Leitsätze
2138
Zur Gefährdungsprognose nach § 11 Abs 4 Z 1 NAG
Leitsätze
I. Die einzelfallbezogene Beurteilung der Gefährdungsprognose ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rsp entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht reversibel. II. Nach stRsp des VwGH ist bei der Auslegung des § 11 Abs 4 Z 1 NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung ist die Behörde bzw das VwG berechtigt, alle den antragstellenden Fremden betreffenden relevanten Umstände zu berücksichtigen, aber auch verpflichtet, diese einer auf ihn bezogenen Bewertung zu unterziehen.
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Entscheidungsdatum: 27.05.2020
Aufbereitet am: 21.10.2020
2137
Zur Verhältnismäßigkeit von "notwendigen Kosten" einer Flugabschiebung
Leitsätze
I. Das BFA hat in der ex-ante Betrachtung das Verhalten der fremden Person im Hinblick auf allfällige Widerstandsleistungen gegen die Abschiebung oder sonstige sicherheitsrelevante Vorkommnisse während des Abschiebevorgangs zu beurteilen und allenfalls die Anzahl der begleitenden Personen festzusetzen. II. Die Verpflichtung zum Kostenersatz einer Abschiebung erstreckt sich immer nur auf die "notwendigen Kosten", wobei der Behörde bei deren Bestimmung ein großer Ermessensspielraum zukommt. III. Die Beurteilung, ob es sich um "notwendige Kosten" einer Abschiebung handelt, ist aus einer ex-ante Betrachtung vorzunehmen. Bei einer Flugabschiebung kann davon ausgegangen werden, dass der Einsatz von drei Polizeibeamten im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie aufgrund der Eigensicherung der Beamten verhältnismäßig ist. Dies gilt umso mehr, wenn Widerstandsleistungen der abzuschiebenden Person nicht ausgeschlossen werden können.
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Entscheidungsdatum: 09.03.2020
Aufbereitet am: 20.10.2020
2136
Entlassung aus der Schubhaft aufgrund der Covid-19-Pandemie trotz bestehender Fluchtgefahr
Leitsätze
I. Ist der Zeitpunkt der Erlangung eines Heimreisezertifikats und jener der Abschiebung (hier aufgrund der Covid-19-Pandemie) nicht absehbar, so ist die betroffene Person aus der Schubhaft zu entlassen. II. Bei wiederkehrender Straffälligkeit, Obdachlosigkeit, fehlender Integration, Beschäftigungslosigkeit und dem Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ist jedenfalls von einer Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und Z 9 FPG auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 10.06.2020
Aufbereitet am: 19.10.2020
2135
Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft infolge unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach kurzer Beschäftigung im Aufnahmemitgliedstaat
Leitsätze
I. Persönlich von Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EG erfasst sind im Einklang mit der Vorjudikatur alle erwerbstätigen Unionsbürger, also Arbeitnehmer wie Selbstständige. II. Tatbildliche "unfreiwillige Arbeitslosigkeit" iSd Art 7 Abs 3 lit c zweiter Fall RL 2004/38/EG ist immer dann gegeben, wenn ein Erwerbstätiger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen gezwungen war, seine Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines Jahres zu beenden. Davon betroffenen Unionsbürgern bleibt die Erwerbstätigen-Eigenschaft iSd Art 7 Abs 1 lit a RL 2004/38/EG erhalten, die Mitgliedstaaten können dies zeitlich begrenzen (Untergrenze 6 Monate). III. Hinsichtlich der Reichweite des Anspruchs derart weiter aufenthaltsberechtigter Unionsbürger auf Gewährung von Sozialleistungen ist das Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG zu beachten.
