Leitsätze
2570
Anwaltspflicht ist Anwalt's Pflicht
Leitsätze
Der Anwaltspflicht nach § 24 Abs 2 VwGG wird nur dann entsprochen, wenn die Eingabe als eine durch den Rechtsanwalt verfasste eingebracht und nicht etwa bloß ein von der Partei selbst verfasster Schriftsatz mit Unterschrift und Stampiglie des Rechtsanwaltes vorgelegt wird.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 07.04.2022
Aufbereitet am: 30.08.2022
2569
Behandlung von Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag nach Wiederaufnahme
Leitsätze
I. Bei den amtswegigen Wiederaufnahmen mehrerer Verfahren und den daran anschließenden Entscheidungen über mehrere Anträge handelt es sich jeweils um voneinander trennbare Spruchpunkte. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. II. Es handelt sich bei einem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag um einen einheitlichen Antrag, der mit der Erteilung des Aufenthaltstitels für den geänderten Aufenthaltszweck erledigt ist und über den lediglich dann gesondert mit einem Bescheid abzusprechen ist, wenn die Voraussetzungen für den anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt sind. III. Da es sich bei einem mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag um einen einheitlichen Antrag handelt, ist mit der Wiederaufnahme des Verfahrens über die Erteilung des geänderten Aufenthaltstitels der Antrag als Ganzes - und damit auch hinsichtlich des Antrages auf Verlängerung des ursprünglichen Aufenthaltstitels - wieder offen. IV. "Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruches der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des LVwG ist daher die "Sache" des bekämpften Bescheides; entscheidet das LVwG in einer Angelegenheit, die noch nicht oder nicht in der vom LVwG in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des LVwG und ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 24.05.2022
Aufbereitet am: 29.08.2022
2568
Unionsbürgerschaft: Totalverlust des kommunalen Wahlrechts nach "Brexit"
Leitsätze
I. Mit dem Inkrafttreten des Austrittabkommens (ABl L 2000/29, 7) zwischen der EU und Großbritannien (1.2.2020, siehe auch Art 50 Abs 3 EUV) verloren britische Staatsangehörige sämtliche Unionsbürgerrechte iSd Art 20 ff AEUV, mithin auch das kommunale Wahlrecht in den Mitgliedstaaten (Art 20 Abs 2 lit b, 22 AEUV). Eine Ausübung des Freizügigkeitsrechts vor dem Brexit ändert daran nichts. II. Dies (I.) gilt auch für jene britischen Staatsangehörigen, die im Unionsgebiet niedergelassen sind und auch im Herkunftsstaat nicht mehr wählen dürfen. III. Jene stRsp des EuGH, wonach dem Verlust des Unionsbürgerstatus eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voranzugehen hat, ist auf den "Brexit" nicht übertragbar, beruht dieser doch auf dem souveränen Entschluss des vormaligen Mitgliedstaates und nunmehrigen Drittstaates Großbritannien. IV. Den Mitgliedstaaten bleibt es unbenommen, nach den Bedingungen ihres nationalen Rechts Drittstaatsangehörigen Wahlrechte einzuräumen. V. Wird der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens (Art 267 AEUV) mit Fragen der Gültigkeit von die Union bindenden völkerrechtlichen Verträgen im Lichte des Primärrechts konfrontiert, so deutet er diese Fragen anders: Er prüft die Primärrechtskonformität des Aktes, mit dem die zuständigen Unionsorgane diesen Vertrag angenommen haben. VI. Es bestehen keine primärrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Beschlusses (EU) 2020/135, mit dem der Rat das Austrittsabkommen angenommen hat.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 09.06.2022
Aufbereitet am: 26.08.2022
2567
Neuerlich zu Spruchbestimmtheit und Interessenabwägung
Leitsätze
I. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruches dürfen nicht überspannt werden. Neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruches kann erforderlichenfalls etwa auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruches der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. II. Der VwGH hat (vor allem zu § 9 Abs 3 BFA-VG) bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich eine Interessenabwägung zugunsten des Fremden insb dann ergeben kann, wenn ein Familienleben mit einer Person besteht, die über ein unbefristetes Niederlassungsrecht (etwa) in Form eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 NAG verfügt. Dem Zusammenleben mit einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner kommt dabei im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zu. Gleiches gilt im hier zu beurteilenden Fall für das Zusammenleben der minderjährigen Mitbeteiligten mit ihrer dauerhaft niedergelassenen Mutter.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 31.03.2022
