Leitsätze
2318
Gesicherter Lebensunterhalt - Prüfung der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft
Leitsätze
Bei der Prüfung des gesicherten Unterhalts iSd § 10 Abs 1 Z 7 StbG iVm § 10 Abs 5 StbG ist darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhältnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des § 10 Abs 5 StbG entsprechen.
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Entscheidungsdatum: 23.02.2021
Aufbereitet am: 05.07.2021
2317
Ausweisung eines Tschetschenen aus Frankreich nach Aberkennung seines Flüchtlingsstatus aufgrund von Verurteilung wegen Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung
Leitsätze
I. Es ist angesichts der vom Terrorismus ausgehenden Gefahr für die Bevölkerung legitim, wenn die Staaten mit großer Entschlossenheit gegen diejenigen vorgehen, die sich an terroristischen Handlungen beteiligen. II. Der durch Art 3 EMRK garantierte Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung schützt vor einer Abschiebung in einen Staat, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme einer realen Gefahr einer solchen Behandlung im Fall der Rückkehr der betroffenen Person bestehen. Dieser Schutz vor Refoulement gilt absolut und unabhängig von einer Beteiligung der betroffenen Person an terroristischen Straftaten. Ihre Beteiligung daran ist daher für die Anwendung von Art 3 EMRK nicht relevant. III. Die allgemeine Lage in Tschetschenien ist nicht derart gravierend, dass sie jeder Abschiebung dorthin entgegenstehen würde. Der von Art 3 EMRK gewährte Schutz kommt jedoch zum Tragen, wenn individuelle Gründe für die Annahme einer Misshandlungsgefahr bestehen. IV. Da es für Asylwerber schwierig sein kann, Beweise über ihre Verfolgung vorzulegen, kann es geboten sein, im Zweifel ihrem Vorbringen Glauben zu schenken. V. Die Aberkennung des Flüchtlingsstatus wegen einer schweren nicht politischen Straftat bewirkt nicht auch den Wegfall der Flüchtlingseigenschaft. Daher muss in einem solchen Fall vor einer Ausweisung eine sorgfältige und umfassende Prüfung dahingehend stattfinden, ob der betroffenen Person im Fall ihrer Rückkehr eine reale Gefahr einer mit Art 3 EMRK unvereinbaren Behandlung droht. Die Unterlassung einer solchen Prüfung begründet eine Verletzung des verfahrensrechtlichen Aspekts von Art 3 EMRK.
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Entscheidungsdatum: 15.04.2021
Aufbereitet am: 02.07.2021
2316
Zur zeitlichen Anwendbarkeit des Art 33 Abs 2 RL 2013/32/EU und zu dessen Verhältnis zum Dublin-System
Leitsätze
I. Art 52 Abs 1 RL 2013/32/EU gestattet den Mitgliedstaaten eine Anwendung (der RL 2013/32/EU [VerfahrensRL]) auch auf Asylanträge, die vor dem 20.7.2015 gestellt wurden, verpflichtet aber nicht dazu. II. Die oben (I) genannte Ermächtigung erstreckt sich aber nicht auf Sachverhalte, die nach Art 49 Dublin III-VO noch vollständig in den Geltungsbereich der Dublin II-VO (343/2003) fallen. III. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Art 33 Abs 2 RL 2013/32/EU als unzulässig ablehnen, ohne dass sie vorrangig auf die von der Dublin III-VO (604/2013) vorgesehenen Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren zurückgreifen müssen. IV. Ein geringeres Niveau an sozialer Unterstützung im Mitgliedstaat, wo einem Antragsteller bereits subsidiärer Schutz gewährt wurde, als im Mitgliedstaat der Antragstellung reicht nicht aus, um die "Refoulement"-relevante Schwelle des Art 3 EMRK/Art 4 GRC zu erfüllen, es sei denn, diese Diskrepanz führt dazu, dass der Antragsteller seine elementarsten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen kann. V. Verweigert ein Mitgliedstaat systematisch entgegen Art 13 RL 2011/95/EU die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und gewährt stattdessen bloß subsidiären Schutz, so begründet dies eine Verletzung von Art 18 GRC. VI. Der in Punkt V genannte Rechtsverstoß ist nicht "Refoulement"-relevant: Er hindert den Mitgliedstaat der nunmehrigen Antragstellung nicht an einer Erklärung des Asylantrags als unzulässig. Vielmehr führt der Verstoß dazu, dass der Mitgliedstaat, der bloß subsidiären Schutz gewährt hat, das Verfahren zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wieder aufnehmen muss.
