Leitsätze
2734
Rückkehrentscheidung trotz vorübergehender Aufenthaltsberechtigung für einen EU-Mitgliedstaat?
Leitsätze
I. Stellen Verstöße, die nur eine Gefährdungsannahme iSd § 53 Abs 2 FPG rechtfertigen, jedoch keinen für die Bejahung einer Gefährdung nach § 53 Abs 3 FPG ausreichenden Tatbestand dar, so gilt dies aufgrund der Abstufung der Gefährdungsmaßstäbe umso mehr für die Annahme einer Gefährdung iSd § 67 Abs 1 bzw § 52 Abs 6 FPG. Demnach begründen einmalige Verstöße gegen das AuslBG idR keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. II. Verfügt die fremde Person im Zeitpunkt der Bescheiderlassung über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für einen anderen EU-Mitgliedstaat, so ist eine allfällige Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 6 FPG zu prüfen. Für eine auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gegründete Rückkehrentscheidung muss die fremde Person entweder (erfolglos) aufgefordert worden sein, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet des EU-Mitgliedstaats zu begeben oder die sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet (in deren Herkunftsstaat) hat aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich zu sein.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 04.08.2022
Aufbereitet am: 11.05.2023
2733
Verfolgung auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie?
Leitsätze
I. Nach der Rsp des EuGH müssen die Mitglieder der sozialen Gruppe "angeborene Merkmale" oder einen "Hintergrund, der nicht verändert werden kann", gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, "die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten". II. Zudem muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 11.01.2023
Aufbereitet am: 10.05.2023
2732
Stellvertreterehe bei freier Willensentscheidung kein Ordre-public-Verstoß
Leitsätze
I. Die Vorbehaltsklausel der Ordre-public-Widrigkeit ist als eine systemwidrige Ausnahme nur dann anzuwenden, wenn das inländische Rechtsempfinden in unerträglichem Maß verletzt wird, also Grundwertungen des österreichischen Rechts beeinträchtigt werden. II. Zweite wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG ist, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts (und nicht bloß dieses selbst) anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht. Zu prüfen ist daher einerseits das Verhältnis der (fiktiven) Anwendung des kollisionsrechtlich berufenen Rechts im konkreten Fall zu Grundwertungen des österreichischen Rechts, andererseits das Ausmaß der Inlandsbeziehung. Die beiden Elemente bilden ein bewegliches System: Je stärker der Inlandsbezug, umso geringere Abweichungen vom österreichischen Recht können einen Ordre-public-Verstoß begründen, und umgekehrt ("Relativität des ordre public"). III. Ein Ordre-public-Verstoß kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. IV. Eine Ferntrauung, bei der aufgrund der konkreten Umstände das Vorliegen einer freien Willensentscheidung nicht in Zweifel zu ziehen ist, verstößt nicht gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 01.12.2022
Aufbereitet am: 09.05.2023
2731
Zu fehlender schriftlicher Ausfertigung und verkürzter Aufenthaltsdauer
Leitsätze
I. Ebenso wie bei der Erzielbarkeit ausreichender finanzieller Mittel ist im Hinblick auf die Erteilungsvoraussetzung eines Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft in einer Prognoseentscheidung zu beurteilen, ob begründete Aussicht besteht, dass der Fremde (bzw der zusammenführende Familienangehörige) in der Lage sein wird, seine Wohnbedürfnisse bzw die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten. II. Eine kürzere Aufenthaltsdauer als die in § 20 Abs 1 NAG vorgesehenen zwölf Monate kann für sich betrachtet zwar nicht mit der Vermeidung einer Anfechtung durch die Aufenthaltsbehörde begründet werden. Die - in der mündlichen Verhandlung seitens der Aufenthaltstitelantragstellerin unwidersprochen gebliebene - auf den Ablauf des Mietvertrags abgestimmte verkürzte Aufenthaltsdauer lässt sich jedoch dahin deuten, dass das LVwG seiner Entscheidung (in gerade noch vertretbarer Weise) eine - gemäß § 20 Abs 1 zweiter Halbsatz NAG - für diese kürzere Dauer befristete Antragstellung zugrunde gelegt hat. III. Die Revision ist mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückzuweisen; dass - gesetzwidrig - eine schriftliche Ausfertigung des bloß mündlich verkündeten Erkenntnisses des LVwG unterblieben ist, ändert daran nichts.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 07.12.2022
Aufbereitet am: 08.05.2023
2730
Neuerlich zum Primat der meritorischen Entscheidung (hier: allgemeine Voraussetzungen für Aufenthaltstitel)
Leitsätze
Dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausgehend von ihrer Annahme, die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 1 NAG liege nicht vor, keine Feststellungen zu den weiteren Erteilungsvoraussetzungen getroffen hat, ändert nichts am Vorhandensein der Ermittlungsergebnisse zum maßgeblichen Sachverhalt. Schon deshalb ist die Annahme des LVwG, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG lägen vor, verfehlt.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 30.11.2022
Aufbereitet am: 05.05.2023
2729
Subsidiärer Schutz wegen instabilem (psychischen) Gesundheitszustand und möglicher Suizidgefährdung
Leitsätze
Bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist es nicht ausreichend, den Eintritt künftiger Ereignisse nicht ausschließen zu können. Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat muss die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohen; deren Bejahung bedarf auch entsprechender Feststellungen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 19.01.2022
Aufbereitet am: 04.05.2023
2728
Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes mangels Erfüllung des Gefährdungsmaßstabes
Leitsätze
I. Die Begehung von Straftaten, die mit einem erheblichen sozialen Störfaktor einhergehen, führt nicht zwingend zu einer Erfüllung des in § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG angeführten Gefährdungsmaßstabs. II. Um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden, muss das an den Tag gelegte persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. III. Eine strafgerichtliche Verurteilung allein ist hierfür nicht ausreichend. Um die Maßnahme des Aufenthaltsverbotes mit einer solchen zu begründen müssen "außergewöhnliche Umstände" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw die Erfüllung von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" vorliegen. IV. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf das persönliche Verhalten des Fremden sowie dessen Lebensverhältnisse Bedacht zu nehmen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 14.01.2021
Aufbereitet am: 03.05.2023
2727
Hinweis auf Aufenthaltsehe darf auch vom eigenen Ehemann kommen
Leitsätze
Von welcher Seite Verdachtsmomente für das Bestehen einer Aufenthaltsehe an die Behörde herangetragen bzw aufgrund welcher Anhaltspunkte Ermittlungen durchgeführt werden, ist für die Möglichkeit der amtswegigen Durchführung einer Wiederaufnahme unerheblich.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 30.11.2022
Aufbereitet am: 02.05.2023
2726
Beharren auf zivilrechtlichen Ansprüchen als asylrelevante "politische Überzeugung"?
Leitsätze
I. Der Begriff der "politischen Überzeugung" (im Alternativtatbestand des Art 10 Abs 1 lit e RL 2011/95/EU anerkannter Verfolgungsgrund) ist im Lichte der Meinungsfreiheit (Art 11 GRC) weit auszulegen. II. Erfasst sind iSd Rechtsanschauung des UNHCR alle Meinungen zu jeder Angelegenheit, auf die der Staatsapparat, die Regierung, die Gesellschaft oder die Politik Einfluss nehmen können. III. Auch bei befürchteten Repressalien infolge des Versuchs der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (wie jeder Rechtsdurchsetzung) gegen wen auch immer, die von den verfolgenden Akteuren als Widerstand aufgefasst wird, liegt eine Verfolgung wegen einer "politischen Überzeugung" vor. IV. Bei der Frage, ob eine politische Überzeugung vorliegt, die die Akteure, von denen die Verfolgung ausgehen kann, dem Antragsteller zuschreiben können, ist auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat zu berücksichtigen und oft nur eine Plausibilitätsprüfung durchführbar.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 12.01.2023
Aufbereitet am: 28.04.2023
2725
"Zu frühe" Ausreise aus der Ukraine?
Leitsätze
I. Nach dem Wortlaut des § 1 Z 1 Vertriebenen-VO haben nur diejenigen Staatsangehörigen der Ukraine ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, die das Land am 24.2.2022 oder danach verlassen haben und die nicht schon zuvor einen Aufenthaltstitel nach österreichischem Recht hatten (§ 3 der VO). Dies schließt jene ukrainischen Staatsangehörigen aus, die ihr Herkunftsland auch nur einen Tag vor dem russischen Überfall verließen, wenn auch aufgrund des bevorstehenden bewaffneten Konflikts. II. Zur genannten, über den Einzelfall hinaus bedeutsamen, Rechtsfrage fehlt höchstgerichtliche Rechtsprechung, daher ist sie revisibel (Art 133 Abs 4 B-VG).
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 02.12.2022
Aufbereitet am: 27.04.2023
2724
Ist unmündigen Minderjährigen mit einem überwiegend schützenswerten Privat- oder Familienleben stets eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen?
