SUCHE
Suchergebnis:
281
Änderung der maßgeblichen Sachlage aufgrund der Eheschließung mit einem Österreicher
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Ist die fremde Person mit einem österreichischen Staatsbürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in einem Staat, der Vertragspartei des EWR-Abkommens ist, ausübt, verheiratet und zieht sie ihm dorthin nach, so ist sie als begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG zu qualifizieren. II. Hat ein österreichischer Staatsangehöriger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, so genießen dessen Angehörige gemäß § 54 und § 57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich. Hat der Österreicher hingegen keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, erhält sein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger folglich einen Aufenthaltstitel unter den (allgemeinen) Voraussetzungen des § 47 Abs 2 NAG. III. Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG kommt weder die amtswegige Prüfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 und § 57 AsylG noch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in Betracht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
282
Asyl wegen patriarchalischer Zustände im Herkunftsstaat
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Dass ein verwaltungsgerichtliches Erkenntnis im Bescheidbeschwerdeverfahren von einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kassiert worden war, macht das im zweiten Rechtsgang erkennende, selbe richterliche Organ nicht befangen iSd § 14 VwGVG iVm § 7 AVG, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten. II. Antragsteller*innen, die in ihrem Herkunftsstaat den Wertvorstellungen der Familie durch Eheschließung ohne deren Einverständnis zuwidergehandelt haben und die deshalb Ziel privater asylrelevanter Verfolgungshandlungen sind, können sich auf den Asylgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe berufen. III. In der Türkei fehlt gegen asylrelevante Verfolgungshandlungen Privater aus Gründen der Familienehre ein effektiver staatlicher Schutz. IV. Trotzdem man vor asylrelevanten Verfolgungshandlungen Privater aus Gründen der Familienehre in anderen Provinzen der Türkei als der Herkunftsprovinz grs sicher ist, ist damit nicht stets eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG verbunden. Scheitern kann deren Vorliegen insb an fehlenden sozialen und wirtschaftlichen Anknüpfungspunkten, der Eigenschaft als geschiedene Alleinerzieherin, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit sowie der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
283
Nigerianische Opfer von Menschenhandel als Mitglieder einer sozialen Gruppe
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Damit der Verfolgungsgrund "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe" (Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK) erfüllt ist, müssen die Mitglieder einer Gruppe zum einen ein gemeinsames identitätsstiftendes Merkmal oder einen gemeinsamen nicht (zumutbar) veränderlichen Hintergrund haben. Zum zweiten müssen sie hiedurch eine von der Mehrheitsgesellschaft im Herkunftsstaat deutlich abgegrenzte Identität erlangen. II. Bei Opfern von Menschenhandel aus Nigeria ist – ungeachtet der Umstände des Einzelfalles – davon auszugehen, dass diese beide Merkmale des Begriffs einer "sozialen Gruppe" erfüllen (I.). III. Der VwGH war in seinem Beschluss vom 14.8.2020, Ro 2020/14/0002, anders als der VfGH in dessen Erkenntnis vom 1.7.2022, E 309/2022, davon ausgegangen, dass nigerianische Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind, in Nigeria nicht automatisch eine abgegrenzte Identität hätten, vielmehr komme es auf den Einzelfall an. Da der VfGH dies in seinem zitierten Erkenntnis anders gesehen hat und das BVwG Letzterem gefolgt ist, ist die Revision an den VwGH zulässig (Art 133 Abs 4 B-VG).
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
284
Familieneinheit nach Sekundärmigration und Kindesgeburt in einem anderen Mitgliedstaat
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Eine analoge Anwendung des Art 20 Abs 3 Dublin III-VO auf die Asylanträge Minderjähriger, deren Eltern in einem anderen Mitgliedstaat ein Schutzstatus zuerkannt worden und deren Antrag im nunmehrigen Mitgliedstaat schon vor der Antragstellung des Kindes als unzulässig zurückgewiesen worden war, scheidet aus. Stattdessen ist für die Anträge solcher Minderjähriger Art 9 Dublin III-VO einschlägig. Scheitert die Anwendung dieses Zuständigkeitstatbestands, ist gemäß Art 3 Abs 2 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat der Antragstellung zuständig. II. Eine analoge Anwendung des Unzulässigkeitstatbestands des Art 33 Abs 2 lit a RL 2013/32/EU auf Minderjährige in der geschilderten Situation (I.) kommt nicht in Betracht.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)
285
Sanktionen gegen grob gewalttätige Asylwerber; Bekräftigung des "Haqbin-Urteils"
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Der zweite Tatbestand des Art 20 Abs 4 RL 2013/33/EU ("grob gewalttätiges Verhalten") ist dahin auszulegen, dass er auch tatbildliche Handlungen von Asylwerbern außerhalb von Unterbringungszentren erfasst. II. Wie bereits im Urteil EuGH 12.11.2019, Rs C-233/18 (Haqbin), ECLI:EU:C:2019:956, judiziert, ist ein Totalentzug von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) iSd Art 2 lit f und g RL 2013/33/EU niemals zulässig (wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Bereitstellung eines würdigen Lebensstandards iSd Art 20 Abs 5 Satz 3 leg cit sowie dem in Satz 2 leg cit statuierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). III. Art 20 Abs 4 und 5 RL 2013/33/EU hindern nicht an der Inhaftnahme von Asylwerbern gemäß Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU, sofern die Voraussetzungen der Art 8–11 leg cit erfüllt sind. IV. Die absolute Unzulässigkeit eines Totalentzugs von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) vermag auch nicht durch Verfahrensgarantien im Recht der Mitgliedstaaten relativiert zu werden.
Lesen Sie mehr (vorher anmelden)