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Entscheidungsdatum: 19.03.2019
Aufbereitet am: 01.07.2021
2315
Keine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak; Situation von Kindern im Irak
Leitsätze
I. Im Irak gibt es keine asylrelevante Gruppenverfolgung in Bezug auf die islamisch-sunnitische Minderheit. II. Für die Beurteilung der subsidiären Schutzwürdigkeit von Antragstellern auf internationalen Schutz ist es besonders zu berücksichtigen, wenn diese einer vulnerablen Gruppe iSd Definition des Art 21 RL 2013/33/EU angehören. III. Kinder sind im Irak besonderen Gefahren ausgesetzt (Unterernährung, Fehlen an Bildungseinrichtungen, Zwangsrekrutierung durch viele bewaffnete Akteure inklusive der staatlichen Sicherheitskräfte), deren Eintritt der Staat nicht effektiv abwenden kann. Ihnen droht daher bei einer Rückführung in den Irak in aller Regel eine Verletzung des Art 3 EMRK. In diesem Regelfall ist Kindern subsidiärer Schutz gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen. IV. Haben die Eltern von irakischen Kindern ebenso Anträge auf internationalen Schutz gestellt (Familienverfahren), so ist der den Kindern zu gewährende subsidiäre Schutzstatus gemäß § 34 Abs 4 AsylG auch auf deren Eltern zu erstrecken, wenn keine der Negativvoraussetzungen des Abs 3 leg cit vorliegen.
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Entscheidungsdatum: 02.02.2021
Aufbereitet am: 30.06.2021
2314
Zu den Anforderungen an eine Interessenabwägung bei einer in das Privat- und Familienleben eingreifenden Ausweisung
Leitsätze
I. Für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern müssen besondere Elemente einer Abhängigkeit vorliegen, die über das normale Maß der emotionalen Bindung hinausgehen. Solche Elemente liegen etwa dann vor, wenn ein Elternteil aus gesundheitlichen Gründen auf die finanzielle und praktische Unterstützung seiner volljährigen Kinder, in deren Haushalt er lebt, angewiesen ist. Das Vorliegen eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses wird nicht durch die Tatsache in Frage gestellt, dass die Kinder ihren Elternteil auch durch Geldüberweisungen ins Ausland unterstützen könnten. II. Wenn eine Ausweisung in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreift, muss die innerstaatliche Behörde eine sorgfältige Interessenabwägung anhand der vom EGMR entwickelten Kriterien vornehmen und begründen, warum das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegt als das persönliche Interesse des betroffenen Fremden an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens. Wenn eine solche begründete und nachvollziebare Interessenabwägung unterblieben ist, kann der EGMR nicht unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip davon ausgehen, dass die Behörden innerhalb ihres Ermessensspielraums eine angemessene Entscheidung getroffen haben. III. Auch eine mehr als zehn Jahre zurückliegende Vergewaltigung kann ein legitimes öffentliches Interesse an einer Ausweisung begründen. Allerdings müssen die Behörden die Entwicklung des Verhaltens des Betroffenen seit der Tat berücksichtigen. Auch eine inzwischen eingetretene Invalidität muss im Hinblick auf eine dadurch möglicherweise verursachte Herabsetzung der Gefährlichkeit beachtet werden.
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Entscheidungsdatum: 09.04.2019
Aufbereitet am: 29.06.2021
2313
Rechtskraftwirkung von Bescheiden steht der Aberkennung des subsidiären Schutzstatus mangels wesentlicher Änderung des Sachverhalts entgegen
Leitsätze
I. Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden ist es nicht zulässig, die Aberkennung nach § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat. II. Diese Bestimmung erlaubt keine Neubewertung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts, sondern kommt eine Aberkennung nur dann in Frage, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus maßgeblich geändert haben.
