Leitsätze
2258
Keine zweite Interessenabwägung bei Rückstufung nach § 28 Abs 1 NAG geboten
Leitsätze
I. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch vor, wenn wegen der dem Revisionswerber angelasteten Tathandlung (versuchter Mord gemäß §§ 15 Abs 1, 75 StGB) eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen wird, weil die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (§ 53 Abs 6 FPG). Ein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung muss ihm - in Einklang mit Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL - nicht angelastet werden. II. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale des Art 6 Abs 1 und des Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL ist nicht ersichtlich, dass im Fall des Entzuges der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in analoger Anwendung des Art 6 Abs 1 der RL neuerlich - nämlich nach einer solchen gemäß Art 12 der RL - eine Interessenabwägung durchzuführen wäre. Auch in den Erwägungsgründen der DaueraufenthaltsRL finden sich diesbezüglich keine Hinweise. III. Art 9 der DaueraufenthaltsRL wurde mit § 28 Abs 1 NAG umgesetzt. Auch aus der nationalen Rechtslage ergeben sich keine Hinweise dafür, dass zusätzlich zur Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eine Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Umwandlung des unbefristeten in ein befristetes Aufenthaltsrecht mit den privaten Interessen an einer Aufrechterhaltung des unbefristeten Aufenthaltsrechtes zu erfolgen hätte. IV. Soweit in der Revision verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das in der UN-Behindertenkonvention verankerte Diskriminierungsverbot vorgebracht werden, kann auf den Beschluss des VfGH vom 27.11.2019, E 4015/2019, verwiesen werden, mit welchem die Behandlung der Beschwerde mangels Erforderlichkeit spezifischer verfassungsrechtlicher Überlegungen abgelehnt wurde.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 08.04.2021
2257
Gültigkeitsbeginn von Aufenthaltstiteln und Absehen von Deutschkenntnissen
Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH erfolgt die konstitutive Erteilung eines Aufenthaltstitels durch ein LVwG mit Erlassung des Erkenntnisses. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels beginnt daher ab diesem Datum. II. In Ermangelung eines rechtzeitig gestellten Antrages gemäß § 21a Abs 5 NAG ist keine Interessenabwägung vorzunehmen. III. Eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt worden ist, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs 1 und 3 NAG, allerdings ist, wenn der Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten hat, der Versagungsgrund nach § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklicht.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 07.04.2021
2256
Ausweisung aufgrund von geheimen Informationen über angebliche Beteiligung an terroristischen Straftaten
Leitsätze
I. Die Garantien des Art 1 7. ZPEMRK sind nur auf Fremde anwendbar, "die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalten", der dieses Protokoll ratifiziert hat. Auf Fremde, die sich mit einem Studierendenvisum im Staatsgebiet aufhalten, trifft dies zu. II. Eine Ausweisung darf gemäß Art 1 7. ZPEMRK nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung erfolgen. Die "Rechtmäßigkeit" bezieht sich auch auf die Qualität des Rechts: Dieses muss zugänglich und vorhersehbar sein und Schutz gegen willkürliche Eingriffe durch die Behörden gewähren. III. Nach den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art 1 7.ZPEMRK müssen Fremde in der Lage sein, die gegen ihre Ausweisung sprechenden Gründe vorzubringen, ihren Fall prüfen zu lassen und sich dabei vor der Behörde vertreten zu lassen. IV. Art 1 7.ZPEMRK verlangt grundsätzlich, dass die betroffenen Fremden über die relevanten Sachverhaltselemente unterrichtet werden, auf die sich die Ausweisung stützt. Den Betroffenen muss Zugang zum Inhalt der Dokumente und Informationen im Akt gewährt werden, auf die sich die Behörden bei der Entscheidung über ihre Ausweisung gestützt haben. V. Dies gilt auch dann, wenn die Ausweisung aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt. Allerdings sind die durch Art 1 7. ZPEMRK gewährten Rechte nicht absolut. Einschränkungen der Akteneinsicht und des Zugangs zu den der Entscheidung zugrunde liegenden Dokumenten können gerechtfertigt sein, wenn sie zur Terrorismusabwehr notwendig sind und nicht den Wesenskern der Verfahrensgarantien des Art 1 7.ZPEMRK beeinträchtigen. Dem Fremden muss jedenfalls eine wirksame Gelegenheit eingeräumt werden, Gründe gegen seine Ausweisung vorzubringen, und er muss vor jeder Willkür geschützt werden. Die sich für den Fremden aus gegebenenfalls notwendigen Einschränkungen der Verfahrensrechte ergebenden Schwierigkeiten sind durch ausgleichende Faktoren ausreichend zu kompensieren.
