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Anwaltspflicht ist Anwalt's Pflicht
LEITSATZ DES GERICHTS: Der Anwaltspflicht nach § 24 Abs 2 VwGG wird nur dann entsprochen, wenn die Eingabe als eine durch den Rechtsanwalt verfasste eingebracht und nicht etwa bloß ein von der Partei selbst verfasster Schriftsatz mit Unterschrift und Stampiglie des Rechtsanwaltes vorgelegt wird.
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Zulässigkeit von Pushbacks an der "Balkanroute" nach Versäumnis der betroffenen Migrant*innen, sich legaler Einreisewege zu bedienen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Es gilt eine Vermutung, dass ein Staat auf seinem gesamten Hoheitsgebiet die "Hoheitsgewalt" iSv Art 1 EMRK ausübt. Diese kann zwar durch außergewöhnliche Umstände widerlegt werden, doch ist nicht anzunehmen, dass im Sommer 2015 an der Grenze zwischen Nordmazedonien und Griechenland eine Situation herrschte, die Nordmazedonien daran gehindert hätte, seine Hoheitsgewalt in diesem Teil seines Staatsgebiets effektiv auszuüben. II. Das Zurückdrängen von Migranten durch Polizei und Soldaten über die Grenze stellt eine "Ausweisung" iSv Art 4 4. ZPEMRK dar. III. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Ausweisung als "kollektiv" iSv Art 4 4. ZPEMRK ist das Fehlen "einer vernünftigen und sachlichen Prüfung des Einzelfalls jedes individuellen Mitglieds der Gruppe". Ausnahmen von dieser Regel werden in Fällen angenommen, in denen das Fehlen einer individuellen Ausweisungsentscheidung auf das eigene Verhalten des Beschwerdeführers zurückgeführt werden kann. Dies gilt etwa für Situationen, in denen das Verhalten von Personen, die eine Landgrenze unrechtmäßig überquerten und dabei bewusst ihre große Zahl ausnutzten und Gewalt anwendeten, eine eindeutig destabilisierende Situation schuf, die schwer zu kontrollieren war und die öffentliche Sicherheit gefährdete. IV. Wenn der belangte Staat einen tatsächlichen und wirksamen Zugang zu Wegen der legalen Einreise, insb im Wege von Grenzverfahren, zur Verfügung gestellt hat, ein Beschwerdeführer aber davon keinen Gebrauch gemacht hat, wird der EGMR im fraglichen Kontext und vorbehaltlich der Anwendung von Art 2 und Art 3 EMRK berücksichtigen, ob es zwingende Gründe dafür gab, dies nicht zu tun, die auf objektiven Tatsachen beruhten, für die der belangte Staat verantwortlich war. Wo solche Vorkehrungen bestehen und das Recht, um Schutz gemäß der Konvention und insb Art 3 zu ersuchen, in einer tatsächlichen und wirksamen Weise gewährleisten, hindert die Konvention die Staaten nicht daran, in Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Grenzen zu kontrollieren, zu verlangen, dass Anträge auf derartigen Schutz an bestehenden Grenzübergängen gestellt werden. Folglich können sie Fremden, einschließlich potenziellen Asylwerbern, die es ohne zwingende Gründe verabsäumt haben, diesen Vorkehrungen zu entsprechen, indem sie – insb unter Ausnutzung ihrer großen Zahl – versuchten, die Grenze an einer anderen Stelle zu überqueren, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet verwehren.
