Leitsätze
2198
Keine automatische Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder Art 3 EMRK durch eine Abschiebung in den Irak
Leitsätze
I. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist für eine Person, die keiner Risikogruppe zuzuordnen ist, festzuhalten, dass eine Verletzung des Art 3 EMRK (bei einer Abschiebung in den Irak) nicht zu erkennen ist. II. Bei einer seit etwa einem halben Jahr andauernden Beziehung zu einer Person (hier: zu einer österreichischen Staatsbürgerin), kann davon ausgegangen werden, dass keine derart engen persönlichen Bindungen bestehen, die diese Beziehung iSd Art 8 EMRK als schützenswertes Familienleben qualifizieren würden. Enge persönliche Bindungen zeigen sich bspw in der Länge einer Beziehung oder auch in der Geburt von gemeinsamen Kindern. III. Trotz der aktuell schwierigen Situation im Irak kann grds nicht davon ausgegangen werden, dass jede Rückkehr automatisch existenzielle Nöte oder eine Verletzung der in Art 2 bzw Art 3 EMRK geschützten Rechte mit sich bringt. Insb bei Personen irakischer Staatsangehörigkeit, die gesund und erwerbsfähig sind, über eine Ausbildung und Berufserfahrung verfügen und die Hilfe durch im Irak lebende Angehörige in Anspruch nehmen können, kann sich eine Rückkehrentscheidung in den Irak als zulässig erweisen.
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Entscheidungsdatum: 08.06.2020
Aufbereitet am: 12.01.2021
2197
Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist infolge von Flüchtigkeit und allumfassende Refoulement-Prüfung
Leitsätze
I. Wenn ein nach der Dublin III-VO (604/2013) zu überstellender Antragsteller auf internationalen Schutz zum Zeitpunkt der versuchten Überstellung sich nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufhält, ohne den Behörden des überstellenden Mitgliedstaats seine Abwesenheit mitgeteilt zu haben, so dürfen diese davon ausgehen, dass er "flüchtig" iSd Art 29 Abs 2 Satz 2 Dublin III-VO ist. Dies setzt aber voraus, dass der Antragsteller zuvor über die Pflicht zur Mitteilung informiert worden ist. Aber selbst dann steht es dem Antragsteller noch offen, zu beweisen, dass trotz seiner fehlenden Mitteilung keine Fluchtabsicht vorlag. II. Antragsteller können sich auf Art 29 Abs 2 Satz 2 Dublin III-VO berufen und geltend machen, nicht "flüchtig" gewesen zu sein, mit der Rechtsfolge, dass die Überstellungsfrist bereits abgelaufen ist und nicht verlängert werden kann. III. Art 29 Abs 2 Satz 2 Dublin III-VO verlangt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt. Ein einvernehmliches Vorgehen mit dem zuständigen Mitgliedstaat ist hingegen nicht geboten. IV. Die Prüfung systemischer oder bestimmte Personengruppen betreffender Schwachstellen im Asylwesen des zuständigen Mitgliedstaats (Art 3 Abs 2 UAbs 2 Dublin III-VO) hat im Lichte des Art 4 GRC so umfassend zu erfolgen, dass auch zu prüfen ist, welche Behandlung der Antragsteller nach Abschluss des Asylverfahrens dort erfährt. V. Der Umstand, dass im zuständigen Mitgliedstaat das soziale Sicherungssystem geringere Standards aufweist als im Mitgliedstaat der Antragstellung, rechtfertigt für sich alleine nicht die Annahme einer dem Art 4 GRC widerstreitenden Behandlung.