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Entscheidungsdatum: 15.10.2020
Aufbereitet am: 06.04.2021
2255
Unionsbürgerschaft: Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten in Auslieferungssachen
Leitsätze
I. Ein Freizügigkeitssachverhalt, der am Maßstab der Art 18 und 20 ff AEUV zu messen ist, liegt auch dann vor, wenn der Betroffene erst, nachdem er sich bereits im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig niedergelassen hat, zum Unionsbürger wurde (also zum Zeitpunkt des Zuzuges noch Drittstaatsangehöriger war). Ein solcher Sachverhalt ist in Auslieferungssachen auch dann am einschlägigen Unionsrecht zu messen, wenn der Auszuliefernde neben seiner mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des ersuchenden Drittstaats besitzt. II. Wird ein Auslieferungsersuchen von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichtet, so muss dieser zuerst die Konsultation mit dem Herkunftsmitgliedstaat des Betroffenen suchen: So ist diesem Mitgliedstaat Mitteilung über das Auslieferungsersuchen zu erstatten, sodass er zuerst eine eigene Strafverfolgung prüfen kann und zu diesem Behufe einen Europäischen Haftbefehl iSd Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ausstellen kann. Reagiert der Herkunftsmitgliedstaat nicht auf diese Weise, so kann der ersuchte Mitgliedstaat dem Auslieferungsersuchen – unter Beachtung aller grundrechtlichen Vorgaben (vor allem Art 19 Abs 2 GRC) – entsprechen. III. Im Lichte des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art 4 Abs 3 EUV) ist der um Auslieferung ersuchte Mitgliedstaat bei der Vorgangsweise iSv Punkt II dazu verpflichtet, dem Herkunftsmitgliedstaat alle dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte mitzuteilen. Dem Herkunftsmitgliedstaat ist eine angemessene Frist zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zu gewähren (Determinanten bei der Bestimmung der Frist: Komplexität der Rechtssache oder erhöhte Dringlichkeit zufolge einer Auslieferungshaft). IV. Weder der ersuchte Mitgliedstaat noch der Herkunftsmitgliedstaat sind dazu verpflichtet, den um Auslieferung ersuchenden Drittstaat um die Übermittlung des Strafakts zu ersuchen. V. Die Art 18 und 21 AEUV sind dahin auszulegen, dass der von einem Drittstaat um die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, ersuchte Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die Auslieferung abzulehnen und die Strafverfolgung selbst zu übernehmen, wenn ihm dies nach seinem nationalen Recht möglich wäre.
