitsätze
I. Eine Aufenthaltskarte nach § 54 NAG zählt zu den Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. In diesen Fällen ergibt sich das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrechts. Diese Bescheinigung hat bloß deklaratorische Wirkung, ein das Aufenthaltsrecht konstitutiv begründender "Aufenthaltstitel" liegt mit der Aufenthaltskarte nicht vor. II. Der VwGH hat vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgesprochen, dass der Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG einen Rechtsschutz gegen die Säumnis einer Behörde bei Bescheiderlassung bietet, jedoch nicht dazu geeignet ist, die Ausstellung einer Urkunde zu begehren. Wird die Behörde aber mit der Ausstellung einer nicht als Bescheid zu qualifizierenden Urkunde säumig, hat die im Devolutionsweg angerufene Behörde - falls sie den Anspruch als gegeben erachtet - mit Bescheid festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Urkundenausstellung gegeben sind. Diese Rsp lässt sich auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bezug auf Säumnisbeschwerden an das VwG übertragen. III. Nach dem eindeutigen Wortlaut sieht § 37 Abs 4 NAG eine Ablaufhemmung der Frist gemäß § 8 VwGVG vor, weshalb die Behörde nur dann nicht säumig wird, wenn sie bei Wegfall der Hemmung gemäß § 73 AVG unverzüglich weitere Schritte setzt.
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Entscheidungsdatum: 08.07.2020
Aufbereitet am: 14.12.2020
2175
Keinerlei Feststellungen zur Covid-19-Pandemie in Afghanistan
Leitsätze
Vor dem Hintergrund der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie in Afghanistan sowie der vom BVwG festgestellten ohnehin schon angespannten Versorgungs-, Wohnungs- und Arbeitsmarktsituation in Mazar-e Sharif und Herat hätte sich das BVwG mit der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Afghanistan sowie unter Einbeziehung von zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationen unter Wahrung des Parteiengehörs auseinandersetzen müssen.
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Entscheidungsdatum: 15.09.2020
Aufbereitet am: 11.12.2020
2174
Keine Einbeziehung von nicht im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen bei der Zumutbarkeitsprüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Leitsätze
I. Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Art 15 StatusRL) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann. II. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.
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Entscheidungsdatum: 23.09.2020
Aufbereitet am: 10.12.2020
2173
Aufenthaltsverbot eines EU-/EWR-Bürgers, einzelfallbezogene Gefährdungsprognose und Interessenabwägung
Leitsätze
I. Die gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten Interessen der bzw des Fremden hat einzelfallbezogen zu erfolgen, wobei strafrechtliche Verurteilungen allein die Erlassung eines Aufenthaltsverbots von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerinnen und -Bürgern nicht begründen können. II. Wird das Bundesgebiet trotz einer gegen die fremde Person gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht verlassen, so ist davon auszugehen, dass während des Aufenthalts Sozialkontakte geknüpft wurden und folglich das Aufenthaltsverbot in das Privatleben der betroffenen Person eingreift. Die einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten Interessen hat in Form einer Gesamtbetrachtung zu erfolgen.
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Entscheidungsdatum: 07.05.2020
Aufbereitet am: 09.12.2020
2172
Zur Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Schubhaft
Leitsätze
I. Die fehlende Ausreisewilligkeit einer fremden Person vermag für sich genommen die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Der aktuelle Sicherungsbedarf muss in weiteren Umständen, wie etwa einer mangelnden sozialen Verankerung oder der Gefahr des Untertauchens, begründet sein. II. Neben der Ermittlung, ob die Abschiebung der fremden Person innerhalb einer zumutbaren Frist möglich sein wird, ist die Verhältnismäßigkeit der absehbaren Dauer der Schubhaft zu beachten. Zudem ist zu prüfen, ob die Durchführung der Überstellung zeitnah erfolgen können wird. Dabei sind stets die gesetzlichen Fristen in die Untersuchung miteinzubeziehen, welche die Höchstgrenze der zulässigen Schubhaftdauer festlegen. III. Bei fehlender sozialer Verankerung in Österreich, dem Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes sowie einer Beschäftigung und einer Sicherung des Lebensunterhalts kann vom Vorliegen einer Fluchtgefahr, welche die Verhängung einer Schubhaft zu rechtfertigen vermag, ausgegangen werden.