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Entscheidungsdatum: 19.03.2019
Aufbereitet am: 11.01.2021
2196
Aufenthaltsehe nach § 30 NAG vs § 117 FPG
Leitsätze
I. IZm Strafverfahren wegen des Vergehens einer Aufenthaltsehe kommt die Bindungswirkung verurteilender strafgerichtlicher Entscheidungen im Fall einer freisprechenden Entscheidung nicht zum Tragen; diesfalls hat die zuständige Behörde (bzw das LVwG) eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen, was ein mängelfreies Ermittlungsverfahren und eine vollständige Beweiserhebung voraussetzt. II. Während der Straftatbestand des § 117 Abs 1 FPG darauf abstellt, dass der österreichische Ehepartner "weiß oder wissen musste", dass sich der Fremde etwa für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen will, kommt es für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß § 30 Abs 1 NAG auf dieses Wissen oder Wissenmüssen und somit auf die Beweggründe des österreichischen Ehepartners nicht an, sondern ausschließlich auf die Absichten des Fremden. Die zu beurteilenden Sachverhaltselemente unterscheiden sich somit erheblich. III. Bei der Abweisung eines Antrags auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels handelt es sich nicht um eine Bestrafung, weswegen das Doppelbestrafungsverbot ("ne bis in idem") gemäß Art 4 Z 1 7. ZPMRK nicht relevant ist.
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Entscheidungsdatum: 03.09.2020
Aufbereitet am: 08.01.2021
2195
Abschiebung eines Familienvaters ohne ausreichende Berücksichtigung der Interessen seiner Kinder an einer Aufrechterhaltung der Beziehung
Leitsätze
I. Die Vertragsstaaten der EMRK haben das Recht, strafrechtlich Verurteilte auszuweisen. Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts und dem Interesse des betroffenen Fremden an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens sind insbesondere die Art und Schwere der Straftaten, die Höhe der dafür verhängten Strafe und das seither an den Tag gelegte Verhalten zu berücksichtigen. Die Schwere einer Straftat ist nicht nur anhand der verhängten Strafe zu beurteilen, sondern anhand der Natur der begangenen Tat, der konkreten Umstände ihrer Begehung und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft. II. Bei jeder Ausweisung sind die Interessen der davon betroffenen Kinder vorrangig zu berücksichtigen. III. Die vom EGMR entwickelten Kriterien für die Interessenabwägung bei Ausweisungen, die in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen, sollen in erster Linie den Mitgliedstaaten die Anwendung von Art 8 EMRK erleichtern. Welchen Kriterien in einem konkreten Fall welches Gewicht beizumessen ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. IV. Wenn die innerstaatlichen Gerichte eine Interessenabwägung anhand einer angemessenen Anwendung der vom EGMR entwickelten Kriterien vorgenommen haben, wird der EGMR deren Ergebnis nur dann durch seine eigene Einschätzung ersetzen, wenn es dafür sehr gewichtige Gründe gibt. V. Es genügt den Anforderungen von Art 8 EMRK nicht, wenn ein Gericht unter Verweis auf eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts keine Interessenabwägung anhand aller relevanten Kriterien vornimmt, sondern sich auf die Feststellung beschränkt, es würden keine außergewöhnlichen Gründe vorliegen, die ein Überwiegen der privaten und familiären Interessen gegenüber dem durch eine strafrechtliche Verurteilung begründeten öffentlichen Interesse an der Ausweisung annehmen ließen. VI. Eine Verurteilung wegen der Fälschung von Aufenthaltstiteln in rund 30 Fällen kann nicht als so schwerwiegend angesehen werden, dass sie das Interesse der Kinder der betroffenen Person an einer Fortführung des Familienlebens im Aufenthaltsstaat in jedem Fall zurücktreten lässt.
