Leitsätze
2501
Keine pauschale Vermutung von Sicherungsbedarf bei Asylwerbern im Dublin-Verfahren mit mangelnden finanziellen Mitteln
Leitsätze
Das Vorliegen von Mittellosigkeit und mangelnder sozialer Integration in Bezug auf Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, sind allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs.
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Entscheidungsdatum: 24.09.2021
Aufbereitet am: 19.05.2022
2500
Zur Verschuldensqualifikation bei Fristsäumnis
Leitsätze
I. Die Bestimmung des § 24 Abs 2 NAG ist dem § 71 Abs 1 Z 1 AVG nachgebildet und soll der Sache nach eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall der Versäumung der materiell-rechtlichen Frist des § 24 Abs 1 NAG ermöglichen. Die Judikatur zu § 71 Abs 1 Z 1 AVG kann daher auch für die Auslegung des § 24 Abs 2 NAG herangezogen werden. II. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis kann auch in einem inneren, psychischen Geschehen, demnach auch in einem Vergessen oder Versehen liegen. III. Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist ein fallbezogener Maßstab anzulegen, wobei es insb auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt. IV. Die Qualifikation des Verschuldensgrades iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des LVwG. V. Eine Erkrankung stellt nur dann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar, wenn die Dispositionsfähigkeit der Partei aufgrund der Krankheit beeinträchtigt ist. Die Partei muss durch die Erkrankung so weit gehindert sein, dass ihr das Unterlassen jener Schritte, die für die Wahrung der Frist erforderlich gewesen wären, nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorgeworfen werden kann. Sie muss durch die Erkrankung auch daran gehindert gewesen sein, die Versäumung der Frist durch andere geeignete Dispositionen abzuwenden.
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Entscheidungsdatum: 29.10.2021
Aufbereitet am: 18.05.2022
2499
Ohne Parteiengehör kein Neuerungsverbot
Leitsätze
I. Rein datenbankmäßige Abfragen (ua Versicherungsdatenauszug) sind schon per se nicht geeignet, eine umfassende und abschließende Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Fremden und dessen eingetragenen Partners zu erlauben. II. Indem das LVwG seine Erwägungen iZm den für den Fremden und dessen eingetragenen Partner verfügbaren Existenzmitteln auf Ermittlungsergebnisse stützt, zu denen es dem Fremden kein Parteiengehör eingeräumt hat, verletzt es tragende Grundsätze des Verfahrensrechts. III. Das Neuerungsverbot vor dem VwGH gilt nur im Fall des ordnungsgemäß gewährten Parteiengehörs.
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Entscheidungsdatum: 19.10.2021
Aufbereitet am: 17.05.2022
2498
Bei prozessunfähigen/minderjährigen Asylwerbern keine Verpflichtung zur Einvernahme der gesetzlichen Vertreter
Leitsätze
Nach den Erläuterungen zur Stammfassung des § 19 AsylG 2005 kann eine Einvernahme unterbleiben, wenn durch die Einvernahme kein Beitrag zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erwartet werden kann.
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Entscheidungsdatum: 17.11.2021
Aufbereitet am: 16.05.2022
2497
Ausreichende Gesundheitsversorgung macht Abschiebung nach Indien zulässig
Leitsätze
I. Zwar bestehen in Indien auf Grund der COVID-19-Pandemie schwierige Lebensumstände, damit ist aber die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art 3 EMRK nicht dargetan. II. Gegenständlich kann nicht angenommen werden, dass der arbeitsfähige Beschwerdeführer mit schulischer Bildung, der bereits in seinem Herkunftsstaat gearbeitet hat und dort über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, nach einer Rückkehr in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. III. Da der Beschwerdeführer auch vor seiner Flucht bei seiner Familie leben konnte, ist davon auszugehen, dass dies auch nach seiner Rückkehr möglich ist. IV. Der Beschwerdeführer leidet zwar an einer leichten Darmerkrankung, gehört aber auch aufgrund dieser nicht zu den von COVID-19 besonders gefährdeten Personen.
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Entscheidungsdatum: 29.10.2021
Aufbereitet am: 13.05.2022
2496
Volatile Sicherheitslage im Herkunftsstaat und Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft bestimmt der VfGH
Leitsätze
Das BVwG hat die Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt für rechtswidrig zu erklären, für den der VfGH eine volatile Sicherheitslage im Zielstaat festsetzt, wodurch von der Unmöglichkeit der Abschiebung auszugehen ist. Dies auch dann, wenn innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen.