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Entscheidungsdatum: 24.11.2020
Aufbereitet am: 28.06.2021
2312
Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft aufgrund fehlender Berücksichtigung der Ergebnisse der Erstbefragung in einem Aktenvermerk gemäß § 76 Abs 6 FPG
Leitsätze
I. Entspricht ein Aktenvermerk nach § 76 Abs 6 FPG nicht den entsprechenden Kriterien und wird nach dem Ergebnis der Erstbefragung (in Bezug auf einen Asylfolgeantrag) kein neuer Aktenvermerk angefertigt, so kann sich die zugrundeliegende Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig erweisen. II. Lässt sich eine in Schubhaft befindliche Person mit der Stellung eines Asylfolgeantrags einige Wochen (hier: knapp einen ganzen Monat) Zeit, so kann die ausschließliche Verzögerungsabsicht der Folgeantragstellung indiziert werden. III. Das Vorliegen eines gewissen Sicherungsbedarfs zeigt sich zB in einer Mittellosigkeit und Unmöglichkeit der Aufnahme einer regulären, den Unterhalt sichernden legalen Beschäftigung sowie in unklaren Wohnverhältnissen nach der Entlassung aus der Strafhaft.
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Entscheidungsdatum: 06.10.2020
Aufbereitet am: 25.06.2021
2311
Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Abschiebung bei besonderer Verdichtung der persönlichen Interessen in Österreich
Leitsätze
Soweit eine besondere Verdichtung der persönlichen Interessen in Österreich besteht, sodass bereits von außergewöhnlichen Umständen gesprochen werden kann, ist bei Überwiegen der persönlichen vor öffentlichen Interessen im Falle der Ausweisung von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben nach Art 8 EMRK auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 21.12.2020
Aufbereitet am: 24.06.2021
2310
Verweis auf geänderte Judikatur für Statusaberkennung allein nicht ausreichend
Leitsätze
I. Der Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus verlangt eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts. II. Ob man denselben Sachverhalt bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich hätte anders beurteilen können, ist ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen.
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Entscheidungsdatum: 21.12.2020
Aufbereitet am: 23.06.2021
2309
Zur maßgeblichen Änderung der Umstände bei Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Leitsätze
I. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer nicht besonders qualifizierten Form der Suchtgiftdelinquenz ohne weitere darauffolgende Anzeigen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die betroffene Person eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. II. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des gegenständlichen Status nicht mehr vorliegen. Treten neue Umstände hinzu, die den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuwiderlaufen könnten, so ist eine neue Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. War etwa die Minderjährigkeit bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschlaggebend, so stellt das Erreichen der Volljährigkeit keine maßgebliche Änderung der Umstände dar.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2020
Aufbereitet am: 22.06.2021
2308
Keine Abschiebung bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vor Entscheidung des BVwG oder Rechtskraft
Leitsätze
I. Bei Drittstaatsangehörigen darf eine Abschiebung aufgrund einer Rückkehrentscheidung nur dann erfolgen, wenn die Rückkehrentscheidung rechtskräftig ist oder das BVwG die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bestätigt hat. II. Auch ohne asylrechtlichen Kontext ist bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtsmittelfrist und bei Beschwerde die Entscheidung des BVwG über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten.
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Entscheidungsdatum: 05.03.2021
Aufbereitet am: 21.06.2021
2307
Vorbringen von nach Erhebung des Rechtsbehelfs gegen Dublin III-Überstellungsentscheidungen eingetretenen Tatsachen
Leitsätze
I. Der EuGH hat im System des Art 267 AEUV (Vorabentscheidungsverfahren) von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen, ebenso von der Rechtsauslegung relevanten nationalen Rechts durch dieses Gericht. Somit kann die Prüfung der Vorlagefrage nicht anhand der Rechtsauslegung der Regierung des betreffenden Mitgliedstaats erfolgen. II. Die Einreise des Bruders eines Antragstellers in denselben Mitgliedstaat nach Ergehen einer asylbehördlichen Zurückweisungsentscheidung nach der Dublin III-VO (604/2013) (Überstellungsentscheidung) gegen den Antragsteller kann die nunmehrige Anwendung des Art 10 Dublin III-VO "nicht rechtfertigen". III. Um die rechtsrichtige Anwendung der Dublin III-VO (604/2013) zu gewährleisten, müssen auch entscheidungserhebliche Tatsachen geltend gemacht werden können, die erst nach einer asylbehördlichen Überstellungsentscheidung eintreten. IV. Punkt III kann etwa im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens iSd Art 27 Dublin III-VO erfüllt werden. V. Punkt III kann aber auch im Rahmen eines speziellen Rechtsbehelfs, unabhängig von jenem des Art 27 Dublin III-VO, erfüllt werden (Art 27 Dublin III-VO unterscheidet sich insoweit von Rechtsbehelfen iSd Art 46 Abs 3 RL 2013/32/EU, die dezidiert eine Entscheidung ex nunc bewirken müssen): Die Ausgestaltung eines solchen speziellen Rechtsbehelfs fällt zwar in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, wird aber durch Art 47 GRC, den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz determiniert. Seine Erhebung darf daher nicht von der Tatsache abhängig gemacht werden, dass dem betreffenden Antragsteller die Freiheit entzogen wurde oder die Durchführung der betreffenden Überstellungsentscheidung unmittelbar bevorsteht.
