Leitsätze
2263
Vertrauensunwürdigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung
Leitsätze
I. Bei der Prüfung, ob eine Fluchtgefahr, welche die Verhängung einer Schubhaft zu rechtfertigen vermag, vorliegt, sind bspw die finanzielle Situation und das Gesamtverhalten der betroffenen Person zu berücksichtigen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels ist etwa aufgrund einer Mittellosigkeit sowie eines vertrauensunwürdigen Gesamtverhaltens der betroffenen Person in der Vergangenheit nicht ausreichend, da ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie ein erhöhter Sicherungsbedarf als gegeben erachtet werden kann. II. Eine Vertrauensunwürdigkeit der betroffenen Person liegt zB vor, wenn die österreichische Rechtsordnung missachtet wird und ein unkooperatives Verhalten den österreichischen Behörden gegenüber besteht. III. Das Kriterium der Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft ist erfüllt, wenn sich die betroffene Person während der Schubhaft unmäßig und aggressiv verhält (zB aufgrund massiver Beschädigungen in der Zelle) sowie in der Vergangenheit keine Kooperationsbereitschaft mit den österreichischen Behörden zeigte.
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Entscheidungsdatum: 05.11.2020
Aufbereitet am: 15.04.2021
2262
Wiederaufnahme wegen "Erschleichens" der Asylzuerkennung durch eine Scheinkonversion
Leitsätze
I. Hinsichtlich des Wiederaufnahmetatbestands des § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG (Erschleichen eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses) ist die zu § 69 Abs 1 Z 1 AVG ergangene Rsp übertragbar. II. Ein "Erschleichen" nach dieser Bestimmung ist gegeben, wenn eine Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese Angaben dann dem Erkenntnis zugrunde gelegt worden sind. III. Auch im von der Wiederaufnahme betroffenen Verfahren schon bekannte Tatsachen und Beweismittel können zur Erhärtung des Bestehens des Wiederaufnahmegrundes nach § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG dienen (etwa eine damals benutzte, gefälschte Geburtsurkunde). IV. Der Tatbestand des § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG hat absoluten Charakter, es kommt sohin nicht auf die Auswirkungen des verpönten Vorgehens auf die von der Wiederaufnahme betroffene Entscheidung an. V. Die Wiederaufnahme bewirkt das Außerkrafttreten der betroffenen Entscheidung ex tunc.
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Entscheidungsdatum: 01.12.2020
Aufbereitet am: 14.04.2021
2261
Wohnsitzauflage und Interessenabwägung
Leitsätze
I. Werden von der betroffenen Person keine Schritte zur Effektuierung der Ausreiseverpflichtung gesetzt, sondern zum Ausdruck gebracht, dass der Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachgekommen werde, so kann iSd § 57 Abs 2 FPG angenommen werden, dass die betroffene Person weiterhin ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkommen wird. II. Liegt eine Ausreiseverpflichtung vor und kommt es zum ungenützten Verstreichenlassen der Frist für die freiwillige Ausreise, so hat sich die betroffene Person bewusst zu sein, dass sie den aktuellen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet nicht aufrechterhalten können wird. III. Bei der Erlassung einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG hat eine ausreichende Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen, da eine Wohnsitzauflage stets abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ein beharrlicher unrechtmäßiger Verbleib im Bundesgebiet eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 13.04.2021
2260
Keine generelle Verfolgungsgefahr für Angehörige nicht arabischer Ethnien im Sudan
Leitsätze
I. Wenn ein Beschwerdeführer noch nicht abgeschoben worden ist, muss das Vorliegen stichhaltiger Gründe für das Bestehen eines realen Risikos einer Misshandlung im Fall seiner Rückkehr im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR geprüft werden. II. Eine allgemeine Situation der Gewalt kann dazu führen, dass jede Abschiebung in ein Land gegen Art 3 EMRK verstößt. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Im Sudan herrscht derzeit kein Zustand allgemeiner Gewalt, der Ausweisungen generell entgegenstehen würde. IV. Angehörige nicht arabischer Ethnien sind im Sudan zwar mit Problemen konfrontiert, werden jedoch nicht systematisch diskriminiert oder verfolgt. Für sie besteht daher keine generelle Verfolgungsgefahr im Fall ihrer Rückkehr in den Sudan. Dies gilt zumindest für die Region um Khartum. V. Wenn die innerstaatlichen Asylbehörden eine gründliche Untersuchung einer behaupteten Verfolgungsgefahr unter mehrfacher Befragung des Antragstellers, Heranziehung eines Sprachgutachters und ausführlicher Länderdokumentation vorgenommen haben, ist es grundsätzlich nicht Sache des EGMR, deren Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Antragstellers durch seine eigene zu ersetzen.
