Leitsätze
3021
Einzelfallbeurteilung bei (geringfügiger) Richtsatzunterschreitung
Leitsätze
Nach der Rsp des VwGH hat selbst die Unterschreitung des erforderlichen Richtsatzes nicht in jedem Fall wegen der Annahme, dass der Aufenthalt von Antragstellenden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG führen könnte, die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge. Die Unterschreitung des vorgegebenen Mindesteinkommens darf im Hinblick auf die EuGH-Rsp nicht ohne konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben. Bei der so gebotenen individuellen Prüfung, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreitens der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist, ist der Umstand, dass der Richtsatz nur geringfügig unterschritten wird, ebenso beachtlich wie niedrige Mietkosten. Kann ein Antragsteller nachweisen, dass er trotz einer (geringfügigen) Unterschreitung dieses Referenzbetrags ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems über die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für seinen Unterhalt verfügt, ist das Erfordernis des Nachweises der "nötigen Mittel" als erfüllt anzusehen.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2024
Aufbereitet am: 09.07.2024
3020
Ausstellung von Personalausweisen: Unionsrechtswidrigkeit der Schlechterstellung von eigenen Unionsbürgern mit Hauptwohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat
Leitsätze
I. Zwar ist die Zuständigkeit zur Ausstellung von Reisedokumenten bei den Mitgliedstaaten verblieben. Auch verpflichtet Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG die Mitgliedstaaten nach seinem Wortlaut dazu, ihren Staatsangehörigen gemäß ihren Rechtsvorschriften einen Personalausweis "oder" einen Reisepass auszustellen, der ihre Staatsangehörigkeit angibt, und diese Dokumente zu verlängern. Die Mitgliedstaaten sind also nicht dazu verpflichtet, zwei Reisedokumente auszustellen (Reisepass UND Personalausweis). II. Trotz seines offenen Wortlauts ist Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG im Lichte von Art 21 AEUV (= Art 45 GRC) auszulegen. Beschränkungen des Rechts der Unionsbürger, sich in der EU frei zu bewegen und aufzuhalten, lassen sich unionsrechtlich nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zum mit dem nationalen Recht legitimer Weise verfolgten Ziel stehen. III. In nationalen Bestimmungen, den eigenen Staatsbürgern nur dann einen Personalausweis auszustellen, wenn sie ihren Hauptwohnsitz im eigenen Mitgliedstaat haben, nicht jedoch, wenn sie ihn im (EU-)Ausland haben, ist eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts zu erblicken. Schließlich sind gerade Unionsbürger, die einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklichen, darauf angewiesen, stets ein Reisedokument innezuhaben. Die genannte Beschränkung lässt sich nicht durch administrative Erwägungen rechtfertigen (leichtere Feststellbarkeit des inländischen Wohnsitzes).
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Entscheidungsdatum: 22.02.2024
Aufbereitet am: 08.07.2024
3019
Neuerlich zu den Rechtswirkungen der Ausfolgung eines Aufenthaltstitels
Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH bewirkt die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels (als Karte) - im Erteilungsfall - idR gleichzeitig den Akt der Zustellung und entsteht die rechtliche Wirkung des Bescheides erst durch diesen Akt. Der bloße Auftrag zur Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte bzw deren technische Herstellung selbst entfaltet demgegenüber noch keine Rechtswirkungen. Auch die Mitteilung nach § 23 Abs 2 NAG ist nicht als ein den Aufenthaltstitel erteilender Bescheid anzusehen. II. Fremde, die nach einer Antragstellung im Ausland mit einem Visum in das Bundesgebiet eingereist sind, sind nicht berechtigt, die Entscheidung über ihren - wenn auch im Ausland gestellten - Antrag über den Ablauf der Gültigkeit des Visums hinaus im Inland abzuwarten. Ein Verbleib im Inland in einer derartigen Konstellation stellt einen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 21 Abs 1 zweiter Satz NAG dar. III. § 21 Abs 1 NAG stellt nur im Hinblick auf türkische Familienangehörige von österreichischen Zusammenführenden eine unzulässige Schlechterstellung iSd Art 13 ARB 1/80 dar. Betreffend den Nachzug von türkischen Staatsangehörigen zu ihren im Bundesgebiet aufhältigen Angehörigen mit türkischer Staatsangehörigkeit liegt hingegen keine Schlechterstellung iSd Art 13 ARB 1/80 vor, wenn die Antragstellenden nach Erhalt eines Visums zur Einreise den beantragten Aufenthaltstitel, auf dessen Ausstellung sie bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen einen Rechtsanspruch haben, bei der Niederlassungsbehörde im Inland abzuholen haben und in diesem Zeitpunkt das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen geprüft wird.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2024
Aufbereitet am: 05.07.2024
3018
Nichtverlängerung Studierendenaufenthalt: Einzelfallbeurteilung und Verhältnismäßigkeit erforderlich
Leitsätze
Gemäß Art 21 Abs 7 der RL (EU) 2016/801 müssen bei jeder Entscheidung über die Entziehung oder Nichtverlängerung von Aufenthaltstiteln die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Es ist somit im Einzelfall zu prüfen, ob es unverhältnismäßig wäre, ungeachtet der Nichterfüllung der nationalen Vorgaben einen ausreichenden Studienerfolg zu verneinen.
