Leitsätze
1678
Ausweisung wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit unter Missachtung der verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen
Leitsätze
I. Die in Art 1 7. ZPEMRK vorgesehenen Garantien sind auf die Ausweisung von Fremden anwendbar, die sich rechtmäßig auf dem Gebiet eines Staates aufhalten, der dieses Protokoll ratifiziert hat. II. Eine vollstreckbare Entscheidung, die den Asylstatus einer Person widerruft und sie zur Ausreise verpflichtet, ist als Ausweisungsmaßnahme iSv Art 1 7. ZPMRK anzusehen. III. Art 1 7. ZPEMRK garantiert, dass eine Ausweisung "nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung" erfolgt. Der Ausdruck "rechtmäßig" betrifft nicht nur das Bestehen einer rechtlichen Grundlage im innerstaatlichen Recht, sondern auch die Qualität des fraglichen Rechts: Es muss zugänglich und vorhersehbar sein und auch ein gewisses Maß an Schutz gegen willkürliche Eingriffe in die Konventionsrechte durch die Behörden gewähren. Die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit gehen nicht so weit, dass die Staaten Rechtsvorschriften erlassen müssten, in denen im Detail jedes Verhalten aufgelistet wird, das eine Ausweisung aus Gründen der nationalen Sicherheit nach sich ziehen kann. Allerdings verlangt die Rechtsstaatlichkeit in einer demokratischen Gesellschaft selbst dann, wenn die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht, dass grundlegende Menschenrechte berührende Ausweisungsentscheidungen einer Form von zweiseitigem Verfahren vor einer unabhängigen Behörde oder einem Gericht unterworfen sein müssen, um die Gründe für sie effektiv zu prüfen und die einschlägigen Beweise zu bewerten – wenn nötig unter angemessenen verfahrensrechtlichen Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung von klassifiziertem Material. Der Einzelne muss in der Lage sein, die Behauptung der Exekutive zu bestreiten, die nationale Sicherheit stehe auf dem Spiel. IV. Es verstößt gegen Art 1 7.ZPEMRK, wenn eine Fremde unter Berufung auf eine als geheim eingestufte Mitteilung des Geheimdienstes mit der Begründung ausgewiesen wird, ihre Anwesenheit gefährde die nationale Sicherheit, ohne dass näher angegeben wird, worauf sich diese Annahme stützt und ohne dass der Betroffenen eine Gelegenheit eingeräumt wird, dazu Stellung zu nehmen.
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Entscheidungsdatum: 17.05.2018
Aufbereitet am: 30.05.2018
1677
Anhaltung in Schubhaft aufgrund einer nur mündlich mitgeteilten Entscheidung
Leitsätze
I. Art 5 Abs 1 lit f EMRK erlaubt die Freiheitsentziehung von Fremden, gegen die ein Ausweisungsverfahren anhängig ist. Diese Bestimmung verlangt nicht, dass die Anhaltung als notwendig anzusehen ist, etwa um die Flucht zu verhindern. Es reicht aus, dass ein Ausweisungsverfahren im Gange ist. Außerdem muss die Anhaltung eine Grundlage im innerstaatlichen Recht haben. II. Art 5 Abs 4 EMRK verlangt, dass eine Freiheitsentziehung mit einem effektiven Rechtsmittel bekämpft werden kann. III. Es kann eine Verletzung von Art 8 EMRK vorliegen, wenn ein Fremder aus einem Land ausgewiesen wird, wo seine engen Familienangehörigen leben. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur, wenn diese Familienmitglieder sich rechtmäßig aufhalten oder wenn es ausnahmsweise gute Gründe gibt, warum sie der betroffenen Person nicht folgen können. Wenn sich die Ehefrau des betroffenen Fremden wie im vorliegenden Fall schon seit längerem unrechtmäßig aufhält und es zudem keine Gründe gibt, die gegen eine Rückkehr in das gemeinsame Herkunftsland sprechen, kann die Ausweisung keine Verletzung von Art 8 EMRK begründen. IV. Art 1 7. ZPMRK ist nur auf Fremde anwendbar, die sich rechtmäßig im betroffenen Konventionsstaat aufhalten. Der Begriff "rechtmäßig" bezieht sich dabei auf das innerstaatliche Recht des betroffenen Staates, das demnach festzulegen hat, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthalt als rechtmäßig anzusehen ist.