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Entscheidungsdatum: 02.06.2020
Aufbereitet am: 12.04.2021
2259
Umfassende Kindeswohlprüfung vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung; Aufnahmemöglichkeit im Rückkehrstaat zu prüfen
Leitsätze
I. Da die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) keine eigene Legaldefintion von Minderjährigkeit enthält, ist aus Kohärenzgründen jene des Art 2 lit d RL 2013/33/EU heranzuziehen. Minderjährige iSd RL 2008/115/EG (RückführungsRL) sind sohin Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. II. Obwohl der Wortlaut des Art 10 Abs 2 RL 2008/115/EG dies nur vor Abschiebemaßnahmen verlangt, gebietet das Postulat der umfassenden Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Verfahrensstadien (Art 6 Abs 1 iVm Art 5 lit a RL 2008/115/EG iVm Art 24 Abs 2 GRC), dass die Mitgliedstaaten bereits vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung prüfen, ob dem betroffenen Minderjährigen im Rückkehrstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit zur Verfügung steht. III. Die abstrakte Schranke eines Alters innerhalb der Minderjährigkeit kann nicht das einzige Kriterium sein, das bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, ob im Rückführungsstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit vorhanden ist. Vielmehr ist eine umfassende Prüfung des Einzelfalls vorzunehmen. IV. Ein Mitgliedstaat darf auf der Grundlage der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen keine Rückkehrentscheidung erlassen, ohne ihn, bis er das Alter von 18 Jahren erreicht, anschließend abzuschieben. Selbstverständlich hat er bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung die Punkte II und III zu beachten.
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Entscheidungsdatum: 14.01.2021
Aufbereitet am: 09.04.2021
2258
Keine zweite Interessenabwägung bei Rückstufung nach § 28 Abs 1 NAG geboten
Leitsätze
I. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch vor, wenn wegen der dem Revisionswerber angelasteten Tathandlung (versuchter Mord gemäß §§ 15 Abs 1, 75 StGB) eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen wird, weil die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (§ 53 Abs 6 FPG). Ein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung muss ihm - in Einklang mit Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL - nicht angelastet werden. II. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale des Art 6 Abs 1 und des Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL ist nicht ersichtlich, dass im Fall des Entzuges der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in analoger Anwendung des Art 6 Abs 1 der RL neuerlich - nämlich nach einer solchen gemäß Art 12 der RL - eine Interessenabwägung durchzuführen wäre. Auch in den Erwägungsgründen der DaueraufenthaltsRL finden sich diesbezüglich keine Hinweise. III. Art 9 der DaueraufenthaltsRL wurde mit § 28 Abs 1 NAG umgesetzt. Auch aus der nationalen Rechtslage ergeben sich keine Hinweise dafür, dass zusätzlich zur Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eine Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Umwandlung des unbefristeten in ein befristetes Aufenthaltsrecht mit den privaten Interessen an einer Aufrechterhaltung des unbefristeten Aufenthaltsrechtes zu erfolgen hätte. IV. Soweit in der Revision verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das in der UN-Behindertenkonvention verankerte Diskriminierungsverbot vorgebracht werden, kann auf den Beschluss des VfGH vom 27.11.2019, E 4015/2019, verwiesen werden, mit welchem die Behandlung der Beschwerde mangels Erforderlichkeit spezifischer verfassungsrechtlicher Überlegungen abgelehnt wurde.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 08.04.2021