Aufbereitet am: 25.08.2022
2566
(K)ein Fall einer Abkoppelung vom Familienangehörigen-Begriff
Leitsätze
I. Grundsätzlich ist bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung eine Abwägung nach Art 8 EMRK nicht vorzunehmen, jedoch ist in bestimmten Konstellationen zur Erzielung eines der EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht wegen einer solchen besonderen Konstellation ein aus Art 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist aus verfassungsrechtlichen Gründen auch der betreffende - sofern nicht bereits im Inland aufhältige - Angehörige als Familienangehöriger erfasst und hat demnach einen Anspruch auf Familiennachzug. II. Von besonderen Konstellationen kann nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände - wie vor allem bei Bestehen eines besonderen familiären Betreuungsbedarfes schutzwürdiger Personen oder bei Bestehen sehr starker familiärer Bindungen bzw sehr enger familiärer Beziehungen zu im Aufnahmestaat verfestigt aufhältigen Personen - ausgegangen werden. Bei Vorliegen solcher besonderen Verhältnisse ist daher ausnahmsweise die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Vermeidung eines nach Art 8 EMRK unzulässigen Eingriffes in das Privat- und Familienleben geboten. III. Art 20 AEUV steht nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich dabei auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ein Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 24.03.2022
Aufbereitet am: 24.08.2022
2565
Rücktritt des Kindeswohls hinter öffentliche Interessen (Art 8 Abs 2 EMRK) in besonders schwerwiegenden Fällen
Leitsätze
I. Wird eine Rückkehrentscheidung gegen bis dato rechtmäßig aufhältige Fremde auf § 55 Abs 4 Z 4 FPG gestützt, so hat das BFA als Vorfrage selbst zu klären, ob der Verlängerung des Aufenthaltstitels ein gesetzlicher Hinderungsgrund iSd § 11 Abs 1 oder 2 NAG entgegensteht (mag diese Frage auch in der Zuständigkeit der Behörden iSd § 3 NAG liegen). II. Das Gewicht des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Eingriffs in das Familienleben des Bescheidadressaten und dessen Lebensgefährtin (Art 8 EMRK) wird durch Untreue des Bescheidadressaten in der Beziehung relativiert. III. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger (§ 206 ff StGB) stehen neben Suchtmittelkriminalität im besonderen Maße den Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK entgegen. IV. Bei Straftaten in diesem Sinne (III.) iVm einer negativen Beurteilung des Persönlichkeitsbildes sind trotz eines zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, Selbsterhaltungsfähigkeit und einem bestehenden Familienleben bei Vorhandensein eines Kleinstkindes schwere Eingriffe in das Familienleben des betroffenen Fremden gerechtfertigt (Art 8 Abs 2 EMRK iVm § 9 BFA-VG): So darf neben der Erlassung einer Rückkehrenscheidung ein mit gar zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs 1 und Abs 3 Z 1 FPG). Das Kindeswohl tritt in derartigen extremen Fällen hinter die verfolgten öffentlichen Interessen zurück.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 01.04.2022
Aufbereitet am: 23.08.2022
2564
Zur nicht maßgeblichen Änderung der subjektiven Lage iSd § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG
Leitsätze
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG ist aufgrund der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nur zulässig, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung maßgeblich geändert haben. Die maßgebliche Sachverhaltsänderung kann sich bspw auf das Herkunftsland aber auch auf die persönliche Situation des Betroffenen beziehen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 09.11.2021
Aufbereitet am: 22.08.2022
2563
Zur Unverhältnismäßigkeit eines Einreiseverbots trotz Rückkehrentscheidung
Leitsätze
I. Wird eine Rückkehrentscheidung getroffen, ist nicht zwingend auch ein Einreiseverbot zu erlassen. Deutet das Gesamtverhalten des Fremden darauf hin, dass von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, so ist von der Verhängung eines Einreiseverbots Abstand zu nehmen. II. Der Erlassung eines Einreiseverbots hat – auch wenn bereits eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde – eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose voranzugehen. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt und die missbräuchliche Stellung eines Asylantrags alleine reichen jedenfalls nicht aus, um eine entsprechende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu begründen. III. Diskriminierung im Herkunftsstaat aufgrund einer Hauterkrankung kann das Fortkommen behindern und eine seelische Belastung darstellen. Sofern dadurch aber weder eine existenzbedrohende Notlage noch eine Verletzung der von Art 2 und 3 EMRK gewährten Rechte resultiert, genügt dies jedoch nicht für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 09.03.2022