Leitsätze
I. Die Verweisung auf § 9 IntG in § 55 Abs 1 Z 2 AsylG ist umfassend zu verstehen und inkludiert auch § 9 Abs 5 Z 1 IntG, wonach unmündige Minderjährige von der Verpflichtung zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung ausgenommen sind. Ein solch weites Verständnis hat zur Folge, dass unmündigen Minderjährigen, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG beantragen und ein gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens überwiegendes Privat- oder Familienleben haben, stets eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen ist (wegen Erfüllung auch des § 55 Abs 1 Z 2 AsylG trotz Nichterfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung). II. Die Entscheidungspraxis des BVwG hinsichtlich der Reichweite der Verweisung auf § 9 IntG in § 55 Abs 1 Z 2 AsylG (I.) ist heterogen, zudem fehlt es an höchstgerichtlicher Judikatur. Daher liegt eine iSd Art 133 Abs 4 B-VG revisible Rechtsfrage vor.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 01.09.2022
Aufbereitet am: 26.04.2023
2723
Rechtfertigung eines mehrjährigen Einreiseverbotes anhand des bisherigen Fehlverhaltens und Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers
Leitsätze
Soweit die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs 3 Z 1 FPG eindeutig gegeben sind, würde eine auf Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Einreiseverbots offensichtlich nicht iSd Gesetzes liegen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 24.10.2022
Aufbereitet am: 25.04.2023
2722
Erforderliche Prüfung ergänzender Elemente im Folgeantragsverfahren bei potenziellen Auswirkungen auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt
Leitsätze
I. Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen bzw verpflichten, der rechtlich Relevanz zukäme. Eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. II. Eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache ist nur dann statthaft, wenn bei der Prüfung hervorkommt, dass entgegen den Behauptungen des Antragstellers solche neuen Erkenntnisse bzw Elemente nicht vorliegen oder erst gar nicht vorgebracht wurden. Die gilt auch dann, wenn zwar neue Erkenntnisse bzw Elemente vorliegen, diese aber lediglich Umstände betreffen, die von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Zuerkennung eines Schutzstatus führen können.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 22.12.2022
Aufbereitet am: 24.04.2023
2721
Aufenthaltsehe: Keine "Titelerschleichung" bei altbekannten Umständen
Leitsätze
Wenn die Umstände, auf die sich die Behörde bei der Wiederaufnahme gestützt hat, dieser bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Titelerteilung des wiederaufgenommenen Verfahrens bekannt waren, kann nicht davon gesprochen werden, dass ein Fremder die positive Erledigung eines Verlängerungsantrags erschlichen hat. Daran ändert auch nichts, dass nach der Rückmeldung des BFA, wonach eine Aufenthaltsehe nicht nachweisbar gewesen ist und keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, dem Fremden in Entsprechung der Vorgabe des § 25 Abs 2 letzter Satz NAG ein Aufenthaltstitel erteilt wurde.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 10.11.2022
Aufbereitet am: 21.04.2023
2720
§ 120 Abs 1b FPG - Fehlen von Reisedokumenten als Grund für die Unterlassung der Ausreise
Leitsätze
Nach § 46a Abs 1 Z 3 FPG 2005 ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint. Die Strafbarkeit nach der genannten Bestimmung setzt somit voraus, dass der Ausreisepflicht aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht nachgekommen wurde.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 20.10.2022
Aufbereitet am: 20.04.2023
2719
Besondere Vulnerabilität unmündiger Minderjähriger bei der Prüfung einer möglichen Verletzung der Rechte des Art 3 EMRK
Leitsätze
I. Bei der Beurteilung, ob der betroffenen Person bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat eine Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, ist im Speziellen das etwaige Vorliegen einer besonderen Vulnerabilität, wie dies bspw bei Minderjährigen der Fall ist, zu berücksichtigen. II. Spielt in einem Verwaltungsverfahren auch das Kindeswohl eine Rolle, so sind die Maßstäbe des § 138 ABGB als Orientierung heranzuziehen. III. Müsste ein minderjähriger Fremder aufgrund unterschiedlicher Staatsbürgerschaften ohne seine Mutter in jenes Land, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, zurückkehren und muss er dort mit unzureichender Nahrung und Unterkunft sowie fehlender Unterstützung durch den Familienverband rechnen, so stellt dies eine Form unmenschlicher Behandlung iSd Art 3 EMRK dar, die sich aus den exzeptionellen Umständen eines minderjährigen Kindes ohne ausreichenden familiären Rückhalt ergibt. IV. Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK bedarf einer Einzelfallprüfung in Bezug auf die in concreto betroffene Person sowie einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemein vorliegenden Menschenrechtslage zu beziehen hat. So hat bei mehreren, demselben Familienverband angehörigen Asylwerbern, eine gesonderte Prüfung jedes einzelnen Antrags (auf internationalen Schutz) unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse der fremden Person zu erfolgen.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 29.11.2022