2257
Gültigkeitsbeginn von Aufenthaltstiteln und Absehen von Deutschkenntnissen
Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH erfolgt die konstitutive Erteilung eines Aufenthaltstitels durch ein LVwG mit Erlassung des Erkenntnisses. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels beginnt daher ab diesem Datum. II. In Ermangelung eines rechtzeitig gestellten Antrages gemäß § 21a Abs 5 NAG ist keine Interessenabwägung vorzunehmen. III. Eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt worden ist, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs 1 und 3 NAG, allerdings ist, wenn der Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten hat, der Versagungsgrund nach § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklicht.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 07.04.2021
2256
Ausweisung aufgrund von geheimen Informationen über angebliche Beteiligung an terroristischen Straftaten
Leitsätze
I. Die Garantien des Art 1 7. ZPEMRK sind nur auf Fremde anwendbar, "die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalten", der dieses Protokoll ratifiziert hat. Auf Fremde, die sich mit einem Studierendenvisum im Staatsgebiet aufhalten, trifft dies zu. II. Eine Ausweisung darf gemäß Art 1 7. ZPEMRK nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung erfolgen. Die "Rechtmäßigkeit" bezieht sich auch auf die Qualität des Rechts: Dieses muss zugänglich und vorhersehbar sein und Schutz gegen willkürliche Eingriffe durch die Behörden gewähren. III. Nach den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art 1 7.ZPEMRK müssen Fremde in der Lage sein, die gegen ihre Ausweisung sprechenden Gründe vorzubringen, ihren Fall prüfen zu lassen und sich dabei vor der Behörde vertreten zu lassen. IV. Art 1 7.ZPEMRK verlangt grundsätzlich, dass die betroffenen Fremden über die relevanten Sachverhaltselemente unterrichtet werden, auf die sich die Ausweisung stützt. Den Betroffenen muss Zugang zum Inhalt der Dokumente und Informationen im Akt gewährt werden, auf die sich die Behörden bei der Entscheidung über ihre Ausweisung gestützt haben. V. Dies gilt auch dann, wenn die Ausweisung aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt. Allerdings sind die durch Art 1 7. ZPEMRK gewährten Rechte nicht absolut. Einschränkungen der Akteneinsicht und des Zugangs zu den der Entscheidung zugrunde liegenden Dokumenten können gerechtfertigt sein, wenn sie zur Terrorismusabwehr notwendig sind und nicht den Wesenskern der Verfahrensgarantien des Art 1 7.ZPEMRK beeinträchtigen. Dem Fremden muss jedenfalls eine wirksame Gelegenheit eingeräumt werden, Gründe gegen seine Ausweisung vorzubringen, und er muss vor jeder Willkür geschützt werden. Die sich für den Fremden aus gegebenenfalls notwendigen Einschränkungen der Verfahrensrechte ergebenden Schwierigkeiten sind durch ausgleichende Faktoren ausreichend zu kompensieren.