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Entscheidungsdatum: 29.10.2021
Aufbereitet am: 12.05.2022
2495
Subsidiärer Schutz aufgrund fehlender innerstaatlicher Schutzalternativen in Großstädten Afghanistans
Leitsätze
I. Der Status des Asylberechtigten ist gemäß § 3 Abs 1 AsylG zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist nicht der Fall, wenn der Beschwerdeführer die Gefahr asylrelevanter Verfolgung aus Gründen der Blutrache nicht glaubhaft macht und ferner nicht glaubhaft macht, dass er eine gefestigte vom Islam abgekehrte atheistische innere Überzeugung hätte und diese leben und nach außen tragen würde. II. Auch wenn der Beschwerdeführer schon aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes Gefahr laufen würde, in Afghanistan als "verwestlicht“ und „unislamisch“ angesehen zu werden, ist daraus nicht abzuleiten, dass nun sämtliche Rückkehrer aus dem Westen einer systematischen Gruppenverfolgung ausgesetzt wären. Die bloß entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt für den Asylstatus nicht. III. Der subsidiäre Schutz war zuzuerkennen, da aktuell davon auszugehen ist, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Afghanistan eine Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention geschützten Rechte drohen würde. IV. Da auch das Bestehen einer innerstaatlichen Schutzalternative in Großstädten Afghanistans aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage in Afghanistan nicht mehr angenommen werden kann, war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
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Entscheidungsdatum: 30.09.2021
Aufbereitet am: 11.05.2022
2494
Begünstigter Drittstaatsangehöriger: Ohne Feststellung iSd § 54 Abs 7 NAG als aufenthaltsbeendende Maßnahme nur Ausweisung möglich
Leitsätze
I. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 66 Abs 1 FPG und des § 55 Abs 3 NAG erfassen diese Bestimmungen nicht nur den Fall, dass einem betroffenen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr zukommt, sondern ausdrücklich auch den Fall, dass dieses Recht (von vornherein) nicht zukommt bzw besteht, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang somit nur, dass sich der Mitbeteiligte in Österreich unter potenzieller Inanspruchnahme eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aufgrund der substanziierten Behauptung, begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, aufhält. II. Nach der VwGH-Rsp ist ein Drittstaatsangehöriger selbst dann, wenn er eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG zu behandeln und demzufolge gegen ihn eine Ausweisung (und keine Rückkehrentscheidung) zu erlassen - jedenfalls, solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs 7 NAG vorliegt. III. Lediglich im Fall einer Feststellung gemäß § 54 Abs 7 NAG hat keine Ausweisung nach § 66 FPG zu ergehen, sondern die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG zu erfolgen. In allen anderen Fällen soll es bei der in § 55 Abs 3 NAG iVm § 66 Abs 1 FPG grundgelegten Vorgangsweise bleiben. IV. Gibt es keine bindende feststellende Entscheidung darüber, dass der sich auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufende Drittstaatsangehörige nicht in dessen Anwendungsbereich fällt, die eben nur für die Fälle des § 54 Abs 7 NAG vorgesehen ist, so ist das von ihm geltend gemachte Vorliegen der Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht (hier: § 52 Abs 1 Z 3 NAG) vom gemäß § 55 Abs 3 NAG von der Niederlassungsbehörde befassten BFA als Vorfrage im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung zu prüfen. V. Die Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen setzt nicht voraus, dass ihm bereits eine Aufenthaltskarte ausgestellt wurde.