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Entscheidungsdatum: 30.01.2024
Aufbereitet am: 04.07.2024
3017
Schulbesuch in Österreich als Aspekt des Privatlebens nach Art 8 EMRK
Leitsätze
Der Besuch einer Bildungseinrichtung in Österreich kann als Aspekt des Privatlebens iSv Art 8 EMRK zu jenen Umständen zählen, die bei der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig ist, zu berücksichtigen sind.
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Entscheidungsdatum: 30.11.2023
Aufbereitet am: 03.07.2024
3016
Keine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist des Art 29 Abs 2 Dublin III-VO
Leitsätze
I. Wird einem Wiederaufnahmegesuch vom betreffenden Mitgliedstaat zugestimmt, so hat die Überstellung der fremden Person in diesen Staat nach Art 29 Abs 2 Dublin III-VO innerhalb von sechs Monaten – ab dem Zeitpunkt der Zustimmung – zu erfolgen. Wird die Überstellung innerhalb dieser Frist nicht durchgeführt und kommt es zu keiner Fristverlängerung, so geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über. II. Ergibt sich für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats (iSd Dublin III-VO), so hat sich das BFA grds mit der Frage auseinanderzusetzen, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats beruht.
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Entscheidungsdatum: 05.10.2023
Aufbereitet am: 02.07.2024
3015
Übereilte Entscheidung nach Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 24 Abs 2 AsylG
Leitsätze
I. Eine Entscheidung des BFA über Anträge auf internationalen Schutz darf ohne Einvernahme nur ergehen, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt feststeht. II. Ist der Antragsteller nicht erreichbar und wurde das Asylverfahren deswegen eingestellt (§ 24 Abs 2 AsylG), so darf das BFA nicht in der Folge eine abschließende Entscheidung treffen, in der es sich – obwohl der entscheidungserhebliche Sachverhalt noch nicht feststeht – nur auf die polizeiliche Erstbefragung (§ 19 AsylG) stützt. III. Erweisen sich Ladungen zur Einvernahme als unzustellbar oder erfolglos, ist das BFA gehalten, es in der Folge unter Androhung von Zwangsfolgen (Ladungsbescheid) erneut zu versuchen. IV. Hat das BFA ein dergestalt mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so ist eine Nachholung desselben durch das BVwG, das dadurch funktionell als erste Entscheidungsinstanz agieren würde, weder im Interesse der Raschheit noch der Kostenersparnis gelegen. Stattdessen ist in einem solchen Fall mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen (§ 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG).