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Entscheidungsdatum: 15.10.2020
Aufbereitet am: 06.04.2021
2255
Unionsbürgerschaft: Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten in Auslieferungssachen
Leitsätze
I. Ein Freizügigkeitssachverhalt, der am Maßstab der Art 18 und 20 ff AEUV zu messen ist, liegt auch dann vor, wenn der Betroffene erst, nachdem er sich bereits im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig niedergelassen hat, zum Unionsbürger wurde (also zum Zeitpunkt des Zuzuges noch Drittstaatsangehöriger war). Ein solcher Sachverhalt ist in Auslieferungssachen auch dann am einschlägigen Unionsrecht zu messen, wenn der Auszuliefernde neben seiner mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des ersuchenden Drittstaats besitzt. II. Wird ein Auslieferungsersuchen von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichtet, so muss dieser zuerst die Konsultation mit dem Herkunftsmitgliedstaat des Betroffenen suchen: So ist diesem Mitgliedstaat Mitteilung über das Auslieferungsersuchen zu erstatten, sodass er zuerst eine eigene Strafverfolgung prüfen kann und zu diesem Behufe einen Europäischen Haftbefehl iSd Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ausstellen kann. Reagiert der Herkunftsmitgliedstaat nicht auf diese Weise, so kann der ersuchte Mitgliedstaat dem Auslieferungsersuchen – unter Beachtung aller grundrechtlichen Vorgaben (vor allem Art 19 Abs 2 GRC) – entsprechen. III. Im Lichte des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art 4 Abs 3 EUV) ist der um Auslieferung ersuchte Mitgliedstaat bei der Vorgangsweise iSv Punkt II dazu verpflichtet, dem Herkunftsmitgliedstaat alle dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte mitzuteilen. Dem Herkunftsmitgliedstaat ist eine angemessene Frist zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zu gewähren (Determinanten bei der Bestimmung der Frist: Komplexität der Rechtssache oder erhöhte Dringlichkeit zufolge einer Auslieferungshaft). IV. Weder der ersuchte Mitgliedstaat noch der Herkunftsmitgliedstaat sind dazu verpflichtet, den um Auslieferung ersuchenden Drittstaat um die Übermittlung des Strafakts zu ersuchen. V. Die Art 18 und 21 AEUV sind dahin auszulegen, dass der von einem Drittstaat um die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, ersuchte Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die Auslieferung abzulehnen und die Strafverfolgung selbst zu übernehmen, wenn ihm dies nach seinem nationalen Recht möglich wäre.
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Entscheidungsdatum: 17.12.2020
Aufbereitet am: 02.04.2021
2254
Rechtmäßigkeit der Festnahme, Anhaltung und Abschiebung nach Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Leitsätze
I. Die Abschiebung liegt im behördlichen Ermessen, wobei es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung ankommt, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen. Wird einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und zeigt die betroffene Person keine Bereitschaft zur Ausreise, so ist zu befürchten, dass auch künftig einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wird, weswegen die Voraussetzungen für die Abschiebung vorliegen. II. Bei einem entsprechenden Verhalten der betroffenen Person (insb bei Vorliegen von strafgerichtlichen Verurteilungen) kann zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abschiebung die Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft notwendig sein. III. Nach der Judikatur des VwGH ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung auf den Zeitpunkt des Vollzugs der Abschiebung abzustellen. IV. Wird das BVwG nach § 22a Abs 1 BFA-VG aufgrund einer behaupteten Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids, der Festnahme oder der Anhaltung angerufen, so ist in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung keiner Prüfung zu unterziehen. Beachtlich ist hingegen, ob bei Setzen dieser Maßnahmen realistischerweise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung gerechnet werden konnte.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 01.04.2021
2253
Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung – keine Verletzung des Privat- und Familienlebens trotz langer Aufenthaltsdauer in Österreich
Leitsätze
Zwar indiziert ein zwanzigjähriger Aufenthalt von Geburt an im Familienverband in Österreich ein überwiegendes Interesse am Verbleib im Bundesgebiet im Rahmen der von Art 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG normierten Interessenabwägung. Ein Begehen schwerer Straftaten gegen fremde Rechtsgüter (hier vor allem: schwerer Raub mit einer Waffe gemäß §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB), eine schnelle Rückfälligkeit und die Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen können aber selbst dann zu einer Gefährlichkeitsprognose führen, die eine Rückkehrentscheidung und ein mehrjährig befristetes Einreiseverbot für das Gebiet der Mitgliedstaaten rechtfertigen.
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Entscheidungsdatum: 02.10.2020
Aufbereitet am: 31.03.2021
2252
Unzulässigkeit der Aberkennung subsidiären Schutzes auch mit Blick auf COVID-19 in Afghanistan
Leitsätze
I. Es ist in Afghanistan hinsichtlich der humanitären bzw Versorgungslage infolge des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie zu einer deutlichen Verschlechterung gekommen. Es ist auch bei gesunden und arbeitsfähigen Rückkehrern nicht gesichert, dass sie sich in den als innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG qualifizierten Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eine Existenz aufbauen können. Folglich kann subsidiär Schutzberechtigten ihr Status nicht mit der Begründung einer Verbesserung der Lage (§ 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG) aberkannt werden. II. Dieser Frage kommt Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, weswegen die Revision an den VwGH zulässig ist (Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG).