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Entscheidungsdatum: 15.04.2021
Aufbereitet am: 18.06.2021
2306
Keine Art 3 EMRK-Widrigkeit von Dublinüberstellungen nach Rumänien
Leitsätze
I. In Griechenland bestehen nach wie vor systematische Mängel im Asylwesen iSd Art 3 Abs 2 Dublin III-VO, sodass dieser Mitgliedstaat bei der Zuständigkeitsbestimmung nach dem Kapitel III leg cit nicht zu berücksichtigen ist. II. In Rumänien bestehen keine derartigen systematischen, mit Blick auf Art 3 EMRK relevanten Mängel, die einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat gemäß Art 18 Abs 1 lit b Dublin III-VO entgegenstehen. Dies gilt insb hinsichtlich der medizinischen Versorgung von Asylsuchenden. Auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ändern nichts an dieser rechtlichen Beurteilung. III. Der Umstand, dass die Europäische Kommission noch kein Vertragsverletzungsverfahren (Art 258 AEUV) gegen einen Mitgliedstaat angestrengt hat, ist ein wichtiger Indikator dafür, dass in diesem Mitgliedstaat die Standards der Flüchtlingsversorgung nicht massiv (und im Lichte von Art 3 EMRK relevant) unterschritten werden. IV. Eine zu befürchtende Art 3 EMRK-Verletzung durch eine Überstellung in einen Mitgliedstaat resultiert nicht daraus, dass der Asylwerber durch Organe dieses Mitgliedstaats zur Abgabe von Fingerabdrücken (für EURODAC) gezwungen worden war: Denn dabei handelt es sich um eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, die insb zur Wahrung der Sicherheit der Mitgliedstaaten notwendig ist und somit einen zumutbaren Eingriff darstellt, wie er auch in Österreich erfolgen würde.
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Entscheidungsdatum: 01.12.2020
Aufbereitet am: 17.06.2021
2305
Erhalt der Selbstständigeneigenschaft für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht auch bei schwangerschaftsbedingter kurzfristiger Unterbrechung der Tätigkeit
Leitsätze
I. Eine in einem anderen Mitgliedstaat aufhältige und dort selbstständig erwerbstätige Unionsbürgerin behält diese Eigenschaft iSd Art 7 Abs 3 RL 2004/38/EG auch dann, wenn sie in der Spätphase der Schwangerschaft diese Tätigkeit unterbricht und nach einer angemessenen Zeitspanne nach der Geburt die Tätigkeit wieder aufnimmt. II. Die zu Art 45 AEUV ergangene Rsp zu Arbeitnehmerinnen in einer vergleichbaren Situation (vor allem EuGH 19.6.2014, C-507/12 [Saint Prix] ECLI:EU:C:2014:2007) ist auf Selbstständige iSd Art 49 AEUV vollumfänglich übertragbar.
Entscheidungsdatum: 19.09.2019
Aufbereitet am: 16.06.2021
2304
Unzulässigkeit der Schubhaft wegen Aussichtslosigkeit der Erlangung von Heimreisezertifikaten in Bezug auf Somalia
Leitsätze
I. Eine auf § 76 Abs 2 Z 1 FPG gestützte Schubhaft darf nur dann verhängt werden, wenn das in dieser Bestimmung genannte Sicherungsverfahren auch in eine Abschiebung münden kann, der Sicherungszweck also erreichbar ist. II. Sind dem BFA unüberwindbare Hindernisse bei der Erreichung einer Abschiebung in Bezug auf den Herkunftsstaat bekannt, so darf eine Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 1 FPG von vornherein nicht verhängt werden. III. Hindernisse iSd Punktes II bestehen aktuell in Bezug auf Somalia, dessen Vertretungsbehörden für die Jahre 2019 und 2020 überhaupt keine Heimreisezertifikate ausgestellt haben. IV. In Fällen der a priori bestehenden Unerreichbarkeit des Sicherungszwecks hat das BVwG gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG bei der Absprache über Beschwerden nach Abs 1 leg cit auch die Feststellung auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen.