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Entscheidungsdatum: 11.04.2019
Aufbereitet am: 15.10.2020
2134
Keine Interessenabwägung nach § 11 Abs 3 NAG bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen
Leitsätze
Lediglich bei Vorliegen bestimmter Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs 1 NAG bzw in Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs 2 NAG ist gemäß § 11 Abs 3 NAG zu prüfen, ob ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, weil dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK geboten ist. Das LVwG unterliegt somit einem Rechtsirrtum, wenn es - obwohl das Vorliegen eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs 1 Z 3, 5 oder 6 NAG bzw das Fehlen einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs 2 Z 1 bis 7 NAG nicht festgestellt wurde - eine Abwägung nach § 11 Abs 3 NAG durchführte. Vielmehr wäre bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen.
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Entscheidungsdatum: 27.05.2020
Aufbereitet am: 14.10.2020
2133
(Geplante) Wiederaufnahme des aufenthaltsrechtlichen Erstverfahrens entbindet nicht von Entscheidungspflicht im Verlängerungsverfahren
Leitsätze
Die Verlängerung eines Aufenthaltstitels setzt eine aufrechte Titelerteilung voraus (vgl § 24 und § 2 Abs 1 Z 11 NAG). Selbst ein Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung würde nichts an der Entscheidungspflicht der Behörde ändern. Die Behörde (bzw das LVwG) hat im Verlängerungsverfahren zu prüfen, ob der zu verlängernde Aufenthaltstitel dem Rechtsbestand angehört, und ihre (bzw seine) - allenfalls auch negativ ausfallende - Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist zu treffen.
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Entscheidungsdatum: 03.06.2020
Aufbereitet am: 13.10.2020
2132
Haftungserklärungen zum Nachweis der erforderlichen Unterhaltsmittel
Leitsätze
I. Wie sich aus § 11 Abs 5 NAG ergibt, kann der Nachweis des Vorhandenseins der notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs erbracht werden; ein solcher kann sowohl aus einem gesetzlichen (etwa familienrechtlichen) als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren. II. Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch ist durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen. III. Nach § 11 Abs 6 NAG ist die Möglichkeit eines Fremden, seine Unterhaltsmittel aus einem vertraglich bestehenden Unterhaltsanspruch abzuleiten, auf jene Fälle eingeschränkt, in denen dies im Gesetz (wie vorliegend bei der von der Erstrevisionswerberin beantragten Aufenthaltsbewilligung "Student" gemäß § 64 NAG) ausdrücklich für zulässig erklärt (bzw sogar die Vorlage einer Haftungserklärung verpflichtend angeordnet) wurde. IV. Gemäß § 2 Abs 6 NAG ist bei einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur die Vorlage einer (einzigen) Haftungserklärung zulässig. In einer Haftungserklärung können zwar mehrere Personen als Verpflichtete auftreten, dies hat jedoch die Haftung jedes Verpflichteten für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand zur Folge, sodass jeder Verpflichtete für sich über die erforderlichen Mittel verfügen muss. V. Den Materialien zufolge (RV 330 BlgNR 24. GP 41) wird durch die in § 2 Abs 6 NAG vorgesehene Haftung "zur ungeteilten Hand" gemäß § 891 ABGB klargestellt, "dass jeder Haftende (um als solcher auch anerkannt werden zu können) im Rahmen der Prüfung der Tragfähigkeit der Erklärung auch für sich alleine die (gesamten) erforderlichen Mittel nachweisen muss". Die