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Entscheidungsdatum: 17.12.2020
Aufbereitet am: 02.04.2021
2254
Rechtmäßigkeit der Festnahme, Anhaltung und Abschiebung nach Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Leitsätze
I. Die Abschiebung liegt im behördlichen Ermessen, wobei es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung ankommt, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen. Wird einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und zeigt die betroffene Person keine Bereitschaft zur Ausreise, so ist zu befürchten, dass auch künftig einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wird, weswegen die Voraussetzungen für die Abschiebung vorliegen. II. Bei einem entsprechenden Verhalten der betroffenen Person (insb bei Vorliegen von strafgerichtlichen Verurteilungen) kann zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abschiebung die Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft notwendig sein. III. Nach der Judikatur des VwGH ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung auf den Zeitpunkt des Vollzugs der Abschiebung abzustellen. IV. Wird das BVwG nach § 22a Abs 1 BFA-VG aufgrund einer behaupteten Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids, der Festnahme oder der Anhaltung angerufen, so ist in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung keiner Prüfung zu unterziehen. Beachtlich ist hingegen, ob bei Setzen dieser Maßnahmen realistischerweise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung gerechnet werden konnte.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 01.04.2021
2253
Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung – keine Verletzung des Privat- und Familienlebens trotz langer Aufenthaltsdauer in Österreich
Leitsätze
Zwar indiziert ein zwanzigjähriger Aufenthalt von Geburt an im Familienverband in Österreich ein überwiegendes Interesse am Verbleib im Bundesgebiet im Rahmen der von Art 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG normierten Interessenabwägung. Ein Begehen schwerer Straftaten gegen fremde Rechtsgüter (hier vor allem: schwerer Raub mit einer Waffe gemäß §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB), eine schnelle Rückfälligkeit und die Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen können aber selbst dann zu einer Gefährlichkeitsprognose führen, die eine Rückkehrentscheidung und ein mehrjährig befristetes Einreiseverbot für das Gebiet der Mitgliedstaaten rechtfertigen.
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Entscheidungsdatum: 02.10.2020
Aufbereitet am: 31.03.2021
2252
Unzulässigkeit der Aberkennung subsidiären Schutzes auch mit Blick auf COVID-19 in Afghanistan
Leitsätze
I. Es ist in Afghanistan hinsichtlich der humanitären bzw Versorgungslage infolge des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie zu einer deutlichen Verschlechterung gekommen. Es ist auch bei gesunden und arbeitsfähigen Rückkehrern nicht gesichert, dass sie sich in den als innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG qualifizierten Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eine Existenz aufbauen können. Folglich kann subsidiär Schutzberechtigten ihr Status nicht mit der Begründung einer Verbesserung der Lage (§ 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG) aberkannt werden. II. Dieser Frage kommt Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, weswegen die Revision an den VwGH zulässig ist (Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG).
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Entscheidungsdatum: 02.05.2020
Aufbereitet am: 30.03.2021
2251
Kein Aufenthaltstitel bei beharrlicher Nichtvorlage eines Reisedokuments
Leitsätze
I. Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen erfolgt zu Recht, wenn der Beschwerdeführer nach einer rechtskräftigen Entscheidung seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht, insb der Vorlage eines gültigen Reisedokuments, nicht nachkommt. II. Die allgemeine Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß ist nicht erfüllt, wenn der Beschwerdeführer nach Abschluss des Erstverfahrens keine weiteren Schritte unternommen hat, um sich ein gültiges Reisedokument aus seinem Herkunftsstaat zu beschaffen. III. Die Heilung des Mangels der Nichtvorlage von gültigen Reisedokumenten ist nicht zulässig, wenn der Beschwerdeführer nicht hinreichend dartut, dass die Beschaffung solcher Dokumente nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.
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Entscheidungsdatum: 29.10.2020
Aufbereitet am: 29.03.2021
2250
Kein Aufenthaltstitel bei fehlenden regelmäßigen Einkünften
Leitsätze
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung nach § 56 AsylG vorliegen, ist der Versagungsgrund des § 60 Abs 2 Z 3 AsylG erfüllt, wenn der Beschwerdeführer keine festen und regelmäßigen Einkünfte vorweisen kann.