Aufbereitet am: 19.08.2022
2562
Keine res iudicata bei Folgeanträgen wegen zwischenzeitlicher Zuerkennung eines anderen Schutzstatus an Familienangehörige
Leitsätze
I. Damit ein Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG nicht gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, muss entweder eine neue Rechtslage oder ein neuer Sachverhalt vorliegen, wobei die neuen Fakten rechtserheblich sein müssen. II. Wurde einem Familienangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten abgeleitet zuerkannt (§ 34 Abs 1 Z 2 und Abs 3 AsylG) und wird im Anschluss einem anderen Familienangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt, so liegt darin ein rechtserhebliches neues Faktum. Der bislang "bloß" subsidiär Schutzberechtigte kann sohin einen zulässigen Folgeantrag stellen (mit dem Ziel der Zuerkennung des abgeleiteten Asylstatus gemäß § 34 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AsylG). III. Das BFA hat in Anträgen im Familienverfahren (§ 34 AsylG) unter einem allfällige eigene Fluchtgründe des Antragstellers zu ermitteln.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 02.02.2022
Aufbereitet am: 18.08.2022
2561
Ersatzlose Behebung eines Bescheides
Leitsätze
Die ersatzlose Behebung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein VwG stellt eine Entscheidung in der Sache selbst dar. Ein solcherart in Form eines Erkenntnisses gefasster Spruch eines VwG schließt eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich aus.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.02.2022
Aufbereitet am: 16.08.2022
2560
Zulässigkeit von Pushbacks an der "Balkanroute" nach Versäumnis der betroffenen Migrant*innen, sich legaler Einreisewege zu bedienen
Leitsätze
I. Es gilt eine Vermutung, dass ein Staat auf seinem gesamten Hoheitsgebiet die "Hoheitsgewalt" iSv Art 1 EMRK ausübt. Diese kann zwar durch außergewöhnliche Umstände widerlegt werden, doch ist nicht anzunehmen, dass im Sommer 2015 an der Grenze zwischen Nordmazedonien und Griechenland eine Situation herrschte, die Nordmazedonien daran gehindert hätte, seine Hoheitsgewalt in diesem Teil seines Staatsgebiets effektiv auszuüben. II. Das Zurückdrängen von Migranten durch Polizei und Soldaten über die Grenze stellt eine "Ausweisung" iSv Art 4 4. ZPEMRK dar. III. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Ausweisung als "kollektiv" iSv Art 4 4. ZPEMRK ist das Fehlen "einer vernünftigen und sachlichen Prüfung des Einzelfalls jedes individuellen Mitglieds der Gruppe". Ausnahmen von dieser Regel werden in Fällen angenommen, in denen das Fehlen einer individuellen Ausweisungsentscheidung auf das eigene Verhalten des Beschwerdeführers zurückgeführt werden kann. Dies gilt etwa für Situationen, in denen das Verhalten von Personen, die eine Landgrenze unrechtmäßig überquerten und dabei bewusst ihre große Zahl ausnutzten und Gewalt anwendeten, eine eindeutig destabilisierende Situation schuf, die schwer zu kontrollieren war und die öffentliche Sicherheit gefährdete. IV. Wenn der belangte Staat einen tatsächlichen und wirksamen Zugang zu Wegen der legalen Einreise, insb im Wege von Grenzverfahren, zur Verfügung gestellt hat, ein Beschwerdeführer aber davon keinen Gebrauch gemacht hat, wird der EGMR im fraglichen Kontext und vorbehaltlich der Anwendung von Art 2 und Art 3 EMRK berücksichtigen, ob es zwingende Gründe dafür gab, dies nicht zu tun, die auf objektiven Tatsachen beruhten, für die der belangte Staat verantwortlich war. Wo solche Vorkehrungen bestehen und das Recht, um Schutz gemäß der Konvention und insb Art 3 zu ersuchen, in einer tatsächlichen und wirksamen Weise gewährleisten, hindert die Konvention die Staaten nicht daran, in Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Grenzen zu kontrollieren, zu verlangen, dass Anträge auf derartigen Schutz an bestehenden Grenzübergängen gestellt werden. Folglich können sie Fremden, einschließlich potenziellen Asylwerbern, die es ohne zwingende Gründe verabsäumt haben, diesen Vorkehrungen zu entsprechen, indem sie – insb unter Ausnutzung ihrer großen Zahl – versuchten, die Grenze an einer anderen Stelle zu überqueren, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet verwehren.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 05.04.2022