Gültigkeit einer Haftungserklärung wird allerdings für sich genommen nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass im Falle (wie vorliegend) mehrerer Haftender einer der Unterzeichnenden nicht die notwendige finanzielle Leistungsfähigkeit aufweist und daher nicht als Haftender "anerkannt" werden kann. VI. Weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch ein Wohnsitz in Österreich sind zwingende Voraussetzungen für die Abgabe einer Haftungserklärung iSd § 2 Abs 1 Z 15 NAG. VII. Eine Beeinträchtigung der Vollstreckbarkeit infolge der schwedischen Staatsangehörigkeit des älteren Bruders bzw seines Wohnsitzes in Schweden ist nicht zu sehen, zumal allfällige Regressansprüche einer Gebietskörperschaft aufgrund einer solchen Haftungserklärung zivilrechtliche Ansprüche darstellen und somit die unionsrechtlichen Regelungen betreffend die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen zur Anwendung kommen. VIII. Nach § 2 Abs 1 Z 15 NAG erfordert die Gültigkeit der Haftungserklärung den Nachweis der Leistungsfähigkeit desjenigen, der sie abgibt. Die Haftungserklärung ist dann tragfähig, wenn die Leistungsfähigkeit des Haftenden dazu ausreicht, neben dem eigenen Unterhalt auch den Unterhalt des begünstigten Fremden ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu bestreiten. IX. Die Haftungserklärung umfasst zwar nicht nur die Deckung der Unterhaltsmittel, sondern auch den Ersatz jener Kosten, die iZm aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entstehen können. Diese Kosten können jedoch nur dann in die Berechnung der notwendigen Mittel einfließen, wenn Anhaltspunkte für ihr Entstehen und ihre Höhe vorhanden sind. X. Ersparnisse sind auf jenen Zeitraum anzurechnen, für den der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen ist, zumal das NAG - mit Ausnahme des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" - nur befristete Rechtspositionen verleiht, bei denen die jeweilige finanzielle Situation in einem allfälligen Verlängerungsverfahren ohnehin neu zu beurteilen ist. Folglich ist in einem Fall wie dem vorliegenden für die aliquote Anrechnung der Ersparnisse mit Blick auf § 20 Abs 1 NAG auf einen Beurteilungszeitraum von zwölf Monaten abzustellen und nicht auf die im § 2 Abs 1 Z 15 NAG vorgesehene Gültigkeitsdauer der Haftungserklärung von fünf Jahren. XI. Der VwGH hat die Vergleichbarkeit des jederzeit verfügbaren Guthabens aus Wertpapierdepots mit Spareinlagen und dessen Eignung zum Nachweis der erforderlichen Unterhaltsmittel bereits anerkannt. XII. Da die revisionswerbenden Parteien ein einziges Erkenntnis in drei getrennten Revisionen angefochten haben, die alle durch dieselbe Rechtsanwältin eingebracht worden sind, ist Aufwandersatz (für den Schriftsatzaufwand) gemäß § 53 Abs 2 iVm Abs 1 VwGG nur an die Erstrevisionswerberin zu zahlen. Die Eingabengebühr nach § 24a VwGG ist hingegen für alle im Verfahren verbundenen Revisionen zuzusprechen.
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Entscheidungsdatum: 03.06.2020
Aufbereitet am: 12.10.2020
2131
Verhandlungspflicht bei Zweifeln an gemeinsamem Familienleben
Leitsätze
Nach stRsp des VwGH kann die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden, sondern kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu. Diese Rsp ist für die nach § 30 Abs 1 NAG relevante Frage, ob Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK führen oder nicht, auch auf den vorliegenden Fall, in dem lediglich der Ehegatte der Revisionswerberin in Österreich aufhältig ist, übertragbar.