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Entscheidungsdatum: 07.10.2021
Aufbereitet am: 10.05.2022
2493
Antragsänderung im Beschwerdeverfahren: Unselbstständiger statt selbstständiger Künstler überschreitet "Sache"
Leitsätze
I. § 66 Abs 4 AVG zieht Antragsänderungen engere Grenzen als der bloß auf das Wesen der Sache abstellende § 13 Abs 8 AVG. In diesem Sinne ist die Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren auf die "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruches der belangten Behörde gebildet hat, beschränkt. II. Die "Sache" des behördlichen Verfahrens wird, weil sie durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift bestimmt wird, jedenfalls durch Antragsänderungen verlassen, welche die Anwendbarkeit einer anderen Norm zur Folge haben. III. Zwar kennt das NAG nur den in § 8 Abs 1 Z 9 genannten einheitlichen Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Künstler", allerdings ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" nur entweder zu einer unselbstständigen oder zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. Es handelt sich bei der Entscheidung, ob ein solcher Aufenthaltstitel für eine unselbstständige oder eine selbstständige Tätigkeit erteilt werden soll, auch nicht um eine von der Behörde bzw vom LVwG - losgelöst vom Antragsinhalt - vorzunehmende rechtliche Würdigung eines pauschal auf die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gerichteten Antrages. Dass die besonderen Erteilungsvoraussetzungen sowohl für die selbstständige als auch für die unselbstständige künstlerische Tätigkeit gleichermaßen in § 43a NAG geregelt sind, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die beiden Fälle angesichts der in den Z 1 und 2 des § 43a Abs 1 NAG enthaltenen Vorgaben (zumindest partiell) unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen unterliegen. Eine dahingehende Antragsänderung vor dem LVwG liegt nicht mehr innerhalb der "Sache" des Beschwerdeverfahrens.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2021
Aufbereitet am: 09.05.2022
2492
ÖPNV-Ticket und Rundfunkgebühren gehören zur gewöhnlichen Lebensführung
Leitsätze
Die Ausgaben für die Benützung eines innerstädtischen öffentlichen Verkehrsmittels sowie für den Betrieb von Rundfunkempfangseinrichtungen sind mit den nach § 11 Abs 5 NAG heranzuziehenden Richtsätzen des § 293 ASVG der Höhe nach abgedeckt.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2021
Aufbereitet am: 06.05.2022
2491
Folgen gefälschter Deutschzertifikate zur Aufenthaltstitelerlangung
Leitsätze
I. Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" in § 11 Abs 4 Z 1 NAG ist eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Die Behörde bzw das LVwG ist dabei berechtigt, alle den Fremden betreffenden relevanten Umstände zu berücksichtigen, und verpflichtet, diese einer auf ihn bezogenen Bewertung zu unterziehen. II. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG ist (insb) dann anzunehmen, wenn ein Antragsteller gefälschte Urkunden mit dem Ziel vorlegt, dadurch einen Aufenthaltstitel zu erlangen, stellt dies doch eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, insb an einer geregelten Zuwanderung, dar. III. Bei der Beurteilung iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG muss nicht auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung abgestellt werden. Es kann ebenso ein - Anzeigen an Behörden oder Gerichte zugrunde liegendes - Verhalten wie auch ein sonstiges Fehlverhalten zu einer Gefährdungsannahme führen. Bei der Würdigung, ob eine solche Annahme gerechtfertigt ist, ist auf die Art und Schwere des zugrunde liegenden Fehlverhaltens abzustellen, das von der Behörde bzw vom LVwG festzustellen ist.
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Entscheidungsdatum: 03.09.2021
Aufbereitet am: 05.05.2022
2490
Keine Antragszurückziehung im Revisionsverfahren
Leitsätze
Die Zurückziehung eines Anbringens iSd § 13 Abs 7 AVG ist (nur) so lange zulässig, als das Anbringen noch unerledigt ist. Das bedeutet für Fälle, in denen ein Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung bis zum Berufungsbescheid, möglich ist. Diese zum Berufungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden ergangene Rsp ist auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen.
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Entscheidungsdatum: 23.07.2021
Aufbereitet am: 04.05.2022
2489
Vom Erteilungshindernis durchsetzbare Rückkehrentscheidung und den Anforderungen an ein ordentliches Ermittlungsverfahren
Leitsätze
I. Die ersatzlose Behebung des - eine frühere (sonst grundsätzlich erst mit der Rechtskraft eintretende [vgl § 52 Abs 8 FPG]) Durchsetzbarkeit begründenden - Ausspruchs wirkt ex tunc, was bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen dem Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob er von Anfang an nicht erfolgt wäre. II. In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gelten die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit. Das LVwG hat daher von Amts wegen vorzugehen und unabhängig vom Vorbringen und von den Anträgen der Parteien den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Das LVwG hat dabei vorerst eine Partei, wenn diese nicht nur ganz allgemein gehaltene, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt hat, zur Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die dem LVwG nach allfälligen weiteren Ermittlungen die Beurteilung des Vorbringens ermöglichen. III. Beweisanträge bzw eine Beweisaufnahme von Amts wegen dürfen prinzipiell nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder ein Beweismittel untauglich bzw an sich nicht geeignet ist, über den erheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern. Solange einem Beweis die grundsätzliche Eignung, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, nicht abgesprochen werden kann, darf von seiner Aufnahme nicht ohne Weiteres abgesehen werden. IV. Nach § 24 VwGVG hat das LVwG auch ohne Antrag einer Verfahrenspartei eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält. Die Abhaltung der Verhandlung steht dabei nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des LVwG.