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Entscheidungsdatum: 02.12.2020
Aufbereitet am: 15.06.2021
2303
Ausweisung eines in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Spaniers nach Verurteilung wegen Sexualdelikten
Leitsätze
I. In Fällen einer Ausweisung eines kinderlosen Erwachsenen, der sich in erster Linie auf seine Integration im Gaststaat beruft, sind folgende Kriterien zu berücksichtigen: der Charakter und die Schwere der von ihm begangenen Straftat; die Aufenthaltsdauer; die Zeit, die seit der Straftat vergangen ist und sein Verhalten während dieses Zeitraums sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gast- und zum Zielstaat. II. Wenn ein Fremder sein gesamtes Leben im Gaststaat verbracht hat, müssen zur Rechtfertigung seiner Ausweisung schwerwiegende Gründe vorgebracht werden. Dies gilt insb, wenn die Straftaten als Jugendlicher begangen wurden. III. Eine Bestimmung, wonach in "Härtefällen" von einer Ausweisung abzusehen ist, entspricht den Vorgaben der Konvention, wenn sie iSd Gebots einer Interessenabwägung ausgelegt werden kann. IV. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die innerstaatlichen Gerichte nach Durchführung einer Interessenabwägung die Ausweisung eines von Geburt an im Gaststaat aufgewachsenen Fremden für verhältnismäßig halten, der sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht hat und bei dem von einem hohen Rückfallsrisiko ausgegangen werden kann.
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Entscheidungsdatum: 08.12.2020
Aufbereitet am: 14.06.2021
2302
Ausweisung eines in der Schweiz geborenen Spaniers nach Verurteilung zu 30 Monaten Freiheitsstrafe wegen sexuellem Missbrauch einer Minderjährigen
Leitsätze
I. Es steht den Mitgliedstaaten der EMRK frei, Fremde auszuweisen, die eine Straftat begangen haben. Solche Ausweisungen müssen jedoch den Anforderungen des Art 8 Abs 2 EMRK entsprechen. II. Bei der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung sind insb die folgenden Faktoren zu berücksichtigen: die Art und Schwere der begangenen Straftaten; die Dauer des Aufenthalts des Fremden im Gaststaat; die seit der Tatbegehung vergangene Zeit und das Verhalten des Fremden in dieser Zeit; die Nationalität der betroffenen Personen; die familiäre Situation des ausgewiesenen Fremden; gegebenenfalls das Wohl der Kinder und die Schwierigkeiten, mit denen sie im Herkunftsland des ausgewiesenen Elternteils konfrontiert wären; sowie das Bestehen der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Herkunftsstaat. III. Die Ausweisung eines niedergelassenen Migranten, der den größten Teil seines Lebens im Gaststaat verbracht hat, kann nur durch sehr schwerwiegende Gründe gerechtfertigt werden. Die innerstaatlichen Gerichte müssen ihre Entscheidung detailliert begründen, damit der EGMR die ihm zustehende Überprüfung vornehmen kann. IV. Der EGMR akzeptiert idR die Entscheidung der innerstaatlichen Instanzen, wenn diese die persönliche Situation des Beschwerdeführers gründlich untersucht und die widerstreitenden Interessen anhand der vom EGMR entwickelten Kriterien sorgfältig gegeneinander abgewogen haben. Im Gegensatz dazu ist eine unzureichende Begründung durch die innerstaatlichen Gerichte nicht mit Art 8 EMRK vereinbar. V. Der mehrere Monate lang andauernde sexuelle Missbrauch einer Minderjährigen kann als sehr schwerwiegender Faktor berücksichtigt werden, der für eine Ausweisung spricht. Dies gilt umso mehr, wenn konkrete Hinweise auf eine Rückfallgefahr bestehen. Dieser Umstand kann die Ausweisung eines im Gaststaat geborenen und aufgewachsenen Spaniers, der über gewisse Bindungen zu Spanien verfügt und Spanisch spricht, rechtfertigen.