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Entscheidungsdatum: 03.06.2020
Aufbereitet am: 08.10.2020
2130
Beibringungspflichten von Unterlagen auf Seiten von Familien-Zusammenführenden
Leitsätze
I. Die RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL) ist als solche nicht auf die Familienzusammenführung subsidiär Schutzberechtigter anwendbar. Wohl aber dann, wenn das nationale Recht Bestimmungen der RL auf solche Sachverhalte für anwendbar erklärt hat. In einem solchen Fall ist der EuGH im Rahmen des Art 267 AEUV für Auslegungs- und Gültigkeitsfragen zuständig. II. Die Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung hat nach Art 17 RL 2003/86/EG auf höchst individualisierte Weise zu erfolgen. Dabei ist das Kindeswohl (Art 7 iVm Art 24 Abs 2 und 3 GRC) als Auslegungsmaxime zu beachten (zu berücksichtigende Faktoren: Alter der betroffenen Kinder, ihre Situation in ihrem Herkunftsland und der Grad ihrer Abhängigkeit von Verwandten). III. Bevorzugt sind amtliche Unterlagen zur Beweisführung hinsichtlich der Identität des Angehörigen, des Bestehens eines Familienlebens und der den Antrag begründenden Umstände beizubringen. Ein Unvermögen, diese vorzulegen, ist begründungspflichtig. IV. Die mitgliedstaatlichen Behörden haben vorgelegte Beweismittel und Erklärungen im Hinblick auf die Lage im Herkunftsland, einschließlich ua der Rechtslage und der Art und Weise der Anwendung dieses Rechts, der Funktionsweise der Verwaltungsdienste und etwaig bestehender Mängel, die bestimmte Orte oder bestimmte Personengruppen dieses Landes betreffen, zu prüfen. Ferner ist bei der Beurteilung der Beweiskraft des Beigebrachten bzw bei der Beurteilung des behaupteten Unvermögens, Unterlagen vorzulegen, auch auf die Persönlichkeit des Zusammenführenden bzw des Begünstigten und deren individuelle Situation einzugehen. Hat der Zusammenführende den Antrag nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellt und seine verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt, so kann eine Ablehnung des Antrags durch die Behörden nicht ausschließlich auf das Fehlen bestimmter Unterlagen gestützt werden.
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Entscheidungsdatum: 13.03.2019
Aufbereitet am: 07.10.2020
2129
Interessenabwägung im Hinblick auf eine Wohnsitzauflage
Leitsätze
I. Bei der Erlassung einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG hat eine ausreichende Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen, da eine Wohnsitzauflage stets abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat und die ultima ratio darstellt. II. Der unrechtmäßige Aufenthalt und die Weigerung, einer Ausreiseverpflichtung nachzukommen, stellen zwar gewichtige Gefährdungen der öffentlichen Ordnung in Bezug auf ein geordnetes Fremdenwesen dar, doch sind vor Erlassung einer Wohnsitzauflage auch die Verankerung in der Wohnsitzgemeinde und die Erwerbstätigkeit in der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
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Entscheidungsdatum: 08.05.2020
Aufbereitet am: 06.10.2020
2128
Beweiswürdigung iZm vorgebrachten Hinderungsgründen für Schulerfolg
Leitsätze
I. Ursächlich iSd "natürlichen" Kausalität ist ein Umstand, der nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Geschehensablauf ein anderer gewesen wäre. Ob ein derartiger Kausalzusammenhang gegeben ist, ist eine Tatsachenfeststellung. Ob der Kausalitätsbeweis von den Vorinstanzen zu Recht als erbracht angesehen wurde, betrifft daher eine Frage der Beweiswürdigung. II. Die Beweiswürdigung ist nur insoweit einer Überprüfung durch den VwGH zugänglich, als es um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs sowie darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden. III. Dass einzelne Unterrichtsgegenstände "nicht beurteilt" wurden, steht der Berechtigung zum Aufstieg - mit möglicher nachträglicher Ablegung von Kolloquien in den betreffenden Fächern - und damit einer verzögerungsfreien Annäherung an den Abschluss der Ausbildung nicht entgegen. IV. Die (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs bewirkt nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das VwG bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Rechtsmittelwerber muss daher die entscheidenden Tatsachen behaupten, die wegen des Mangels unbekannt geblieben sind.