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Entscheidungsdatum: 24.11.2020
Aufbereitet am: 07.01.2021
2194
Aktualität des Lichtbildes iSd § 2a Abs 2 NAG-DV ist keine Antrags-, sondern eine Erfolgs- bzw Erteilungsvoraussetzung
Leitsätze
I. § 2a Abs 2 NAG-DV zielt offenbar darauf ab, dass mit Erteilung des Aufenthaltstitels, die gemäß § 1 NAG-DV mit Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels als Karte bewirkt wird, ein aktuelles Lichtbild des Antragstellers für die Ausfolgung der Karte vorliegt. Die Karte muss den Vorschriften der VO (EG) 1030/2002 entsprechen, die ua in Art 9 die Anbringung eines Lichtbildes vorsieht. II. § 7 Abs 1 Z 3 NAG-DV kann bei verständiger Auslegung nur so verstanden werden, dass die in § 2a NAG-DV enthaltenen Anforderungen hinsichtlich Format und technischer Spezifikationen erfüllt sein müssen, zumal die Beurteilung, ob das vorgelegte Foto im Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein wird, im Zeitpunkt der Antragstellung unmöglich ist. III. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der der Mitbeteiligte seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Lichtbildes gemäß § 2a Abs 2 NAG-DV zunächst nachgekommen ist, das Lichtbild jedoch aufgrund der Dauer des Verfahrens den Kriterien des § 2a Abs 2 NAG-DV zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr genügt, geht es um die Beurteilung einer Erfolgs- bzw Erteilungsvoraussetzung, deren Fehlen allenfalls zur Abweisung des Antrages führt, nicht jedoch zur Zurückweisung gemäß § 13 Abs 3 AVG berechtigt.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 06.01.2021
2193
Drohender Militärdienst bei Zumutbarkeitskalkül nach § 19 Abs 8 Z 3 NAG bedeutsam
Leitsätze
Der VwGH hat bereits ausgesprochen, dass die fehlende Absolvierung eines Wehrdienstes (bzw dort insb die Möglichkeit eines "Freikaufs" hiervon) im Rahmen des Zumutbarkeitskalküls nach § 19 Abs 8 Z 3 NAG jedenfalls Berücksichtigung finden kann (vgl VwGH 22.3.2011, 2009/21/0232). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das LVwG die im Erkenntnis VwGH 2001/19/0014 zur alten Rechtslage (nach § 14 Abs 5 FRG 1997) erfolgten Ausführungen zur Beachtlichkeit des Umstandes, dass ein seit mehr als zehn Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Fremder seinen Wehrdienst im Herkunftsstaat noch nicht abgeleistet hat, als auf die geltende Rechtslage übertragbar angesehen hat.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 05.01.2021
2192
Fristversäumnis im Cross-Border-Studium kein unabwendbares Ereignis
Leitsätze
Die vom VwG getroffene, einzelfallbezogene Beurteilung, wonach dem Revisionswerber vorzuhalten sei, dass er sich nicht rechtzeitig darum gekümmert hätte, sein von ihm angestrebtes Studium in Budweis fristgerecht beginnen zu können, sowie dass keine Gründe vorlägen, die gemäß § 64 Abs 2 letzter Satz NAG seiner Einflusssphäre entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar wären, stehen im Einklang mit den von der Rsp entwickelten Grundsätzen.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 04.01.2021
2191
Rechtswidrigkeit der Abschiebung aufgrund Nichteinhaltung der gesetzlich normierten Fristen bei ausgeschlossener aufschiebender Wirkung
Leitsätze
I. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ist gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG abzuerkennen, sofern die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. II. Die Durchsetzung der Rückkehrentscheidung bleibt dennoch an die gesetzlich normierten Fristen gebunden.
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Entscheidungsdatum: 24.03.2020
Aufbereitet am: 31.12.2020
2190
Drohende Abschiebung eines homosexuellen Mannes nach Gambia ohne angemessener Prüfung der Verfolgungsgefahr
Leitsätze
I. Das Bestehen einer im Hinblick auf Art 3 EMRK relevanten Verfolgungsgefahr ist im Hinblick auf die Situation im Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR zu beurteilen, falls der Beschwerdeführer noch nicht abgeschoben wurde. II. Die allgemeine Menschenrechtslage in Gambia steht einer Abschiebung nicht zwingend entgegen. III. Die sexuelle Orientierung bildet einen grundlegenden Aspekt der Identität. Somit kann von niemandem verlangt werden, seine sexuelle Orientierung zu verbergen, um einer Verfolgung zu entgehen. Daher besteht im Fall der Abschiebung homosexueller Personen stets die Möglichkeit einer Entdeckung ihrer sexuellen Orientierung durch die Behörden des Zielstaats. IV. Das bloße Bestehen gesetzlicher Bestimmungen im Zielstaat einer Abschiebung, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen, führt nicht dazu, dass eine Abschiebung in diesen Staat gegen Art 3 EMRK verstößt. Es kommt vielmehr darauf an, ob diese Bestimmungen in der Praxis angewendet werden. In Gambia besteht zwar derzeit keine entsprechende Verwaltungspraxis, doch kann eine Verfolgung auch von einzelnen, willkürlich handelnden Beamten ausgehen. V. Wenn in einem Land Homosexualität unter Strafe steht, Homophobie und Diskriminierung von Homosexuellen verbreitet sind und sich Beamte im Allgemeinen nicht bereit zeigen, LGTBI-Personen zu beschützen, kann von homosexuellen Personen nicht erwartet werden, sich an die Behörden zu wenden. Dies ist in Gambia nach wie vor der Fall. VI. Eine Ausweisung ist mit Art 3 EMRK unvereinbar, wenn die Behörden keine ausreichende Einschätzung des Misshandlungsrisikos und der Verfügbarkeit von staatlichem Schutz vorgenommen haben.