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Entscheidungsdatum: 22.12.2020
Aufbereitet am: 11.06.2021
2301
Besonders strenger Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 Satz 5 FPG auch bei mehrfach bestrafter Gewalt gegen Frauen nicht erfüllt
Leitsätze
I. Eine Beschwerde gegen die auf § 18 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist, weil dies gemäß Abs 5 leg cit ohnehin amtswegig zu überprüfen ist, als unzulässig zurückzuweisen. II. Auf EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige, die bereits zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig sind, kommt bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 Satz 5 FPG zur Anwendung: Damit die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Betroffenen im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde, müssen zur Gefährdungsprognose in solchen Fällen "besonders schwerwiegende Merkmale" hinzutreten. III. Auch fünf strafgerichtliche Verurteilungen wegen Gewalt gegen Frauen inklusive teils schweren Körperverletzungen sowie mehrere Verwaltungsübertretungen (Lenken eines Kraftfahrzeugs trotz entzogener Lenkerberechtigung) vermögen den strengen Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 Satz 5 FPG nicht zu erfüllen. Daran ändert auch ein Hinzukommen eines festgestellten, aber noch nicht abgeurteilten Suchtmittelkonsums nichts, wenn sich daraus kein "bandenmäßiges" Handeln mit solchen Substanzen schließen lässt. IV. Abwägungsentscheidungen sind Einzelfallentscheidungen (dazu zählt sinngemäß auch die Gefährdungsprognose) und damit im Allgemein nicht revisibel iSd Art 133 Abs 4 B-VG, sodass die Revision an den VwGH vom BVwG nicht zuzulassen ist (§ 25a Abs 1 VwGG).
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Entscheidungsdatum: 02.12.2020
Aufbereitet am: 10.06.2021
2300
Berücksichtigung des Kindeswohls auch bei Entscheidungen, die nicht direkt an das Kind adressiert sind
Leitsätze
I. Den Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens (Art 267 AEUV) können nur die nationalen Gerichte konstituieren, sodass es einzig auf deren Vorlagefragen, nicht aber auf das Vorbringen der Parteien des Ausgangsverfahrens ankommt. II. Den Mitgliedstaaten erwächst in fremdenrechtlicher Hinsicht aus Art 20 AEUV bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen einem Unionsbürger und einem Drittstaatsangehörigen die Pflicht, Letzterem einen Aufenthaltstitel zu gewähren, wenn der Unionsbürger ansonsten gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen. III. Für das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses iSd Punktes II kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an, bei Kindern insb auf deren Alter, die körperliche und emotionale Entwicklung, den Grad der affektiven Bindung an beide Elternteile und auf das Risiko, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre. IV. Der EuGH hält an seiner Judikatur fest, wonach die Kindeswohlklausel des Art 5 lit a RL 2008/115/EG auch dann zum Tragen kommt, wenn sich eine Rückkehrentscheidung gegen die Eltern richtet. Dies ergibt sich neben dem Normzweck und der Gesamtsystematik der RL auch aus der primärrechtlichen Determinante des Art 24 Abs 2 GRC und deren Auslegung in Übereinstimmung mit Art 3 Abs 1 UN-Kinderrechtsübereinkommen.
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Entscheidungsdatum: 11.03.2021
Aufbereitet am: 09.06.2021
2299
Rechtswidrige Anhaltung in Schubhaft aufgrund eines Nichtbescheides
Leitsätze
I. Eine Anhaltung in Schubhaft ist für rechtswidrig zu erklären, wenn sich diese auf einen Nichtbescheid stützt. Entspricht ein Schubhaftbescheid nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 18 Abs 4 AVG, so ist dieser absolut nichtig. Folglich mangelt es einer Anhaltung in Schubhaft an ihrer Rechtsgrundlage. II. Handelt es sich bei einem Schubhaftbescheid aufgrund fehlender Formalerfordernisse (bspw aufgrund eines Widerspruchs zu den Vorgaben des § 18 Abs 4 AVG) um einen Nichtbescheid, so ist eine dagegen erhobene Beschwerde mangels wirksamer Erlassung des Bescheids zurückzuweisen, einer Beschwerde gegen den Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (in Form einer Anhaltung in Schubhaft) ist aber folglich mangels Rechtsgrundlage für den Zwangsakt stattzugeben.
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Entscheidungsdatum: 10.09.2020
Aufbereitet am: 08.06.2021