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Entscheidungsdatum: 29.07.2020
Aufbereitet am: 26.03.2021
2249
Kein Fehlen der Existenzgrundlage im Herkunftsstaat bei finanzieller Rückkehrhilfe
Leitsätze
I. Wenn im Herkunftsstaat die Möglichkeit einer Rückkehrhilfe besteht und der Beschwerdeführer sich an dort existierende Hilfsorganisationen wenden kann, ist nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung im Herkunftsstaat nicht zumutbar sein sollte. II. Existenzbedrohende Verhältnisse und das Fehlen der notdürftigsten Lebensgrundlage sind nicht erkennbar, wenn eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens im Herkunftsstaat gewährt werden kann.
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Entscheidungsdatum: 30.05.2018
Aufbereitet am: 25.03.2021
2248
Kein Aufenthaltstitel bei fehlendem durchgängigen Aufenthalt
Leitsätze
I. Ein fünf Jahre durchgängiger Aufenthalt liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt im Bundesgebiet wiederholt für etwa drei Monate unterbricht. II. Der durchgängige Aufenthalt im Bundesgebiet wird durch kurzfristige Auslandsaufenthalte nicht unterbrochen. Als kurzfristig gilt eine Unterbrechung in der Dauer von einer Woche bis circa drei Wochen.
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Entscheidungsdatum: 28.10.2020
Aufbereitet am: 24.03.2021
2247
Zu kurzer Aufenthalt für Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen
Leitsätze
Der Beschwerdeführer hält sich zum Zeitpunkt der Antragstellung erst seit zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzung des § 56 Abs 1 Z 1 AsylG, wonach zum Zeitpunkt der Antragstellung ein durchgängiger Aufenthalt im Bundesgebiet von fünf Jahren vorliegen muss, war daher nicht erfüllt.
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Entscheidungsdatum: 30.07.2020
Aufbereitet am: 23.03.2021
2246
Aberkennung des Flüchtlingsstatus wegen sozialer und finanzieller Unterstützung durch Clan-Strukturen im Herkunftsstaat?
Leitsätze
I. Die Anforderungen an bestehenden Schutz im Herkunftsstaat, wie sie Art 2 lit c iVm Art 7 Abs 1 und 2 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zum einen und Art 11 Abs 1 lit e RL 2004/83/EG an deren Erlöschen zum anderen stellen, entsprechen einander vollumfänglich. II. Für ein Fortbestehen begründeter Furcht vor Verfolgung, ohne welches es zum Erlöschen des Flüchtlingsstatus kommt (Art 11 Abs 1 lit e iVm Art 2 lit c RL 2004/83/EG), ist eine zu erwartende wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige oder Clan-Strukturen im Herkunftsstaat völlig unerheblich. Alleine durch sie wird der von Art 11 Abs 1 lit e iVm Art 7 Abs 2 RL 2004/83/EG geforderte Schutz im Herkunftsstaat nicht gewährleistet. III. Die in Punkt II genannte Unterstützung kann allenfalls mit Blick auf die Frage einer subsidiären Schutzwürdigkeit eine Rolle spielen.
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Entscheidungsdatum: 20.01.2021
Aufbereitet am: 22.03.2021
2245
Persönliche Antragstellung nach § 19 Abs 1 NAG als allgemeine Verfahrensregel
Leitsätze
I. § 19 NAG regelt die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle drei Verfahrensarten - nämlich Erstantrags-, Verlängerungs- und Zweckänderungsverfahren - entsprechend Anwendung finden und zur geeigneten und effizienten Regelung dieser Verfahren erforderlich sind. Die Verpflichtung zur persönlichen Antragseinbringung nach § 19 Abs 1 NAG (als allgemeine Verfahrensregel) gilt daher auch für Verlängerungsanträge. II. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs 1 zweiter Satz NAG trifft - soweit die Partei nicht selbst handlungsfähig ist - den gesetzlichen Vertreter grundsätzlich die Verpflichtung, den Antrag "persönlich" einzubringen. Diese Verpflichtung ist als allgemeine Verfahrensregel nicht etwa dahingehend eingeschränkt, dass davon lediglich Fälle einer Antragstellung bei einer ausländischen Vertretungsbehörde mit Reihung im Quotenregister erfasst wären. III. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs 1 zweiter Satz NAG wird ausdrücklich die persönliche Einbringung durch den Vertreter selbst vorausgesetzt. Dieser Voraussetzung wird durch das Einschreiten eines bevollmächtigten Mitarbeiters des gesetzliches Vertreters nicht entsprochen.