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Entscheidungsdatum: 19.06.2018
Aufbereitet am: 29.05.2018
1676
Fehlende Echtheitsbestätigung des Heimreisezertifikates
Leitsätze
I. Bei der Nichtbeschaffung der erforderlichen Echtheitsbestätigung des Heimreisezertifikates durch das BFA ist eine geplante Abschiebung von vornherein aussichtslos. Eine Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung dieser nicht durchführbaren Abschiebung gilt als unverhältnismäßig. II. Dem BFA ist ein gewisser Zeitraum für das Verfassen des Schubhaftbescheides und die Bestellung des Rechtsberaters zur Zustellung des Bescheides einzuräumen. Dass dem Beschwerdeführer der Schubhaftbescheid vom 18.7.2017 nach Ende der Nachtstunden am 19.7.2017 um 6:00 Uhr jedoch immer noch nicht zugestellt wurde, macht die Dauer der weiteren Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis zur tatsächlichen Zustellung des Schubhaftbescheides unverhältnismäßig.
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Entscheidungsdatum: 14.12.2017
Aufbereitet am: 28.05.2018
1675
Einvernahme Minderjähriger nur in Anwesenheit der gesetzlichen Vertretung
Leitsätze
I. Aus § 10 Abs 3 BFA-VG ergibt sich lediglich eine eingeschränkte Prozessfähigkeit. Aus dem Postulat des § 21 ABGB, dass Minderjährige unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, ist zu schließen, dass die Einvernahme vor der Behörde die volle Prozessfähigkeit voraussetzt und nicht nur die Fähigkeit, Handlungen zu seinem Vorteil setzen zu können. Stützt sich die Behörde auf die Aussagen des Minderjährigen, indem sie daraus vor dem Hintergrund der einschlägigen Länderberichte die notwendigen Schlussfolgerungen für die Zu- oder Aberkennung von internationalem Schutz zieht, wird der Voraussetzung der vollen Prozessfähigkeit ein noch höherer Bedeutungsgehalt zugemessen. Die gegenteilige Ansicht, nämlich die Irrelevanz der Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters bei der behördlichen Einvernahme, würde bedeuten, dass das Gericht den Schutz der Minderjährigen, wie es die Kinderrechtskonvention durch den Vorrang des Kindeswohles postuliert, außer Acht lässt und es zudem unterlassen würde, dass die gesetzliche Vertretung ihre Aufgaben wahrnehmen kann. II. Mangels Ladung und Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters bei der Einvernahme des zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführers unterlief der Behörde bei der Anwendung des § 19 Abs 2 AsylG 2005 und § 10 Abs 3 BFA-VG ein wesentlicher Verfahrensfehler.
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Entscheidungsdatum: 06.03.2018
Aufbereitet am: 24.05.2018
1674
Kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen bei begünstigten Drittstaatsangehörigen
Leitsätze
I. Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG 2005 nicht erlassen werden. II. Begünstigten Drittstaatsangehörigen kann gemäß § 54 Abs 5 AsylG 2005 kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - insb also auch nicht ein solcher nach § 55 AsylG 2005 - erteilt werden. III. Hinsichtlich begünstigter Drittstaatsangehöriger kommt eine Feststellung nach § 9 Abs 3 BFA-VG 2014, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Aufbereitet am: 22.05.2018
1673
Unbekämpfter Zurückverweisungsbeschluss im 2. Rechtsgang bindend
Leitsätze
I. Bleibt ein im ersten Rechtsgang ergangener Beschluss des VwG unbekämpft und gehört sohin unverändert dem Rechtsbestand an, so ist die Behörde im zweiten Rechtsgang gemäß § 28 Abs 3 letzter Satz VwGVG an die diesem Beschluss zugrunde liegende rechtliche Beurteilung gebunden. II. An diese Rechtsauffassung ist auch das VwG (bzw hernach der VwGH) gebunden, selbst wenn sie allenfalls rechtswidrig gewesen sein sollte.
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Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Aufbereitet am: 21.05.2018
1672
Kinderehen widersprechen dem ordre public
Leitsätze
Unabhängig von der Frage, ob bzw ab welchem Zeitpunkt die Eheschließung nach syrischem Recht Gültigkeit erlangen konnte, ist nach österreichischem Recht eine Ehe, die von einer 12-Jährigen bzw einer 15-Jährigen geschlossen wird, keinesfalls gültig, da es sich hierbei um eine Kinderehe handelt, die eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspricht. Es folgt aus § 6 IPRG, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene, in Syrien geschlossene Ehe - selbst wenn sie nach syrischem Recht Bestand haben sollte - hier keinen Rechtsbestand hat.