Aufbereitet am: 15.08.2022
2559
Zur Berechnung des Haushaltseinkommens bei volljährigen Kindern
Leitsätze
I. Nach der Rsp des VwGH kommt es bei einem gemeinsamen Haushalt darauf an, ob das Haushaltsnettoeinkommen den unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen jeweils zu ermittelnden "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG deckt. II. Geht der über 18-jährige Sohn der Zusammenführenden einer Schulausbildung nach und ist daher vom Fortbestand seiner Kindeseigenschaft iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG auszugehen, ist bei Ermittlung des maßgeblichen "Haushaltsrichtsatzes" für diesen Sohn (bzw Stiefsohn in Bezug auf den Revisionswerber) lediglich der in § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG vorgesehene Richtsatz zu veranschlagen. III. Im Verfahren betreffend Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" ist zu klären, ob der Zusammenführenden für ihren volljährigen Sohn, falls sich dieser in einer Ausbildung iSv § 2 Abs 1 lit b FamLAG befindet, weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe zukommt. Zwar wären Leistungen der Familienbeihilfe bei Berechnung der für den Fremden zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nicht zu berücksichtigen, jedoch würde ein Anspruch auf Familienbeihilfe auch das Bestehen eines Anspruches auf den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs 3a Z 1 lit b EStG indizieren. Dabei sind die Aussagen, die im hg Erkenntnis vom 22.3.2011, 2007/18/0689, zum Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG in der damals anzuwendenden Fassung BGBl I 24/2007 getroffen wurden (vgl nunmehr § 33 Abs 3 EStG), auf die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit des Familienbonus Plus für die Einkommensermittlung nach § 11 Abs 5 NAG zu übertragen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 18.11.2021
Aufbereitet am: 12.08.2022
2558
Neuerlich zur Relevanz von § 25 NAG für Verwaltungsgerichte
Leitsätze
I. Der Umstand allein, dass im Verlängerungsverfahren erst das LVwG vom Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ausgegangen ist, vermag an der Maßgeblichkeit des § 25 NAG nichts zu ändern. II. Der Umstand, dass die Behörde nicht befugt wäre, den Verlängerungsantrag bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abzuweisen, sondern zu einem Vorgehen gemäß § 25 Abs 1 NAG angehalten wäre, berechtigt das LVwG nicht, die Angelegenheit an die Behörde zurückzuverweisen. III. Gemäß § 17 VwGVG sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des NAG, welche die Behörde in seinem dem Verfahren vor dem LVwG vorangehenden Verfahren anzuwenden gehabt hätte, vom LVwG sinngemäß anzuwenden. Daraus folgt, dass § 25 NAG auch vom LVwG anzuwenden ist, ungeachtet dessen, dass in der genannten Bestimmung lediglich von der "Behörde" die Rede ist. IV. Eine allein aus § 25 Abs 1 NAG abgeleitete Befugnis zur Zurückverweisung der Sache an die Behörde besteht nicht. Ob das LVwG zur Zurückverweisung der Sache an die Behörde berechtigt ist, bestimmt sich nach der (allgemeinen) verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 28 VwGVG.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 28.02.2022
Aufbereitet am: 11.08.2022
2557
Lange Schubhaft eines polnischen Staatsangehörigen und damit Unionsbürgers
Leitsätze
I. Ein von Schubhaft betroffener Unionsbürger, dessen Identität zunächst nicht feststellbar war, kann sich erst dann auf sein Freizügigkeitsrecht und dessen in der RL 2004/38/EG (UnionsbürgerRL) verankerte Konkretisierungen berufen, sobald er auch als Angehöriger eines (konkreten) Mitgliedstaats identifiziert wurde. II. Die Schubhafthöchstdauer von sechs Monaten iSd § 80 Abs 2 Z 2 FPG kommt auf einen Unionsbürger zur Anwendung, der Adressat einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist und seine Identität (Staatsangehörigkeit) monatelang verschleierte. III. Die EuGH-Judikatur, wonach Unionsbürger in Schubhaft nicht innerhalb derselben Höchstdauer angehalten werden dürfen wie Drittstaatsangehörige (EuGH 22.6.2021, Rs C-718/19 [Ordre des barreaux francophones et germanophone ua] ECLI:EU:C:2021:505), ist auf Fallkonstellationen wie die in Punkt II. genannte nicht übertragbar. IV. In den vorgenannten Punkten (II. und III.) ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erblicken (Art 133 Abs 4 B-VG), derentwegen die Revision an den VwGH zuzulassen ist (§ 25a Abs 1 VwGG).