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Entscheidungsdatum: 01.02.2024
Aufbereitet am: 01.07.2024
3014
Keine menschenunwürdigen Bedingungen für Flüchtlinge in Griechenland
Leitsätze
I. Verfügt die fremde Person zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützt sie den Aufenthalt von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz (etwa weil ihr bereits in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist), so überwiegen idR die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen der fremden Person am Verbleib in Österreich. II. Eine behauptete Vulnerabilität bloß aufgrund des Umstands, dass die fremde Person eine Frau ist, wird relativiert, wenn sich diese bereits ein Netzwerk aus Bekannten, Freunden sowie dem Lebensgefährten aufgebaut hat und somit nicht auf sich allein gestellt ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses Netzwerk Unterstützung leistet.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2023
Aufbereitet am: 28.06.2024
3013
Neues zur Familienzusammenführung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (Einreise- und Aufenthaltstitel nicht ausschließlich für die Eltern; Nachweispflichten; Fristen)
Leitsätze
I. Damit sich ein Asylberechtigter auf Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG berufen kann (Familienzusammenführung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings mit seinen Eltern), genügt es, wenn er zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig ist, mag er auch bis zum Ergehen einer Entscheidung volljährig werden. II. Zwar steht den Migliedstaaten die Einbeziehung weiterer Angehöriger über die Eltern (Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG) und subsidiär einem gesetzlichen Vormund oder anderen Familienangehörigen hinaus (lit b leg cit) in das Regime der Familienzusammenführung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hinaus grs frei (Art 10 Abs 2 RL 2003/86/EG). Aus Art 7 iVm Art 24 Abs 2 und 3 GRC kann aber die mitgliedstaatsgerichtete Verpflichtung erwachsen, neben den Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings auch weiteren Personen die Einreise und den Aufenthalt zu gewähren. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen diesen Personen und den Eltern ein familiäres Abhängigkeitsverhältnis in der Intensität besteht, dass die Verweigerung ihrer Einreise- und Aufenthaltsberechtigung einer Verunmöglichung des in Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG verbrieften Rechts gleichkäme. III. Von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen darf nie verlangt werden, dass sie für ihre Eltern, mit denen die Familienzusammenführung begehrt wird, eine ortsübliche Unterkunft, hinreichenden Krankenversicherungsschutz sowie feste und regelmäßige Einkünfte nachweisen. Dabei ist es unerheblich, ob der Antrag vor oder nach Ablauf von drei Monaten nach Zuerkennung des Asylstatus gestellt wird. Art 12 Abs 1 UAbs 3 bzw Art 7 Abs 1 gelten sohin nicht im Rahmen von Familienzusammenführungen nach Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG.
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Entscheidungsdatum: 30.01.2024
Aufbereitet am: 27.06.2024
3012
Unterschiedliche Prüfmaßstäbe bei Desertion aus einer Zwangsrekrutierung durch eine rebellierende Gruppe bzw eines völkerrechtlich anerkannten Staates
Leitsätze
I. Bei der Beurteilung einer drohenden Zwangsrekrutierung durch autonome Streitkräfte ist ins Kalkül zu ziehen, dass eine Zwangsrekrutierung durch eine rebellierende Gruppe im Gegensatz zu jemandem, der sich einer allgemeinen Wehrpflicht seines Heimatstaates durch Desertion entzieht, ihre rechtliche Deckung nicht im grundsätzlichen Recht eines souveränen Staates findet, seine Angehörigen zur Militärdienstleistung zu verpflichten und einzuziehen. II. Für die Desertion aus einer Zwangsrekrutierung durch rebellierende Gruppen ist daher nicht jener Maßstab anzulegen, der für die Verweigerung der Ableistung eines staatlichen Militärdienstes und etwaigen darauffolgenden drohenden Strafen anzulegen ist.
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Entscheidungsdatum: 23.10.2023
Aufbereitet am: 26.06.2024
3011
Anspruch auf Ausstellung einer Karte für Geduldete trotz unrechtmäßigem Aufenthalt
Leitsätze
I. Der Aufenthalt von Fremden, deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, ist zu dulden. Die tatsächliche Unmöglichkeit soll naturgemäß nur dann zu einer Duldung führen, wenn die Hinderungsgründe nicht im Einflussbereich des Fremden liegen. II. Zwar ist mit einer Duldung kein rechtmäßiger Aufenthalt verbunden, jedoch darf der betroffene Fremde wegen dieses unrechtmäßigen Aufenthalts nicht bestraft werden und hat er unter anderem Anspruch auf Ausstellung einer seine Identität dokumentierenden Karte für Geduldete.