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Entscheidungsdatum: 30.10.2020
Aufbereitet am: 19.03.2021
2244
Bestehendes Familienleben eines jungen Erwachsenen
Leitsätze
I. Eine Rückkehrentscheidung stellt einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben der betroffenen Person dar. Ergibt die Interessenabwägung zum Entscheidungszeitpunkt, dass die familiären und privaten Interessen in einer Gesamtschau die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen, so ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die dargelegten Abwägungen auf Dauer unzulässig. II. Hält sich eine fremde Person mehr als zehn Jahre rechtmäßig im Inland auf, so ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Hat die betroffene Person ihren Lebensmittelpunkt in Österreich, so ist grs auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer (hier: neuneinhalb Jahre) den privaten Interessen der Vorrang zu geben. III. Ob ein schützenswertes Familienleben besteht, hängt von den konkreten Umständen ab, wobei neben einer stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch der Intensität und Dauer des Zusammenlebens Bedeutung zukommt. Unter Erwachsenen sind familiäre Beziehungen auch von Art 8 Abs 1 EMRK geschützt, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit, welche über die üblichen Bindungen hinausgehen, hinzutreten. Lebt ein volljähriges Kind im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern und ist dieses finanziell abhängig und gegebenenfalls auch bei einem Elternteil mitversichert, so ist von einem bestehenden Familienleben auszugehen. IV. Hat sich die gesamte Familie der betroffenen Person zu einem Umzug nach Österreich entschlossen und im Inland das Recht auf Daueraufenthalt erworben, so kann die betroffene Person – sofern sie Teil der Familie (insb ein minderjähriges Kind) ist – von einem nachhaltigen Verlegen des Lebensmittelpunktes nach Österreich ausgehen.
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Entscheidungsdatum: 10.08.2020
Aufbereitet am: 18.03.2021
2243
Keine Interessenabwägung bei Daueraufenthaltskarten
Leitsätze
I. § 54a NAG sieht keine Abwägung nach Art 8 EMRK vor. II. Das Recht auf Parteiengehör kann auch unter Mitwirkung eines Vertreters ausgeübt werden.
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Entscheidungsdatum: 30.10.2020
Aufbereitet am: 17.03.2021
2242
Mangelhafte Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in Somalia
Leitsätze
Durch die mangelhafte Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in Herkunftsstaat und -region sowie der Rückkehrsituation samt allfälliger Unterstützungsmöglichkeiten wird der Beschwerdeführer im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 11.12.2020
Aufbereitet am: 16.03.2021
2241
Keine Visa aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 22a FPG) für türkische Staatsangehörige wegen der COVID-19-Situation im Herkunftsstaat
Leitsätze
I. Alleine ein Lebensalter von 72 bzw 71 Jahren begründet keine Zugehörigkeit zur besonders vulnerablen COVID-19-Risikogruppe. Sofern nicht weitere medizinische Befunde beigebracht werden und die Rückreise in den Herkunftsstaat faktisch möglich ist, kann daher die Erteilung eines Visums D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 22a FPG) nicht auf eine Furcht vor einer Infektion mit dem Virus im Herkunftsstaat gestützt werden. II. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gegen Bescheide der LPD in Visaangelegenheiten kann auf § 11a Abs 2 FPG gestützt werden (obwohl sich die Überschrift dieser Rechtsnorm nur auf Beschwerdeverfahren gegen Bescheide der Vertretungsbehörden bezieht).