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Entscheidungsdatum: 04.06.2020
Aufbereitet am: 05.10.2020
2127
Zur Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch Schwarzarbeit
Leitsätze
I. Wird der Aufenthalt der bzw des Drittstaatsangehörigen durch illegale Beschaffung der Mittel zum Unterhalt finanziert, so ist eindeutig der Unwille, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, erkennbar. Dieser Umstand stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar und rechtfertigt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung und die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise. II. Für die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch eine bzw einen Drittstaatsangehörigen kommt es nicht darauf an, dass bereits eine strafbare Handlung begangen wurde. Schon die Gefahr, dass die öffentliche Hand finanziell belastet wird, rechtfertigt die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. III. Bei der Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots ist das bisherige Verhalten von Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit deren Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
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Entscheidungsdatum: 09.03.2020
Aufbereitet am: 01.10.2020
2126
Verpflichtung zur Neuausstellung einer Aufenthaltskarte (auch) bei Zweifeln am weiteren Bestehen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts
Leitsätze
I. Ein vermeintliches Abweichen von der VwGH-Rsp zur Auslegung des § 55 Abs 3 NAG hinsichtlich der Frage, ob eine Verpflichtung zur Neuausstellung einer Aufenthaltskarte gegeben ist, kann nicht mit Entscheidungen aufgezeigt werden, die zu einer anderen Bestimmung - gegenständlich zu § 25 NAG - ergangen sind. Die fehlerhafte Bezeichnung (Abweichen von der Rsp statt Fehlen derselben) schadet jedoch nicht. II. Auf eine Rechtsfrage, die das LVwG bei der Zulassung der ordentlichen Revision als grundsätzlich ansah, ist vom VwGH nicht einzugehen, wenn diese Rechtsfrage in der Revision nicht angesprochen wird. III. Der Wortlaut des § 19 Abs 11 letzter Satz NAG enthält keine Hinweise darauf, dass vor der neuerlichen Ausstellung eines Dokumentes das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sei. Hätte der Gesetzgeber eine solche Prüfung vor der neuerlichen Ausstellung eines Aufenthaltstitels oder einer Aufenthaltskarte vorsehen wollen, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen; ob die Verwaltungsbehörde nach anderen Bestimmungen des NAG ein Verfahren einleiten könnte, berührt die Sache des Verfahrens gemäß § 19 Abs 11 NAG nicht. Dass hingegen das Dokument mit gleicher Geltungsdauer und gleichem Geltungsumfang wie das verlorene oder unbrauchbar gewordene Dokument neuerlich auszustellen ist, weist darauf hin, dass ein Recht nicht neu verliehen oder dessen Vorliegen nicht neu dokumentiert, sondern lediglich ein verlorenes oder unbrauchbar gewordenes Dokument physisch ersetzt werden soll. IV. Das Vorbringen des Revisionswerbers in seiner Zulässigkeitsbegründung, die VwGH-Rsp zu § 25 Abs 1 NAG, wonach auch das VwG zur Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens durch das BFA zuständig sei, sei auf § 55 Abs 3 NAG zu übertragen, erweist sich als nicht entscheidungsrelevant. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der VwGH aufgrund von Revisionen gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuständig. V. Die Argumentation des Revisionswerbers zur Systematik des vierten Hauptstückes (gemeint wohl: des zweiten Teiles) des NAG ist schon deshalb nicht zielführend, weil sich der hier relevante § 19 NAG im sechsten Hauptstück des ersten Teiles befindet.
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Entscheidungsdatum: 11.05.2020
Aufbereitet am: 30.09.2020
2125
Zur Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft
Leitsätze
I. Hinsichtlich der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist stets zu prüfen, ob eine Abschiebung tatsächlich infrage kommt und infolgedessen, ob eine Abschiebung in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. II. Da derzeit geltende Maßnahmen aufgrund des Corona-Virus bloß befristete Hindernisse darstellen, ist (in der gegenständlichen Sache) davon auszugehen, dass eine Abschiebung dennoch innerhalb der gesetzlichen Frist vollzogen werden kann.