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Entscheidungsdatum: 17.11.2020
Aufbereitet am: 30.12.2020
2189
Zur Gefahr der Ausübung von illegalen Erwerbstätigkeiten
Leitsätze
I. Bei der Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind bestimmte Umstände – etwa die Unbescholtenheit und das sonstige Verhalten der betroffenen Person – zu berücksichtigen. II. Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten der fremden Person zu berücksichtigen und aufgrund konkreter Feststellungen zu beurteilen, ob die in § 53 Abs 2 Z 6 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. III. Aus der Mittellosigkeit der betroffenen Person kann die Gefahr der illegalen Unterhaltsbeschaffung resultieren, sodass beim Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 53 Abs 2 FPG ausgegangen werden kann.
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Entscheidungsdatum: 06.05.2020
Aufbereitet am: 29.12.2020
2188
Reale Gefahr einer EMRK-Verletzung schützt auch rechtskräftig verurteilten Schlepper
Leitsätze
I. Wenn nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, würde eine Abschiebung eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen. II. Im Fall der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes aus dem Grund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens ist die Abweisung gemäß § 8 Abs 3a AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer EMRK-Verletzung bedeuten würde.
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Entscheidungsdatum: 25.10.2017
Aufbereitet am: 28.12.2020
2187
Rechtswidrige Schubhaft bei Vorliegen eines gesicherten Wohnsitzes
Leitsätze
I. Da der Beschwerdeführer in Österreich einer selbstständigen Beschäftigung nachgegangen ist und über einen gesicherten Wohnsitz verfügt hat, gab es von vornherein keinen Sicherungsbedarf. II. Eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Zusammenhang mit einer Ausreiseunwilligkeit und das bloße Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet ist kein Grund für die Verhängung der Schubhaft.
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Entscheidungsdatum: 29.06.2020
Aufbereitet am: 28.12.2020
2186
Subsidiäre Schutzberechtigung bei verstärktem Risiko für Unversehrtheit im Herkunftsstaat
Leitsätze
I. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen besteht hier schon deshalb nicht, da sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt. II. Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt. III. Die Abweisung eines Asylantrages ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die konkret geschilderten Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung im Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde. IV. Die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat erscheint unzumutbar, wenn der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt ist, in seinen durch Art 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2017
Aufbereitet am: 27.12.2020
2185
Einreise eines Mündels eines EWR-Bürgers nach Begründung der Vormundschaft im Rahmen der algerischen "Kafala"
Leitsätze
I. Die gesetzliche Vormundschaft nach drittstaatlichem Recht (hier: die algerische "Kafala") stellt keine Adoption dar. Daher sind auf diese Weise unter die Vormundschaft von UnionsbürgerInnen gestellte Kinder auch nicht als Verwandte in absteigender Linie iSd Art 2 Z 2 lit c RL 2004/38/EG zu qualifizieren. Sie sind daher nicht automatisch einreiseberechtigt iSd Art 7 Abs 2 RL 2004/38/EG. II. Wohl aber können diese Kinder als Personen anzusehen sein, die nicht unter Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG fallen, aber auf Grund besonderer Umstände enge und stabile familiäre Beziehungen zu einem Unionsbürger haben, etwa infolge eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses, einer Zugehörigkeit zum Haushalt oder schwerwiegender gesundheitlicher Gründe. Sie können daher unter Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG zu subsumieren sein. III. Zwar ist laut der letztgenannten Norm die Einreise der Betroffenen bloß zu "erleichtern" und steht nicht ex lege zu, sodass die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben. IV. Die Einreise in das Unionsgebiet ist nach Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG aber dann zwingend zu ermöglichen, wenn das Kindeswohl dies gebietet (Art 7 iVm Art 24 Abs 2 GRC). Dies ist nach einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen: Dabei zu berücksichtigende Faktoren sind va das Alter des Kindes zum Zeitpunkt der "Kafala"-Begründung, das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit den Vormündern, der Grad der gefühlsmäßigen Beziehungen sowie der Grad der Abhängigkeit des Kindes von den Vormündern. V. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob hinsichtlich des Mündels Missbrauch, Ausbeutung oder Menschenhandel entgegen dem HKÜ vorliegen könnten. Darauf darf aber weder alleine aus der Wahl einer Vormundschaft im Drittstaat (wie bei der "Kafala") noch aus der Nicht-Wahl einer internationalen Adoption geschlossen werden.