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Entscheidungsdatum: 20.09.2023
Aufbereitet am: 25.06.2024
3010
Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Wahrung des Non-Refoulement-Grundsatzes
Leitsätze
I. Nach der Judikatur des EuGH darf eine Rückkehrentscheidung dann nicht erlassen werden, wenn bereits feststeht, dass eine Abschiebung in das vorgesehene Zielland nach dem Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen ist. II. In Anbetracht des dem Unionsrecht zukommenden Vorranges ist in einem solchen Fall geboten, die gebotene Anordnung, eine erfolgte Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden, unangewendet zu lassen, um eine den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie entsprechende Rechtslage herzustellen.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 24.06.2024
3009
Unterlassene Einvernahme einer im Ausland lebenden Zeugin
Leitsätze
I. Der VwGH hat bereits wiederholt festgehalten, dass ein im Ausland lebender (zur mündlichen Verhandlung geladener) Zeuge idR nicht zum persönlichen Erscheinen verhalten werden kann. Allerdings hat der VwGH in diesem Zusammenhang auch zum Ausdruck gebracht, dass das VwG diesfalls Bemühungen anstellen muss, um mit dem im Ausland ansässigen Zeugen in Kontakt zu treten und dessen Erscheinen zu erreichen. II. Es obliegt regelmäßig der einzelfallbezogenen Beurteilung des VwG, ob eine beantragte Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hat.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2024
Aufbereitet am: 21.06.2024
3008
BFI-Buchhaltungskurs kein Schulbesuch iSd § 63 Abs 1 NAG = rechtliche Beurteilung
Leitsätze
I. Die rechtliche Würdigung, ob eine Bestätigung über die Aufnahme an einer Schule oder nichtschulischen Bildungseinrichtung iSd § 63 Abs 1 NAG nachgewiesen wurde (oder nicht), wobei die insoweit zugrundeliegenden Tatsachen unstrittig sind, eröffnet im Hinblick auf die klare Rechtslage keine komplexen Rechtsfragen, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich machten. II. Die Manuduktionspflicht verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell- rechtlicher Hinsicht durch die Behörde bzw das VwG. Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materiell-rechtlicher Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben. Die Behörde bzw das VwG hat daher vor allem auch nicht zu belehren, welche Schule bzw nichtschulische Bildungseinrichtung zu besuchen wäre, um die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 NAG zu erfüllen. III. Unter dem "Überraschungsverbot" ist zu verstehen, dass das VwG in seine rechtliche Würdigung keine Sachverhaltselemente einbeziehen darf, die der Partei nicht bekannt waren. Das dazu in Beziehung gesetzte Parteiengehör erstreckt sich (ebenso) nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht auf die vorzunehmende rechtliche Beurteilung. Die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel (hier: Anmeldung zu einem BFI-Kurs) und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung (hier: keine Bestätigung iSd § 63 Abs 1 NAG) muss daher dieser Person vor Erlassung der Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden. IV. Eine Verletzung des "Überraschungsverbots" und des Parteiengehörs ist jedenfalls auch dann nicht zu sehen, wenn im Verfahren von Beginn an die Frage im Fokus steht, ob eine Schule bzw nichtschulische Bildungseinrichtung iSd § 63 Abs 1 NAG besucht wird. Im Hinblick darauf muss Aufenthaltstitelwerbenden hinlänglich bekannt sein, dass dieser Frage entscheidende Bedeutung zukommt.
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Entscheidungsdatum: 24.01.2024
Aufbereitet am: 20.06.2024
3007
Prüfungskriterien bei Folgeantrag
Leitsätze
Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme.
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Entscheidungsdatum: 29.12.2023
Aufbereitet am: 19.06.2024
3006
Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln längstens bis Gültigkeitsablauf des Reisedokuments
Leitsätze
Beträgt die Gültigkeit des Reisepasses weniger als die maximal mögliche für den Aufenthaltstitel gültige Aufenthaltsdauer, so ist dieser nur für die Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen. Dass eine Verlängerung des Reisepasses bereits beantragt wurde, ändert daran nichts.