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Entscheidungsdatum: 02.05.2020
Aufbereitet am: 30.03.2021
2251
Kein Aufenthaltstitel bei beharrlicher Nichtvorlage eines Reisedokuments
Leitsätze
I. Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen erfolgt zu Recht, wenn der Beschwerdeführer nach einer rechtskräftigen Entscheidung seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht, insb der Vorlage eines gültigen Reisedokuments, nicht nachkommt. II. Die allgemeine Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß ist nicht erfüllt, wenn der Beschwerdeführer nach Abschluss des Erstverfahrens keine weiteren Schritte unternommen hat, um sich ein gültiges Reisedokument aus seinem Herkunftsstaat zu beschaffen. III. Die Heilung des Mangels der Nichtvorlage von gültigen Reisedokumenten ist nicht zulässig, wenn der Beschwerdeführer nicht hinreichend dartut, dass die Beschaffung solcher Dokumente nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.
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Entscheidungsdatum: 29.10.2020
Aufbereitet am: 29.03.2021
2250
Kein Aufenthaltstitel bei fehlenden regelmäßigen Einkünften
Leitsätze
Auch wenn die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung nach § 56 AsylG vorliegen, ist der Versagungsgrund des § 60 Abs 2 Z 3 AsylG erfüllt, wenn der Beschwerdeführer keine festen und regelmäßigen Einkünfte vorweisen kann.
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Entscheidungsdatum: 29.07.2020
Aufbereitet am: 26.03.2021
2249
Kein Fehlen der Existenzgrundlage im Herkunftsstaat bei finanzieller Rückkehrhilfe
Leitsätze
I. Wenn im Herkunftsstaat die Möglichkeit einer Rückkehrhilfe besteht und der Beschwerdeführer sich an dort existierende Hilfsorganisationen wenden kann, ist nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung im Herkunftsstaat nicht zumutbar sein sollte. II. Existenzbedrohende Verhältnisse und das Fehlen der notdürftigsten Lebensgrundlage sind nicht erkennbar, wenn eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens im Herkunftsstaat gewährt werden kann.
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Entscheidungsdatum: 30.05.2018
Aufbereitet am: 25.03.2021
2248
Kein Aufenthaltstitel bei fehlendem durchgängigen Aufenthalt
Leitsätze
I. Ein fünf Jahre durchgängiger Aufenthalt liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt im Bundesgebiet wiederholt für etwa drei Monate unterbricht. II. Der durchgängige Aufenthalt im Bundesgebiet wird durch kurzfristige Auslandsaufenthalte nicht unterbrochen. Als kurzfristig gilt eine Unterbrechung in der Dauer von einer Woche bis circa drei Wochen.
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Entscheidungsdatum: 28.10.2020
Aufbereitet am: 24.03.2021
2247
Zu kurzer Aufenthalt für Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen
Leitsätze
Der Beschwerdeführer hält sich zum Zeitpunkt der Antragstellung erst seit zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzung des § 56 Abs 1 Z 1 AsylG, wonach zum Zeitpunkt der Antragstellung ein durchgängiger Aufenthalt im Bundesgebiet von fünf Jahren vorliegen muss, war daher nicht erfüllt.
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Entscheidungsdatum: 30.07.2020
Aufbereitet am: 23.03.2021
2246
Aberkennung des Flüchtlingsstatus wegen sozialer und finanzieller Unterstützung durch Clan-Strukturen im Herkunftsstaat?