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 02.03.2022
Aufbereitet am: 10.08.2022
2556
Ein eingestelltes Aberkennungsverfahren hindert nicht die rechtmäßige Versagung eines Fremdenreisepasses
Leitsätze
I. Ein eingestelltes, von Amts wegen durchgeführtes, Aberkennungsverfahren betreffend den Asylstatus schließt nicht die Annahme aus, dass ein Asylberechtigter durch seinen Aufenthalt die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden könne. II. Die Beurteilung des Vorliegens der Gründe über die Aberkennung des zuerkannten Schutzstatus in einem eigenen Verfahren entfaltet keinerlei Wirkung für die Beurteilung des Vorliegens von Versagungsgründen nach § 92 Abs 1 und Abs 1a FPG.
Entscheidungsdatum: 14.09.2021
Aufbereitet am: 09.08.2022
2555
Übersehen einer Ladung zur verwaltungsgerichtlichen Verhandlung kein "unvorhergesehenes Ereignis" iSd § 33 Abs 1 VwGVG
Leitsätze
I. Die reichhaltige Rsp des VwGH zu § 71 AVG ist auf § 33 VwGVG übertragbar. II. Ein "unvorhergesehenes Ereignis" iSd § 33 Abs 1 VwGVG kann auch ein innerer psychologischer Vorgang sein. Im Übersehen der ordnungsgemäß zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung unter den empfangenen Poststücken ist jedoch ein "unvorhergesehenes Ereignis" nicht zu erblicken: Denn diesfalls fehlt es an der erforderlichen zumutbaren Aufmerksamkeit, welche ihrerseits dann zu bejahen ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden trifft. Die Frage des Verschuldens spielt also auch für das Vorliegen eines der beiden Wiedereinsetzungsgründe iSd § 33 Abs 1 VwGVG eine Rolle. III. Unabhängig davon, ob man das Übersehen der ordnungsgemäß zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung als "unvorhergesehenes Ereignis" beurteilt, liegt in diesem Verhalten jedenfalls kein "minderer Grad des Versehens" (leichtes Verschulden iSd § 1332 ABGB) mehr.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 01.12.2021
Aufbereitet am: 08.08.2022
2554
Unionsrechtliche Beurteilung des Widerrufs der Einbürgerungszusicherung (§ 20 Abs 2 StbG) gegenüber einer nunmehr staatenlosen vormaligen Unionsbürgerin
Leitsätze
I. Die (Nicht-)Verleihung oder Entziehung der Staatsangehörigkeit fällt in die Regelungs- und Vollziehungskompetenz der Mitgliedstaaten und nicht in jene der EU. II. Der Sachverhalt, dass ein Unionsbürger staatenlos wird, weil er sich im Vertrauen auf eine Einbürgerungszusicherung des Aufnahmemitgliedstaats in seinem Herkunftsmitgliedstaat ausbürgern lässt, diese Zusage in der Folge aber widerrufen wird und die Einbürgerung des nunmehr Staatenlosen nicht erfolgt, unterfällt dem Unionsrecht. Dies ist dogmatisch in der Binnenlogik der Art 20 ff AEUV begründet, welche die schrittweise Integration Freizügigkeitsberechtigter im Aufnahmemitgliedstaat fördern. III. Trotzdem auch der Herkunftsmitgliedstaat die für den betroffenen Staatenlosen unbillige Situation (siehe oben II.) durch staatsangehörigkeitsrechtliche Vorkehrungen vermeiden könnte, liegt die Hauptverantwortung beim Aufnahmemitgliedstaat. IV. Das von der österreichischen Rechtsordnung verfolgte Ziel des Hintanhaltens von Doppelstaatsangehörigkeiten, wie es vor allem in der Regelung zur bedingten Einbürgerungszusicherung (§ 20 StbG), aber auch in § 10 Abs 3 StbG zum Ausdruck kommt, stellt ein legitimes Interesse im Lichte des einschlägigen Völkerrechts dar. V. Der Widerruf einer Einbürgerungszusage gegenüber einem nunmehr staatenlosen vormaligen Unionsbürger ist auf seine Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Dabei ist