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Entscheidungsdatum: 28.12.2023
Aufbereitet am: 18.06.2024
3005
Subsidiärer Schutz aufgrund der instabilen Lage im Sudan
Leitsätze
I. Wird zur Untermauerung des Fluchtvorbringens eine Diagnosebestätigung vorgelegt, die jedoch keine Begründung betreffend das Zustandekommen der Diagnose enthält und aus der sich nicht entnehmen lässt, ob die zur Untermauerung vorgebrachten Narben durch Fremdverschulden (Folter) entstanden sind, so deutet dies auf eine mangelhafte Glaubwürdigkeit des Dokuments hin. II. Aufgrund der instabilen Lage in einem Staat (hier: Sudan), in dem schwere Kämpfe vorherrschen, die massive Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben, besteht die reale Gefahr der Verletzung der von Art 2 und 3 EMRK gewährten Rechte, weshalb der fremden Person – sofern kein Aberkennungsgrund iSd § 8 Abs 3a AsylG vorliegt – subsidiärer Schutz und damit eine (für ein Jahr gültige) befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren ist (§ 8 Abs 1 iVm Abs 4 AsylG).
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Entscheidungsdatum: 27.06.2023
Aufbereitet am: 17.06.2024
3004
Bescheidzustellung an Rechtsvertreter per E-Mail
Leitsätze
I. Beruft sich ein Rechtsanwalt auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs 1 letzter Satz AVG, so ist - wenn kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliegt - davon auszugehen, dass jedenfalls auch eine Zustellungsvollmacht vorliegt. II. Bei einer E-Mail-Adresse handelt es sich um eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustellG. III. Durch die Anführung einer E-Mail-Adresse in einem anhängigen Verfahren - was ua dadurch geschehen kann, dass der Rechtsvertreter die E-Mail-Adresse in seiner Kommunikation mit der Behörde selbst verwendet hat - wird eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustellG angegeben. IV. Zwar ist der Zustellungsbevollmächtigte in der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen, wobei eine Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten ausreicht. Ein diesbezüglicher Zustellmangel - wenn also der Zustellungsbevollmächtigte fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird - kann aber dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt. Bei einer elektronischen Zustellung ist in dem Zusammenhang maßgeblich, dass der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument von diesem Kenntnis erlangt hat.
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Entscheidungsdatum: 28.12.2023
Aufbereitet am: 14.06.2024
3003
Keine Unrechtmäßigkeit der Vorführung vor die Vertretungsbehörde des Heimatstaates bei laufendem Folgeantragsverfahren
Leitsätze
I. Die Bekämpfung von Umständen des Schubhaftvollzuges bzw von Vorkommnissen während des Schubhaftvollzugs hat nicht mit Schubhaftbeschwerde, sondern mit einer allgemeinen Maßnahmenbeschwerde zu erfolgen. Die Zuständigkeit zur Entscheidung kommt dem BVwG zu. II. Es besteht keine ausdrückliche zeitliche Einschränkung für die Vornahme von die Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes vorbereitenden Handlungen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist aber jedenfalls der Zweck des Ersatzreisedokumentes, nämlich eine Abschiebung zu ermöglichen und als Voraussetzung dessen das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, einzubeziehen. III. Nichtsdestotrotz ist dem BFA ein Spielraum zuzubilligen, fallbezogen eine solche Ladung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit auch schon vor dem Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verfügen.
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Entscheidungsdatum: 20.11.2023
Aufbereitet am: 13.06.2024
3002
Mangelnder Bescheidcharakter eines "Ladungsbescheides" aufgrund nicht ordnungsgemäßer Zustellung
Leitsätze
1. Die Vollstreckung von angedrohten Zwangsfolgen setzt voraus, dass die Ladung zu eigenen Handen zugestellt wurde. Erfolgt eine Ladung nicht zu eigenen Handen, kann diese nur als einfache Ladung angesehen werden, der kein Bescheidcharakter zukommt. 2. Im Falle eines aufrechten Vertretungsverhältnisses sind alle Verfahrensakte mit Wirkung für die Partei gegenüber dem Vertreter zu setzen.
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Entscheidungsdatum: 20.11.2023
Aufbereitet am: 12.06.2024