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Entscheidungsdatum: 10.04.2020
Aufbereitet am: 29.09.2020
2124
Berücksichtigung von Nebenbeschäftigungen im Rahmen der Einkommensprognose bei Familiennachzug
Leitsätze
I. Selbst wenn die Nebentätigkeit des Ehepartners nur zum Zwecke des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel aufgenommen worden sein sollte, sind die im Rahmen dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte grundsätzlich im Rahmen der Prognoseentscheidung gemäß § 11 Abs 5 NAG 2005 zu berücksichtigen. II. Selbst wenn der Ehepartner für einzelne Monate keine Einkünfte aus seiner Nebentätigkeit erzielt haben sollte, sind dennoch die nachgewiesenen Einkünfte im Rahmen der Einkommensprognose zu berücksichtigen.
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Entscheidungsdatum: 30.04.2020
Aufbereitet am: 28.09.2020
2123
Zeitpunkt zur Beurteilung der Minderjährigkeit im Rahmen der Familienzusammenführung
Leitsätze
I. Für die Beurteilung der tatbildlichen Minderjährigkeit, die für die Zulässigkeit eines Antrags auf Familienzusammenführung gemäß Art 4 Abs 1 UAbs 1 lit c RL 2003/86/EG vorliegen muss, kommt es nur auf das Datum der Antragstellung an. Unzulässig ist hingegen ein Abstellen auf das Alter zum Entscheidungsdatum. II. Ein Rechtsbehelf gegen eine Behördenentscheidung über einen solchen Antrag darf vom Rechtsmittelgericht nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses infolge mittlerweile erreichter Volljährigkeit zurückgewiesen werden.
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Entscheidungsdatum: 16.07.2020
Aufbereitet am: 24.09.2020
2122
Zur Zurückweisung eines Antrags gemäß § 55 AsylG aufgrund des Vorliegens einer Rückkehrentscheidung und Fehlens einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung
Leitsätze
I. Nach § 58 Abs 10 AsylG ist ein Antrag gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt und aus dem Antragsvorbringen kein geänderter Sachverhalt im Hinblick auf das Privat- und Familienleben iSd § 9 Abs 2 BFA-VG hervorgeht. II. Nach der Rsp des VwGH liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn den geltend gemachten Umständen von vornherein keine derartige Bedeutung zugekommen wäre, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art 8 EMRK geboten hätte.
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Entscheidungsdatum: 05.03.2020
Aufbereitet am: 23.09.2020
2121
Absprechen über Antrag auf internationalen Schutz als Voraussetzung einer allfälligen Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Ohne (rechtskräftige) Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz darf keine Rückkehrentscheidung (iSd § 52 Abs 9 FPG) getroffen werden. II. § 10 Abs 1 AsylG und § 52 Abs 2 FPG sind dahingehend auszulegen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig ist, bevor über einen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde.
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Entscheidungsdatum: 03.03.2020
Aufbereitet am: 22.09.2020
2120
Covid-19 in Afghanistan
Leitsätze
I. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. II. Ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung.
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Entscheidungsdatum: 23.06.2020
Aufbereitet am: 21.09.2020
2119
Auch aus Art 6 Abs 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 kein Daueraufenthalt - EU ableitbar
Leitsätze
Türkische Staatsangehörige, die ihr Aufenthaltsrecht direkt aus Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 ableiten, erfüllen die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 NAG zur Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" nicht. Das aus Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleitete Aufenthaltsrecht ist nämlich insofern eingeschränkt, als es von der Erneuerung der Arbeitserlaubnis bei demselben Arbeitgeber und der Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes bei diesem abhängt. Mit einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" wäre hingegen ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden, also eine deutlich weiter gehende Berechtigung (vgl VwGH 23.1.2020, Ro 2019/22/0009). Die in diesem Erkenntnis getroffenen Aussagen sind auf Fälle nach dem zweiten Spiegelstrich des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 gleichermaßen anwendbar, weil ein türkischer Staatsangehöriger auch aus dieser Bestimmung noch kein Recht auf einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt ableiten kann (vgl VwGH 6.9.2018, Ro 2018/22/0008).
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Entscheidungsdatum: 22.05.2020
Aufbereitet am: 17.09.2020