die individuelle Situation des Betroffenen zu würdigen und sind die Vorgaben insb von Art 7 und 24 Abs 2 GRC besonders zu berücksichtigen. VI. Ein Widerruf einer Einbürgerungszusage gegenüber einem nunmehr staatenlosen vormaligen Unionsbürger erscheint insb dann unverhältnismäßig, wenn die diesem attestierte Gefährlichkeit bloß auf zwei verkehrsrechtliche Verwaltungsübertretungen gestützt werden kann, derentwegen nicht einmal ein Entzug der Lenkerberechtigung erfolgte, der Betroffene umgekehrt aber erst nach acht Jahren den Unionsbürgerstatus zurückerlangen kann.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 18.01.2022
Aufbereitet am: 05.08.2022
2553
Subsidiärer Schutz kraft Refoulementverbots wegen Erkrankung an Hepatitis D
Leitsätze
I. Eine Erkrankung muss nicht unmittelbar lebensbedrohlich sein, damit die Rückkehr des Betroffenen in den Herkunftsstaat ein "reales Risiko" einer den Art 2 oder 3 EMRK widerstreitenden Behandlung begründet. Stattdessen reicht es, wenn – in Ermangelung von dortigen Behandlungsmöglichkeiten – sich die Krankheit nach der Rückkehr zu einem lebensbedrohlichen Risiko verdichtet. II. Für Hepatitis D besteht in der Mongolei keine faktisch verfügbare Behandlungsmöglichkeit. Die Rückkehr Erkrankter dorthin würde sohin in einem Fortschreiten der Leberzirrhose, damit einhergehenden schwerwiegenden körperlichen Beschwerden und der schnelleren Notwendigkeit einer Lebertransplantation resultieren. Auf Grund der Refoulementverbotswidrigkeit eines solchen Szenarios ist an Hepatitis D erkrankten Antragstellern aus der Mongolei der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG) zuzuerkennen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 01.02.2022
Aufbereitet am: 04.08.2022
2552
Zur Asylrelevanz einer Konversion zum Christentum
Leitsätze
I. Hinsichtlich der Asylrelevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, dass die betroffene Person bei weiterer Ausübung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat (hier: Iran) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen hat, aus diesem Grund verfolgt zu werden. II. Sind keine substanziellen Hinweise zu erkennen, dass die betroffene Person in ihrem Herkunftsstaat in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit haben werde, den Eindruck des Abfalls vom Islam (zB aufgrund der Konversion zum Christentum) zu entkräften, so stellt dies einen Asylgrund dar, wenn aufgrund dessen mit Verfolgungshandlungen und Menschenrechtsverletzungen zu rechnen ist.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 08.11.2021
Aufbereitet am: 03.08.2022
2551
Visum D und Absicht zur Wiederausreise
Leitsätze
I. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der gesicherten "Wiederausreise des Fremden" (§ 21 Abs 1 Z 3 FPG) iZm Erteilungen von nationalen Visa D ist zu bemerken, dass in Ermangelung gegenteiliger Indizien von der Ausreise des betroffenen Fremden aus dem Bundesgebiet bis zum Ablauf dieses Einreisetitels auszugehen ist. II. Da § 21 Abs 1 Z 3 FPG als positive Erteilungsvoraussetzung statuiert ist, gehen verbleibende Zweifel an der Wiederausreiseabsicht zu Lasten des Fremden. III. Die Vertretungsbehörden haben das AVG nicht anzuwenden. Stattdessen gilt für sie in Visaangelegenheiten der Standard des § 11 FPG (freie Beweiswürdigung, Manuduktionspflicht, Parteiengehör, Pflicht zur Einräumung eines Stellungnahmerechts, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird).
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 02.12.2021
Aufbereitet am: 02.08.2022