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Entscheidungsdatum: 26.03.2019
Aufbereitet am: 25.12.2020
2184
Modul 2 der Integrationsvereinbarung auch bei Lernschwäche zumutbar
Leitsätze
I. Mit seiner Lernschwäche, die durch eine individuelle Rehabilitation gefördert werden könnte, weist der Revisionswerber keinen dauerhaft schlechten physischen oder psychischen Gesundheitszustand auf, sodass ihm die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung zugemutet werden kann. II. Mit dem bloßen Hinweis darauf, die Amtssachverständige sei bei der belangten Behörde tätig bzw mit der Sache bereits in der ersten Instanz befasst gewesen, wird eine Hemmung ihrer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten von ihr zu beurteilenden Fachfragen nicht aufgezeigt.
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Entscheidungsdatum: 03.09.2020
Aufbereitet am: 24.12.2020
2183
Minderjährigkeit: Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend
Leitsätze
Die bisherige Rsp des VwGH, wonach die Minderjährigkeit eines Kindes für die Bejahung der Eigenschaft als Familienangehöriger iSd § 2 Abs 1 Z 9 NAG auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw des VwG vorliegen muss, wird vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 16.7.2020, B.M.M. et al, C-133/19, C-136/19 und C-137/19, nicht mehr aufrecht erhalten. Demnach ist bei der Beurteilung der Minderjährigkeit eines Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 23.12.2020
2182
Inlandsantragstellung: Interessenabwägung in Zeiten von COVID-19
Leitsätze
Nach stRsp des VwGH kann die in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rsp entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision iSd Art 133 Abs 4 B-VG bekämpft werden. Auch wenn der Revisionswerber zutreffend darauf hinweist, dass der aufenthaltsrechtliche Status bei der Interessenabwägung eine Rolle spielt, ist die vorliegend vorgenommene Interessenabwägung im Hinblick auf die in Anschlag gebrachten sozialen, beruflichen und familiären Merkmale nicht als unvertretbar zu erkennen. Auf die weitere Rüge, die faktische Unmöglichkeit einer Ausreise (hier aufgrund der COVID-19-Pandemie) führe nicht automatisch zu einem Überwiegen der Interessen des Fremden, kommt es nicht an, weil der angefochtenen Entscheidung nicht die Annahme eines derartigen Automatismus zugrunde liegt.
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Entscheidungsdatum: 08.07.2020
Aufbereitet am: 22.12.2020
2181
Keine Asylrelevanz der Rechtsfolgen einer Wehrdienstverweigerung im Irak; keine zu befürchtende Zwangsrekrutierung durch die Asaib Al Alhaq-Miliz
Leitsätze
I. Ein Haftbefehl irakischer Behörden infolge von Wehrdienstverweigerung hinsichtlich des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat erreicht nicht die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungshandlung: So ist damit keine Todesdrohung verbunden und gab es bereits Gnadenakte gegenüber Rekruten, die sich diesem Kampf entzogen hatten. II. Mehrfache Besuche von Vertretern der Asaib Al Alhaq-Miliz mit dem Ziel einer Rekrutierung sind nicht als asylrelevante Zwangsrekrutierung zu qualfizieren, wenn dabei nicht einmal eine Drohung in diese Richtung geäußert wird. III. Trotz der volatilen und angespannten Sicherheitslage im Irak kann es Fälle fehlender subsidiärer Schutzwürdigkeit wie jenen des Beschwerdeführers geben (anders noch: BVwG 2.3.2020, G306 2182882-1 ua): Parameter, die dafür sprechen, sind gute dortige Einkommensaussichten, keine Kinder und keine Unterhaltspflichten, dass man vor der Ausreise ständig dort im famliären Umfeld gelebt hat sowie ein guter Gesundheitszustand). Daran vermag für sehr gesunde irakische Staatsangehörige auch die Covid-19-Pandemie nichts zu ändern.