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Entscheidungsdatum: 02.11.2020
Aufbereitet am: 15.03.2021
2240
Ausweisung eines seit seinem vierten Lebensjahr in Dänemark lebenden Irakers wegen wiederholter Gewaltdelikte
Leitsätze
I. Die Mitgliedstaaten der EMRK haben das Recht, straffällig gewordene Fremde auszuweisen. Sie müssen dabei jedoch das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens achten. Die Gesamtheit der sozialen Beziehungen eines niedergelassenen Migranten zu seinem Umfeld ist ein Aspekt seines durch Art 8 EMRK geschützten Privatlebens. II. Die Ausweisung eines von klein auf rechtmäßig niedergelassenen Fremden kann nur durch sehr schwerwiegende Gründe gerechtfertigt werden. III. Was die Schwere des von einem Fremden begangenen Delikts oder der gegen ihn verhängten Strafe betrifft, gibt es kein Mindestmaß, das für die Berücksichtigung der Straftat im Rahmen der Interessenabwägung überschritten werden müsste. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Daher kann eine Ausweisung selbst im Fall der Verhängung einer relativ milden Strafe gerechtfertigt sein. IV. Es ist nicht unverhältnismäßig iSv Art 8 Abs 2 EMRK, einen von klein auf niedergelassenen Fremden auszuweisen, der über keine familiären Bindungen im Gaststaat verfügt, beruflich nicht integriert ist und zumindest die Sprache des Staates seiner Staatsangehörigkeit spricht, wenn er wiederholt wegen zum Teil schwerer Gewaltdelikte verurteilt wurde, die Ausweisung zuvor mehrmals bedingt ausgesprochen wurde und sein Verhalten auf eine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer ähnlicher Straftaten schließen lässt.
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Entscheidungsdatum: 12.01.2021
Aufbereitet am: 12.03.2021
2239
Reichweite des Ausschlusses palästinensischer Staatenloser von der Flüchtlingseigenschaft wegen Schutzes durch das UNRWA
Leitsätze
I. Die Ausschlussklausel von der Flüchtlingseigenschaft des Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2011/95/EU (Art 1 Abschnitt D GFK) ist dahin auszulegen, dass zur Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) nicht länger gewährt wird, im Rahmen einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhalts alle Operationsgebiete des Einsatzgebiets des UNRWA zu berücksichtigen sind, für die ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, der dieses Einsatzgebiet verlassen hat, eine konkrete Möglichkeit hat, einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten. Es findet also a priori keine Verengung dieser Ausschlussklausel auf ein konkretes UNRWA-Operationsgebiet statt, sondern ist vielmehr das gesamte Einsatzgebiet der Organisation maßgeblich. II. Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2011/95/EU ist ferner dahin auszulegen, dass nicht angenommen werden kann, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, wenn ein Staatenloser palästinensischer Herkunft das Einsatzgebiet des UNRWA ausgehend von einem Operationsgebiet dieses Einsatzgebiets, in dem er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und in dem das UNRWA nicht imstande war, ihm seinen Schutz oder Beistand zu gewähren, verlassen hat und zwei weitere Kriterien erfüllt sind: Zum einen muss der Staatenlose aus einem anderen Operationsgebiet, in dem er sich nicht in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befunden hatte und in dem er den Schutz oder Beistand des UNRWA hatte in Anspruch nehmen können, sich freiwillig in dieses Operationsgebiet begeben haben und zum anderen musste er auf der Grundlage ihm vorliegender konkreter Informationen vernünftigerweise nicht damit rechnen, in dem Operationsgebiet, in das er eingereist ist, durch das UNRWA Schutz oder Beistand zu erfahren oder in absehbarer Zeit in das Operationsgebiet, aus dem er ausgereist ist, zurückkehren zu können. Ob all dies der Fall ist, ist eine Tat- und keine Rechtsfrage.
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Entscheidungsdatum: 13.01.2021
Aufbereitet am: 11.03.2021