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Entscheidungsdatum: 01.03.2018
Aufbereitet am: 18.05.2018
1671
Asylantrag während anhängigen Beschwerdeverfahrens
Leitsätze
Wird ein (weiterer) Antrag auf internationalen Schutz während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens gestellt, so ist dieser gemäß § 17 Abs 8 AsylG 2005 als Beschwerdeergänzung zu behandeln. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 leg cit setzt demgegenüber voraus, dass der Fremde einen Folgeantrag gestellt hat, wobei ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 leg cit jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag ist.
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Entscheidungsdatum: 01.03.2018
Aufbereitet am: 16.05.2018
1670
Folgeanträge während des Beschwerdeverfahrens
Leitsätze
I. Über einen während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz ist nicht vom BFA zu entscheiden, sondern ein solcher ist vom BVwG im Rahmen des von ihm über dieselbe Frage geführten Beschwerdeverfahrens mitzubehandeln und mit der Beschwerde zu erledigen. II. § 21 Abs 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 stellt darauf ab, dass der Sachverhalt, der als Grundlage für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung zu dienen hat, noch nicht vollständig feststeht.
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Entscheidungsdatum: 19.10.2017
Aufbereitet am: 14.05.2018
1669
Zum unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht begünstigter Drittstaatsangehöriger trotz Ehescheidung
Leitsätze
I. Mit § 54 Abs 5 Z 4 NAG wurde Art 13 Abs 2 lit c der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) im nationalen Recht umgesetzt (vgl Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2009 RV 330 BlgNR 24. GP 52). II. Art 13 Abs 2 lit c RL 2004/38/EG sieht die Aufrechterhaltung des abgeleiteten Aufenthaltsrechts trotz Ehescheidung unter anderem in Fällen häuslicher Gewalt vor. Vor dem Hintergrund des in Art 13 Abs 2 lit c RL 2004/38/EG genannten Beispielfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet, keinen Fall darstellt, aufgrund dessen die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des anderen Eheteils "erforderlich" iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG wäre. III. Art 13 Abs 2 lit c RL 2004/38/EG ist dahin auszulegen, dass ein von einem Unionsbürger geschiedener Drittstaatsangehöriger, der Opfer häuslicher Gewalt wurde, auf der Grundlage dieser Bestimmung keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung seines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat hat, wenn das gerichtliche Scheidungsverfahren erst nach dem Wegzug des Ehegatten mit Unionsbürgerschaft aus diesem Mitgliedstaat eingeleitet wurde (vgl EuGH 30.6.2016, NA, C-115/15). Mit dem Wegzug der Ehefrau des Fremden aus Österreich und danach erfolgter Einleitung des Scheidungsverfahrens wurde nicht nur das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht der Ehefrau des Fremden beendet, sondern auch sein davon abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Eine spätere Berufung auf die Ehescheidung und die diesbezüglichen Ausnahmetatbestände des Art 13 Abs 2 RL 2004/38/EG bzw § 54 Abs 5 NAG für eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts des nunmehr geschiedenen drittstaatsangehörigen Ehemannes kommt dann nicht mehr in Betracht. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass sich die mit dem Drittstaatsangehörigen verheiratete Unionsbürgerin bis zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens im Aufnahmemitgliedstaat Österreich aufgehalten hätte.