Aufbereitet am: 19.04.2023
2718
Grobe Ermittlungsmängel bei Feststellungen zur Familienangehörigeneigenschaft bzw zum Familienleben nach Art 8 EMRK
Leitsätze
I. Gerade, wenn eine behauptete Familienangehörigenschaft bzw das Bestehen eines aufrechten Familienlebens (Art 8 EMRK) durch eine Behörde bestritten wird, muss die zugrunde liegende Feststellung auf hinreichenden Ermittlungen beruhen. II. An solcherart hinreichenden Ermittlungen mangelt es, wenn eine Urkunde, auf der die Feststellung gründet, als verfälscht qualifiziert wird, diese Urkunde aber weder näher untersucht wird noch aus dem Akt die Umstände ihres Hervorkommens im Verfahren hervorgehen. Anderenfalls sollte den betroffenen Parteien wenigstens Parteiengehör gewährt werden (persönliche Anhörung, Aufforderung zur Vorlage weiterer Urkunden). III. Ermittlungsmängel wie die geschilderten (II.) sind als derart krass einzustufen, dass damit behaftete Bescheide auf der Grundlage von § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG aufgehoben und die Rechtssachen an die Behörden zurückverwiesen werden können.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 02.05.2022
Aufbereitet am: 18.04.2023
2717
Änderung der maßgeblichen Sachlage aufgrund der Eheschließung mit einem Österreicher
Leitsätze
I. Ist die fremde Person mit einem österreichischen Staatsbürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in einem Staat, der Vertragspartei des EWR-Abkommens ist, ausübt, verheiratet und zieht sie ihm dorthin nach, so ist sie als begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG zu qualifizieren. II. Hat ein österreichischer Staatsangehöriger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, so genießen dessen Angehörige gemäß § 54 und § 57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich. Hat der Österreicher hingegen keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, erhält sein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger folglich einen Aufenthaltstitel unter den (allgemeinen) Voraussetzungen des § 47 Abs 2 NAG. III. Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG kommt weder die amtswegige Prüfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 und § 57 AsylG noch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in Betracht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 03.08.2022
Aufbereitet am: 17.04.2023
2716
Gefahr der Verfolgung eines in der Schweiz zum Christentum konvertierten Muslims im Fall seiner Abschiebung nach Pakistan
Leitsätze
I. Angesichts des absoluten Charakters des von Art 3 EMRK garantierten Rechts und mit Blick auf die Situation der Verwundbarkeit, in der sich Asylwerber oftmals befinden, sind die Behörden verpflichtet, das mit einer Abschiebung einhergehende Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung von Amts wegen zu beurteilen. II. Ein im Asylverfahren vorgebrachter Glaubenswechsel muss von den Behörden berücksichtigt werden. Wenn sie ihn als ausreichend aufrichtig, schlüssig und ernsthaft ansehen, müssen sie beurteilen, welches Risiko im Fall einer Abschiebung aufgrund der Konvertierung besteht. III. In Pakistan besteht für Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert sind, ein "doppeltes" Risiko insofern, als sie nun einerseits einer religiösen Minderheit angehören und man ihnen andererseits vorwerfen kann, der islamischen Religion abgeschworen zu haben. Aufgrund der internationalen Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an konvertierten Rückkehrern müssen die Behörden vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Situation genau beurteilen, ob aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall die Gefahr einer gegen Art 2 oder Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 26.04.2022
Aufbereitet am: 14.04.2023
2715
Kein Familienleben iSd Art 8 EMRK trotz aufrechter Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen
Leitsätze
I. Bei der Prüfung des Schutzguts "Familienleben" gemäß Art 8 EMRK ist nicht auf rechtliche Formalitäten, wie etwa das rechtliche Bestehen einer Ehe, abzustellen, sondern vielmehr auf das faktische Vorhandensein von familiären Bindungen. So ist bspw der Schutzbereich des Art 8 EMRK nicht eröffnet, wenn zwar eine rechtlich gültige Ehe, jedoch faktisch kein Familienleben vorliegt. II. Verfügt eine fremde Person über keine polizeiliche Meldung, taucht sie unter und bricht trotz eines anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG den Kontakt zu ihrem rechtlichen Vertreter ab, so deutet dies stark auf mangelnde Integrationsbemühungen der fremden Person hin. III. Im Hinblick auf das Privatleben iSd Art 8 EMRK kommt dem Grad der Integration im Aufenthaltsstaat eine wichtige Bedeutung zu. Für eine nachhaltige Integration ist eine polizeiliche Meldung nicht nur zu erwarten, sondern verdeutlicht ein Erfüllen dieser Pflicht geradezu den Willen, sich nachhaltig im Bundegebiet zu integrieren.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
Entscheidungsdatum: 31.10.2022
Aufbereitet am: 13.04.2023