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Entscheidungsdatum: 26.07.2021
Aufbereitet am: 03.05.2022
2488
Studentenverfahren: Privatuniversität muss nach österreichischem Recht akkreditiert sein
Leitsätze
Die Absolvierung eines Studiums an einer ausländischen Privatuniversität, die nicht nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften akkreditiert ist, erfüllt nicht die Voraussetzung des § 64 Abs 1 Z 2 NAG.
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Entscheidungsdatum: 07.07.2021
Aufbereitet am: 02.05.2022
2487
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter
Leitsätze
Die Beschwerdeführer werden durch die Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
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Entscheidungsdatum: 06.10.2021
Aufbereitet am: 29.04.2022
2486
Verweigerung einer Geburtsurkunde für einen Unionsbürger mit gleichgeschlechtlichen Eltern
Leitsätze
I. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist gemäß Völkerrecht zwar Sache der Nationalstaaten, die Mitgliedstaaten der EU haben aber in Situationen, die unter das Unionsrecht fallen, in ihren diesbezüglichen Vorschriften auch dieses zu beachten. II. Ein Unionsbürger kann sich auf das der Unionsbürgerschaft entspringende Recht auf Freizügigkeit (Art 21 Abs 1 AEUV) auch dann berufen, wenn er im Aufnahmemitgliedstaat seines unionsbürgerlichen Elternteils geboren wurde. III. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihren Bürgern einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen (Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG), dient der Erleichterung der Inanspruchnahme von deren Freizügigkeitsrecht. Diese mitgliedstaatliche Verpflichtung greift unabhängig davon, ob für den betreffenden Unionsbürger eine Geburtsurkunde ausgestellt wird oder nicht. IV. Es zählt zu den von Art 21 Abs 1 AEUV gewährten Rechten, in den Herkunftsmitgliedstaat zurückzukehren und dort ein Familienleben durch Zusammenleben mit den Familienangehörigen zu führen (ebenso im Aufnahmemitgliedstaat). Auch die Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers sind also mit einem Dokument auszustatten, in dem sie als zur Reise mit dem Unionsbürger angeführt sind. V. Um den genannten Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsrecht (III. und IV.) gerecht zu werden, müssen die Mitgliedstaaten auch ein Abstammungsverhältnis anerkennen, das von einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig festgestellt wurde, auch wenn sie es in ihrem eigenen Recht nicht vorsehen (etwa die Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares). VI. Die Verweigerung der unter V. genannten Verpflichtung (die Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares anzuerkennen) kann ein Mitgliedstaat nicht auf Art 4 Abs 2 EUV ("nationale Identität", "öffentliche Ordnung" stützen). VII. Die Rechtfertigung von nationalen Maßnahmen, die das Freizügigkeitsrecht zu beschränken geeignet sind, scheitert immer dann, wenn diese Maßnahmen mit der GRC unvereinbar sind. VIII. Es ist für die rechtliche Tragweite der genannten Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsrecht (III. und IV.) ohne Bedeutung, wenn ein Elternteil des Unionsbürgers britischer Staatsangehöriger ist und dass Großbritannien der EU nicht mehr angehört.