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Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Aufbereitet am: 11.05.2018
1668
Gemeinsame Anhaltung einer Familie mit Kindern in Schubhaftzentrum ist unverhältnismäßig, wenn nicht zuvor mögliche Alternativen geprüft wurden
Leitsätze
I. Bevor mit einer Beschwerde an den EGMR nach Beendigung einer Freiheitsentziehung eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit wegen Verstoßes gegen das innerstaatliche Recht geltend gemacht werden kann, muss zur Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe von einer Beschwerde Gebrauch gemacht worden sein, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit und der Zuspruch einer Entschädigung erwirkt werden kann. II. Die bloße Tatsache, dass eine Familie durch eine Inhaftierung nicht getrennt wird, bedeutet nicht zwingend, dass keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens vorliegen kann. Die beinahe sechs Monate dauernde Anhaltung einer Frau mit ihren drei Kindern in einem Anhaltezentrum für Flüchtlinge, wodurch die Familie Lebensbedingungen unterworfen wurde, die für eine Haftanstalt typisch sind, ist als Eingriff in ihr Familienleben zu qualifizieren, selbst wenn es nicht zu einer Trennung der Kinder von ihrer Mutter gekommen ist. III. Eine Freiheitsentziehung Fremder muss verhältnismäßig zum damit verfolgten Zweck der Sicherung der Abschiebung sein. Wenn Familien betroffen sind, müssen die Behörden das Kindeswohl berücksichtigen. Die Berücksichtigung des Kindeswohls verlangt sowohl, die Familie so weit wie möglich nicht zu trennen, und nur als letzten Ausweg auf die Freiheitsentziehung Minderjähriger zurückzugreifen. IV. Die Behörden sind verpflichtet, alle gebotenen Schritte zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Freiheitsentziehung von Familien mit Kindern so weit wie möglich vermieden und das Recht auf Familienleben effektiv gewahrt wird. Eine Inhaftierung verletzt Art 8 EMRK, wenn die Behörden nicht zuvor mögliche Alternativen geprüft haben. V. Wenn Minderjährigen die Freiheit entzogen wird, müssen die Behörden mit besonderer Raschheit und Sorgfalt handeln.
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Entscheidungsdatum: 10.04.2018
Aufbereitet am: 09.05.2018
1667
Keine Familienzusammenführung, wenn Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden hat
Leitsätze
Der Beschwerdeführer ist kein Familienangehöriger iSd § 35 Abs 5 AsylG, wenn die Ehe mit der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
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Entscheidungsdatum: 29.01.2018
Aufbereitet am: 07.05.2018
1666
Angehörigeneigenschaft von Eltern nach § 35 AsylG 2005: Entscheidungszeitpunkt maßgeblich
Leitsätze
I. Die Argumentation der Botschaft Damaskus und des BFA, wonach es hinsichtlich der Volljährigkeit des Sohnes als Bezugsperson der Antrag stellenden Eltern nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Entscheidungszeitpunkt ankommt, entspricht der Judikatur des VwGH. II. Dem Einwand, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung zu Unrecht ein beim EuGH anhängiges Vorabentscheidungsersuchen zur FamilienzusammenführungsRL 2003/86/EG nicht berücksichtigt habe, ist zu entgegnen, dass die FamilienzusammenführungsRL in casu nicht einschlägig ist, da diese keineswegs vorschreibt, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre.
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Entscheidungsdatum: 02.03.2018
Aufbereitet am: 04.05.2018
1665
Beurteilung des gemeinsamen Familienlebens: Scheidungsverfahren berechtigt zu keiner Aussetzung nach § 38 AVG
Leitsätze
I. § 38 AVG ist gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor dem VwG maßgeblich. § 38 AVG erfasst nur Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden sind. II. Beruft man sich nach Auflösung des gemeinsamen Familienlebens für die Erteilung eines beantragten Aufenthaltstitels auf eine Ehe, wird der Tatbestand des § 30 Abs 1 NAG erfüllt. Es liegt der absolute Versagungsgrund des § 11 Abs 4 NAG vor. III. Im Zusammenhang mit § 30 Abs 1 NAG reicht ein formales Band der Ehe nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten. IV. Der bloße Umstand, dass eine Ehe noch nicht geschieden wurde, ist nicht geeignet, das Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens nachzuweisen. Die Frage, ob ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK geführt wird, ist daher von der Frage, ob einer Scheidungsklage stattzugeben ist oder nicht, zu unterscheiden. Ob einer Scheidungsklage stattzugeben ist, stellt im Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Vorfrage dar. V. Mit der Entscheidung im anhängigen Scheidungsverfahrens wird über die (Berechtigung der) Scheidungsklage abgesprochen. Es ist zwar möglich, dass die Begründung eines derartigen Scheidungsurteils Ausführungen enthält, die Rückschlüsse auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Familienlebens des Drittstaatsangehörigen mit seinem Ehepartner zulassen. Im Zusammenhang mit der Frage des Bestehens einer Aufenthaltsehe ist es zulässig, Ermittlungen anderer Behörden zu verwerten. Das ändert aber nichts daran, dass ein die Aufenthaltstitelbehörde bindender Ausspruch über das Führen bzw Nichtführen eines Familienlebens im Scheidungsverfahren nicht getroffen wird. Somit liegt keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG vor, die vom Gericht im Scheidungsverfahren als Hauptfrage zu entscheiden ist. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 38 AVG lagen nicht vor.