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Entscheidungsdatum: 06.05.2020
Aufbereitet am: 08.12.2020
2171
Bescheidabänderung durch das BFA gemäß § 68 Abs 2 AVG zu Lasten des Beschwerdeführers während eines verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens
Leitsätze
I. Die Heranziehbarkeit des § 68 Abs 2 AVG für Bescheide, die noch Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens sind, ist nicht ausgeschlossen. II. § 68 Abs 2 AVG ermächtigt nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsposition des Bescheidadressaten im Wege der amtswegigen Abänderung. III. Zudem ist ein bloßes Wiederholen bereits erlassener Bescheidspruchpunkte im Abänderungsbescheid unzulässig.
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Entscheidungsdatum: 02.06.2020
Aufbereitet am: 07.12.2020
2170
Afghanistan – Aberkennung des subsidiären Schutzes, keine anhaltende subjektive Lageänderung
Leitsätze
I. Einige Monate erworbener Arbeitserfahrung in Österreich reichen nicht aus, um nach einer ursprünglichen Zuerkennung subsidiären Schutzes zufolge fehlender Perspektiven im Herkunftsstaat diesen Status gemäß § 9 Abs 1 Z 1 AsylG abzuerkennen. Dies insb dann nicht, wenn der Betroffene, der niemals dort lebte, schon vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt selbst bestritt. Vielmehr liegt darin eine unzulässige Neubewertung eines bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts. II. Das Gleiche gilt für das im Aberkennungsbescheid vorgenommene Heranziehen innerstaatlicher Fluchtalternativen (§ 11 AsylG) unter Rekurs auf die persönliche Lage des Betroffenen, der dort eine Perspektive hätte, wenn sich diese Lage seit dem Zuerkennungsbescheid nicht geändert hat.
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Entscheidungsdatum: 02.07.2020
Aufbereitet am: 04.12.2020
2169
Kein "real risk" bei bloßer Gastritis
Leitsätze
I. Die klinisch einer Gastritis bzw Refluxbeschwerden entsprechenden Oberbauchbeschwerden stellen keine lebensbedrohliche Erkrankung dar. Diese kann durch regelmäßige Einnahme von einem Abführmittel bzw durch Verwendung eines Protonenpumpeninhibitors behandelt werden. II. Ein reales Risiko, unter qualvollen Umständen zu sterben, besteht im Zielstaat Indien nicht, zumal auch dort die Therapiemittel zur Verfügung stehen und bloß einen Bruchteil der Preise in Europa kosten. Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer in einem funktionierenden sozialen Netz eingebunden, sodass die Besorgung dieser Therapiemittel hinreichend gewährleistet scheint.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2020
Aufbereitet am: 03.12.2020
2168
Zur Berücksichtigung eines positiven Lebenswandels nach der Begehung von Straftaten
Leitsätze
I. Wurde in der Vergangenheit seitens eines EWR-Bürgers ein strafrechtlich relevantes Verhalten, das grundsätzlich die Verhängung eines Aufenthaltsverbots rechtfertigt, gesetzt, so kann sich dieses dennoch als unstatthaft erweisen, wenn ein berücksichtigungswürdiges Privat- und Familienleben besteht und zudem seit der Begehung der Straftat ein positiver Lebenswandel vorliegt. II. Eine strafrechtliche Verurteilung allein stellt keine Rechtfertigung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger dar. Vielmehr bedarf es dafür zusätzlich eines persönlichen Verhaltens, das eine erhebliche, gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. III. Trotz einer schwerwiegenden Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch einen straffällig gewordenen EWR-Bürger, kann sich bei einem – von der Straftat abgesehenen – positiven Lebenswandel ein Aufenthaltsverbot als unzulässig erweisen.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 02.12.2020