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366
Neuerlich zu Spruchbestimmtheit und Interessenabwägung
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruches dürfen nicht überspannt werden. Neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruches kann erforderlichenfalls etwa auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruches der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. II. Der VwGH hat (vor allem zu § 9 Abs 3 BFA-VG) bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich eine Interessenabwägung zugunsten des Fremden insb dann ergeben kann, wenn ein Familienleben mit einer Person besteht, die über ein unbefristetes Niederlassungsrecht (etwa) in Form eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 NAG verfügt. Dem Zusammenleben mit einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner kommt dabei im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zu. Gleiches gilt im hier zu beurteilenden Fall für das Zusammenleben der minderjährigen Mitbeteiligten mit ihrer dauerhaft niedergelassenen Mutter.
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Keine Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist bei Freiheitsentziehungen nach dem Unterbringungsgesetz
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Begriffe des Unionsrechts sind autonom und unionsweit einheitlich auszulegen, sofern sie nicht auf das nationale Recht verweisen. II. Unter einer "Inhaftierung", derentwegen eine Verlängerung der sechsmonatigen Dublin-Überstellungsfrist (Art 29 Abs 1 Dublin III-VO) auf "höchstens" ein Jahr zulässig ist (Abs 2 Satz 2 leg cit), ist nur ein Freiheitsentzug zu verstehen, der in einem Konnex zu einem Strafverfahren steht. Eine "Inhaftierung" sind in diesem Sinne die Untersuchungshaft, die Strafhaft und wohl auch – wenngleich der EuGH dies nicht expliziert hat – der österreichische Maßnahmenvollzug (§§ 21 ff StGB). III. Keine "Inhaftierung" iSd Art 29 Abs 2 Satz 2 Dublin III-VO stellen Unterbringungen psychisch Kranker ohne Verlangen des Betroffenen (§§ 8 ff UbG) dar.
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Befreiungsschein ohne Einfluss auf aufenthaltsrechtliche Stellung
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Der (im Hinblick darauf, dass die Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 nicht vorliegen) fehlerhaft ausgestellte Befreiungsschein gemäß § 4c Abs 2 AuslBG hat keinen Einfluss auf das Bestehen oder die Art eines Aufenthaltsrechtes und kann dem Revisionswerber somit nicht die für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" erforderliche rechtmäßige Niederlassung vermitteln. II. Auch ein Befreiungsschein nach § 15 AuslBG idF BGBl I 126/2002 hätte die aufenthaltsrechtliche Stellung des türkischen Revisionswerbers nicht beeinflussen können.
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Antragstellung gemäß § 35 AsylG nur bei Vertretungsbehörden außerhalb des Schengenraums zulässig
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Anträge gemäß § 35 AsylG können grundsätzlich nur bei Vertretungsbehörden in Staaten außerhalb des Schengenraumes gestellt werden. II. Bei der Einreise von Schutzsuchenden in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten besteht in diesen Fällen ein Anwendungsvorrang der Bestimmungen der Dublin III-VO.
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(K)ein Fall einer Abkoppelung vom Familienangehörigen-Begriff
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Grundsätzlich ist bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung eine Abwägung nach Art 8 EMRK nicht vorzunehmen, jedoch ist in bestimmten Konstellationen zur Erzielung eines der EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht wegen einer solchen besonderen Konstellation ein aus Art 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist aus verfassungsrechtlichen Gründen auch der betreffende - sofern nicht bereits im Inland aufhältige - Angehörige als Familienangehöriger erfasst und hat demnach einen Anspruch auf Familiennachzug. II. Von besonderen Konstellationen kann nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände - wie vor allem bei Bestehen eines besonderen familiären Betreuungsbedarfes schutzwürdiger Personen oder bei Bestehen sehr starker familiärer Bindungen bzw sehr enger familiärer Beziehungen zu im Aufnahmestaat verfestigt aufhältigen Personen - ausgegangen werden. Bei Vorliegen solcher besonderen Verhältnisse ist daher ausnahmsweise die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Vermeidung eines nach Art 8 EMRK unzulässigen Eingriffes in das Privat- und Familienleben geboten. III. Art 20 AEUV steht nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen dieser Status verleiht, verwehrt wird. Das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich dabei auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ein Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen.
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