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Entscheidungsdatum: 23.11.2017
Aufbereitet am: 02.05.2018
1664
Integration bei unter Dreijährigen infolge fehlender Sozialisation ausgeschlossen
Leitsätze
Der Beginn der Sozialisierung und damit der Integration wird erst ab dem dritten Lebensjahr zugestanden. Bei einem Kind in einem Lebensalter darunter wird nicht von einem derartig fortgeschrittenen Ausbildungsstadium ausgegangen, dass ihm ein Umsteigen auf das Ausbildungs- und Erziehungssystem des Herkunftsstaates nicht möglich wäre.
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Entscheidungsdatum: 28.02.2018
Aufbereitet am: 30.04.2018
1663
Flüchtlingseigenschaft für Staatenlose bei wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung
Leitsätze
I. Flüchtling ist ein Staatenloser, der sich aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in diesen Staat zurückzukehren. II. Als Herkunftsstaat gilt jener, in dem der Staatenlose seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. III. Als Staatenloser gilt auch, wer von seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht als Staatsangehöriger angesehen wird und gefährdet ist, von diesem Staat in einen anderen abgeschoben zu werden.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2018
Aufbereitet am: 27.04.2018
1662
Abgeleiteter Asylstatus sieht Ketten-Familienverfahren nicht vor
Leitsätze
Ein Kind, das selbst nur einen abgeleiteten Status erhalten hat, ist nicht mehr als taugliche Bezugsperson für weitere abgeleitete Status zu normieren. Ein Ketten-Familienverfahren ist in § 34 Abs 6 Z 2 AsylG nicht vorgesehen.
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Entscheidungsdatum: 26.02.2018
Aufbereitet am: 25.04.2018
1661
Vorübergehender Bezug von Mindestsicherung gefährdet nicht die öffentliche Sicherheit und Ordnung
Leitsätze
Auch immer wiederkehrende Erwerbstätigkeiten und der vorübergehende Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung erfüllen die Eigenschaft eines Arbeitnehmers. Ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdendes Verhalten kann darin nicht erkannt werden. Damit kommt solcherart erwerbstätigen EWR-Bürgern auch ein Aufenthaltsrecht zu.
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Entscheidungsdatum: 28.02.2018
Aufbereitet am: 23.04.2018
1660
Aufrechte Entscheidung des Pflegschaftsgerichts für die Vertretungsfrage bindend
Leitsätze
I. Die Entscheidung eines Pflegschaftsgerichtes, mit der eine gesetzliche Vertretung festgelegt wird, ist, solange diese dem Rechtsbestand angehört, für die Vertretungsfrage bindend. Dies gilt auch dann, wenn im Zuge einer Identifizierung des Asylwerbers durch Interpol die Behörde von dessen Volljährigkeit ausgehen konnte. II. Solange ein Asylbescheid nicht rechtswirksam zugestellt bzw ausgefolgt und dadurch erlassen wurde, ist das Asylverfahren nicht abgeschlossen und genießt der Asylwerber faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005. III. Die Verhängung von Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG gegenüber einem Asylwerber, der faktischen Abschiebeschutz genießt, kommt nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 06.12.2017
Aufbereitet am: 20.04.2018
1659
Grenzen der Solidarität in Afghanistan
Leitsätze
I. Die soziale Absicherung liegt in Afghanistan traditionell bei den Familien und Stammesverbänden, wobei auch diese Solidarsysteme aufgrund der landesweiten ökonomischen Schwierigkeiten und nach den jahrzehntelangen Konflikten zunehmend an Relevanz, zumindest aber an Verlässlichkeit verlieren. II. Unter den Rückkehrern, aber auch unter den Binnenvertriebenen, sind insb jene akut in ihrem Überleben gefährdet, die keine verlässliche Unterstützung durch bestehende soziale Netzwerke haben. III. Beim Beschwerdeführer handelt es sich zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung als Landarbeiter. Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass er in einem Dorf in der volatilen Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen ist, niemals außerhalb seiner Heimatprovinz wohnhaft war und in anderen Landesteilen Afghanistans außerhalb seiner Heimatprovinz über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte verfügt.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2017
Aufbereitet am: 18.04.2018