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Entscheidungsdatum: 02.09.2020
Aufbereitet am: 21.12.2020
2180
Unionsrechtswidrigkeit einer Erteilungsfiktion nach behördlicher Säumnis für Aufenthaltstitel nach der RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL)
Leitsätze
I. Es ist den Mitgliedstaaten grundsätzlich unbenommen, Genehmigungsfiktionen für Anträge in ihren Rechtsordnungen zu statuieren. Solche dürfen aber die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. II. Die RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL) verlangt unzweifelhaft, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Prüfung der Anträge von Personen, die eine Familienzusammenführung dort begehren, die Angehörigeneigenschaft des Zusammenführenden auf ihre materielle Wahrheit überprüfen. III. Daher steht Art 5 Abs 4 RL 2003/86/EG einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegen, die infolge verwaltungsbehördlicher Säumnis eine Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels an den/die AntragstellerIn vorsieht (und damit an eine/n womöglich Nicht-Angehörige/n). Denn solch eine Regelung beeinträchtigt die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts.
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Entscheidungsdatum: 20.11.2019
Aufbereitet am: 18.12.2020
2179
Keine Aufenthaltsverlängerung als Familienangehöriger bei einvernehmlicher Scheidung
Leitsätze
I. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs 2 Z 2 NAG steht einem geschiedenen Familienangehörigen ein vom bisherigen Aufenthaltszweck abgeleitetes Aufenthaltsrecht (nur) bei Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten zu. Nachdem bei einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG ein Schuldausspruch auf keinen Fall in Frage kommt, kann sich § 27 Abs 2 Z 2 NAG, der ausdrücklich den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten voraussetzt, nicht auch auf eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG beziehen. II. Dass ein Familienangehöriger, dessen Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Zusammenführenden geschieden wird, gemäß § 27 Abs 2 Z 2 NAG seines Aufenthaltsrechts (trotz Nichterfüllung der näher genannten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen) nicht verlustig geht, kann nicht als willkürliche, unsachliche Differenzierung im Vergleich mit einem einvernehmlich geschiedenen Familienangehörigen gesehen werden. Die Regelung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG knüpft am geltenden Eherecht an, das vom Verschuldensprinzip ausgeht (vgl ErläutRV 485 BlgNR 24. GP 4 zum EPG [BGBl I 135/2009]), und findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass der Gesetzgeber den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens (aufgrund der Annahme eines erhöhten Schutzbedarfs des anderen Ehegatten) mit verschuldensabhängigen Rechtsfolgen verbindet. Diese Erwägungen treffen auf eine Scheidung im Einvernehmen, bei der die Verschuldensfrage und eine erhöhte Schutzwürdigkeit des anderen Ehegatten keine Rolle spielen, nicht zu. Folglich ist in den vom Gesetzgeber in § 27 Abs 2 Z 2 NAG vorgesehenen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Scheidung mit Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Zusammenführenden keine willkürliche, unsachliche Differenzierung zu erblicken, wird doch nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches - aus sachlichen Gründen - verschieden behandelt. III. Die Bestimmung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG ist hinreichend determiniert, um ihre Vollziehung unter strenger Gesetzesbindung zu wahren. Auch die faktische Effektivität des Rechtsschutzes ist in jeder Hinsicht gewährleistet. Für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips bestehen somit keine Anhaltspunkte. Die Regelung des § 27 Abs 2 Z 2 NAG begegnet somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 17.12.2020