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Entscheidungsdatum: 14.12.2021
Aufbereitet am: 28.04.2022
2485
Neuerlich zur amtswegigen Wiederaufnahme von Aufenthaltstitelverfahren wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe
Leitsätze
I. Der Umstand bereits zuvor vorhandener, jedoch trotz durchgeführter Ermittlungen vorläufig nicht bestätigter Verdachtsmomente hinsichtlich des Eingehens einer Aufenthaltsehe steht einer späteren Wiederaufnahme wegen "Erschleichen" gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen nicht entgegen. II. Die Wiederaufnahme wegen "Erschleichen" ist dann ausgeschlossen, wenn die Behörde die ihr mögliche Sachverhaltsermittlung hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unterlässt. Die diesbezügliche Beurteilung setzt freilich voraus, dass die Partei konkret aufzeigt, inwiefern dem betreffenden Verfahren ein Ermittlungsmangel hinsichtlich des Verdachtes des Vorliegens einer Aufenthaltsehe anhaftet. III. Im Hinblick auf § 69 AVG muss die Behörde die Wiederaufnahme nicht binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einleiten. § 69 Abs 3 AVG bindet nämlich die Behörde ausdrücklich nur an die Bedingungen des Abs 1, sodass klar ist, dass die im Abs 2 gesetzte Fallfrist nur für die Parteien gilt, welche einen Wiederaufnahmeabspruch geltend machen wollen. Die 14-tägige subjektive Frist des § 69 Abs 2 AVG ist daher für eine von Amts wegen verfügte Wiederaufnahme ohne Bedeutung.
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Entscheidungsdatum: 14.07.2021
Aufbereitet am: 27.04.2022
2484
Ausweisung eines an paranoider Schizophrenie leidenden Türken wegen Begehung einer Straftat ohne Berücksichtigung des mittlerweile eingetretenen Behandlungserfolgs
Leitsätze
I. Art 3 EMRK steht der Ausweisung einer schwer kranken Person nur entgegen, wenn "sehr außergewöhnliche Umstände" bestehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass die betroffene Person, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder dem fehlenden Zugang zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. II. Die innerstaatlichen Behörden werden durch Art 3 EMRK dazu verpflichtet, angemessene Verfahren einzurichten, die eine Prüfung der Befürchtungen einer ausgewiesenen Person sowie eine Einschätzung der Risiken, die sie im Fall der Abschiebung in ihrem Empfangsstaat erwarten, erlauben. III. Diese Standards gelten gleichermaßen im Hinblick auf alle schwer kranken Personen, ungeachtet dessen, ob sie an einer physischen oder einer psychischen Erkrankung leiden. IV. Die Ausweisung des an paranoider Schizophrenie leidenden Beschwerdeführers verstößt im vorliegenden Fall nicht gegen Art 3 EMRK, weil in der Türkei eine Behandlung verfügbar ist und selbst deren Abbruch nicht zu einer schweren und unwiederbringlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands im oben beschriebenen Sinn (siehe I.) führen würde. V. Wird die Ausweisung eines psychisch kranken Straftäters beträchtliche Zeit nach der Tatbegehung überprüft, so muss dabei eine neuerliche Interessenabwägung im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorgenommen werden. Dabei ist insb zu berücksichtigen, wie sich die mittlerweile erfolgte Behandlung ausgewirkt hat und ob trotz der dadurch erzielten Fortschritte weiterhin von einer Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen werden muss.
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Entscheidungsdatum: 07.12.2021
Aufbereitet am: 26.04.2022
2483
Eine aktuell besonders volatile und unsichere Situation im Herkunftsland kann zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter führen
Leitsätze
I. Die allgemein herrschende (schlechte) Sicherheitslage kann iVm Versorgungsengpässen und willkürlichen Gewaltsituationen, unabhängig von der individuellen Lebenssituation, zu einer Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bedeuten. II. Einer Person ist es im Fall einer derartigen Lage im Herkunftsland nicht möglich dorthin zurückzukehren, da die grundlegenden und lebensnotwendigen Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft nicht befriedigt werden können, ohne dadurch eine ausweglose bzw existenzbedrohende Situation herbeizuführen.
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Entscheidungsdatum: 13.10.2021
Aufbereitet am: 25.04.2022
2482
Zur innerstaatlichen Fluchtalternative
Leitsätze
I. Wird das Vorliegen einer Bedrohungssituation behauptet, ist zu prüfen, ob diese im gesamten Staatsgebiet zu befürchten ist oder ob sich eine Verfolgung nur auf einzelne Teile des Landes beschränkt und somit eine innerstaatliche Fluchtalternative vorhanden ist. II. Im Hinblick auf eine innerstaatliche Fluchtalternative ist festzuhalten, dass es insb einer ledigen, kinderlosen und gesunden Person zumutbar und möglich sein wird, sich in einem anderen Landesteil ihres Herkunftsstaats niederzulassen und sich dort eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Entscheidungsdatum: 08.07.2021
Aufbereitet am: 22.04.2022