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Rücktritt des Kindeswohls hinter öffentliche Interessen (Art 8 Abs 2 EMRK) in besonders schwerwiegenden Fällen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Wird eine Rückkehrentscheidung gegen bis dato rechtmäßig aufhältige Fremde auf § 55 Abs 4 Z 4 FPG gestützt, so hat das BFA als Vorfrage selbst zu klären, ob der Verlängerung des Aufenthaltstitels ein gesetzlicher Hinderungsgrund iSd § 11 Abs 1 oder 2 NAG entgegensteht (mag diese Frage auch in der Zuständigkeit der Behörden iSd § 3 NAG liegen). II. Das Gewicht des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Eingriffs in das Familienleben des Bescheidadressaten und dessen Lebensgefährtin (Art 8 EMRK) wird durch Untreue des Bescheidadressaten in der Beziehung relativiert. III. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger (§ 206 ff StGB) stehen neben Suchtmittelkriminalität im besonderen Maße den Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK entgegen. IV. Bei Straftaten in diesem Sinne (III.) iVm einer negativen Beurteilung des Persönlichkeitsbildes sind trotz eines zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, Selbsterhaltungsfähigkeit und einem bestehenden Familienleben bei Vorhandensein eines Kleinstkindes schwere Eingriffe in das Familienleben des betroffenen Fremden gerechtfertigt (Art 8 Abs 2 EMRK iVm § 9 BFA-VG): So darf neben der Erlassung einer Rückkehrenscheidung ein mit gar zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs 1 und Abs 3 Z 1 FPG). Das Kindeswohl tritt in derartigen extremen Fällen hinter die verfolgten öffentlichen Interessen zurück.
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Zweiwöchige Anhaltung einer Familie mit einem achtjährigen Kind in einem Abschiebezentrum
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Unterbringung Minderjähriger in Schubhaft wirft spezielle Fragen auf, da sie - egal ob begleitet oder unbegleitet - besonders vulnerabel sind und in Anbetracht ihres Alters und ihrer fehlenden Autonomie besonderer Betreuung bedürfen. Die besondere Verletzlichkeit minderjähriger Kinder ist entscheidend und muss Vorrang gegenüber der Eigenschaft eines Elternteils als Ausländer haben. II. Im Hinblick auf die Anhaltung eines Kindes in einem Abschiebezentrum sind für die Frage der Vereinbarkeit mit Art 3 EMRK unter anderem das Alter des betroffenen Kindes, die Bedingungen sowie die Dauer der Haft maßgeblich. Selbst wenn die unangemessenen Bedingungen der Anhaltung für sich den von Art 3 EMRK geforderten Schweregrad nicht erreichen, wird diese Norm verletzt, wenn dieser Umstand mit einer überlangen Haftdauer einhergeht. Dies gilt auch dann, wenn die Anhaltung aus der Weigerung der Eltern resultiert, auszureisen. III. Im vorliegenden Fall war die 14 Tage dauernde Anhaltung eines achtjährigen Kindes in Begleitung seiner Eltern im Abschiebezenrtum Metz-Queuleu angesichts der dort omnipräsenten Sicherheitsdimension nicht mit Art 3 EMRK vereinbar. IV. Die Nichteinhaltung einer vom EGMR erlassenen vorläufigen Maßnahme zur Beendigung der Schubhaft gemäß Art 39 VerfO verletzt jedenfalls dann Art 34 EMRK, wenn der belangte Staat keinerlei Rechtfertigungsgründe vorbringt und auch keine objektiven Hindernisse bestanden, die die Durchführung der Maßnahme vereitelten.
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Neuerlich zu Spruchbestimmtheit und Interessenabwägung
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruches dürfen nicht überspannt werden. Neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruches kann erforderlichenfalls etwa auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruches der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt. Auch das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen (im Spruch wie ebenso in der Begründung) führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. II. Der VwGH hat (vor allem zu § 9 Abs 3 BFA-VG) bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich eine Interessenabwägung zugunsten des Fremden insb dann ergeben kann, wenn ein Familienleben mit einer Person besteht, die über ein unbefristetes Niederlassungsrecht (etwa) in Form eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 NAG verfügt. Dem Zusammenleben mit einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner kommt dabei im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zu. Gleiches gilt im hier zu beurteilenden Fall für das Zusammenleben der minderjährigen Mitbeteiligten mit ihrer dauerhaft niedergelassenen Mutter.
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