Leitsätze
I. Die Anforderungen an bestehenden Schutz im Herkunftsstaat, wie sie Art 2 lit c iVm Art 7 Abs 1 und 2 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zum einen und Art 11 Abs 1 lit e RL 2004/83/EG an deren Erlöschen zum anderen stellen, entsprechen einander vollumfänglich. II. Für ein Fortbestehen begründeter Furcht vor Verfolgung, ohne welches es zum Erlöschen des Flüchtlingsstatus kommt (Art 11 Abs 1 lit e iVm Art 2 lit c RL 2004/83/EG), ist eine zu erwartende wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige oder Clan-Strukturen im Herkunftsstaat völlig unerheblich. Alleine durch sie wird der von Art 11 Abs 1 lit e iVm Art 7 Abs 2 RL 2004/83/EG geforderte Schutz im Herkunftsstaat nicht gewährleistet. III. Die in Punkt II genannte Unterstützung kann allenfalls mit Blick auf die Frage einer subsidiären Schutzwürdigkeit eine Rolle spielen.
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Entscheidungsdatum: 20.01.2021
Aufbereitet am: 22.03.2021
2245
Persönliche Antragstellung nach § 19 Abs 1 NAG als allgemeine Verfahrensregel
Leitsätze
I. § 19 NAG regelt die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle drei Verfahrensarten - nämlich Erstantrags-, Verlängerungs- und Zweckänderungsverfahren - entsprechend Anwendung finden und zur geeigneten und effizienten Regelung dieser Verfahren erforderlich sind. Die Verpflichtung zur persönlichen Antragseinbringung nach § 19 Abs 1 NAG (als allgemeine Verfahrensregel) gilt daher auch für Verlängerungsanträge. II. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs 1 zweiter Satz NAG trifft - soweit die Partei nicht selbst handlungsfähig ist - den gesetzlichen Vertreter grundsätzlich die Verpflichtung, den Antrag "persönlich" einzubringen. Diese Verpflichtung ist als allgemeine Verfahrensregel nicht etwa dahingehend eingeschränkt, dass davon lediglich Fälle einer Antragstellung bei einer ausländischen Vertretungsbehörde mit Reihung im Quotenregister erfasst wären. III. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs 1 zweiter Satz NAG wird ausdrücklich die persönliche Einbringung durch den Vertreter selbst vorausgesetzt. Dieser Voraussetzung wird durch das Einschreiten eines bevollmächtigten Mitarbeiters des gesetzliches Vertreters nicht entsprochen.
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Entscheidungsdatum: 30.10.2020
Aufbereitet am: 19.03.2021
2244
Bestehendes Familienleben eines jungen Erwachsenen
Leitsätze
I. Eine Rückkehrentscheidung stellt einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben der betroffenen Person dar. Ergibt die Interessenabwägung zum Entscheidungszeitpunkt, dass die familiären und privaten Interessen in einer Gesamtschau die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen, so ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die dargelegten Abwägungen auf Dauer unzulässig. II. Hält sich eine fremde Person mehr als zehn Jahre rechtmäßig im Inland auf, so ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Hat die betroffene Person ihren Lebensmittelpunkt in Österreich, so ist grs auch bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer (hier: neuneinhalb Jahre) den privaten Interessen der Vorrang zu geben. III. Ob ein schützenswertes Familienleben besteht, hängt von den konkreten Umständen ab, wobei neben einer stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch der Intensität und Dauer des Zusammenlebens Bedeutung zukommt. Unter Erwachsenen sind familiäre Beziehungen auch von Art 8 Abs 1 EMRK geschützt, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit, welche über die üblichen Bindungen hinausgehen, hinzutreten. Lebt ein volljähriges Kind im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern und ist dieses finanziell abhängig und gegebenenfalls auch bei einem Elternteil mitversichert, so ist von einem bestehenden Familienleben auszugehen. IV. Hat sich die gesamte Familie der betroffenen Person zu einem Umzug nach Österreich entschlossen und im Inland das Recht auf Daueraufenthalt erworben, so kann die betroffene Person – sofern sie Teil der Familie (insb ein minderjähriges Kind) ist – von einem nachhaltigen Verlegen des Lebensmittelpunktes nach Österreich ausgehen.
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Entscheidungsdatum: 10.08.2020
Aufbereitet am: 18.03.2021