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Zweckänderungsantrag zugleich Verlängerungsantrag
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Zweckänderungsanträge nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels sind als Verlängerungsanträge nach § 24 Abs 4 NAG zu werten, unabhängig davon, ob sie kurz vor Ablauf des innegehabten Aufenthaltstitels oder früher gestellt worden sind. II. Ein Zweckänderungsantrag bezweckt jedenfalls auch die Verlängerung des Aufenthaltsrechts in Österreich. III. Die Deutung des Zweckänderungsantrags nach Ablauf der Gültigkeit der bisherigen Aufenthaltsbewilligung (auch) als Verlängerungsantrag dient der Wahrung der Rechtmäßigkeit des Inlandsaufenthalts der Fremden und ist nicht vor dem Hintergrund allfälliger Erfolgschancen eines solchen Verlängerungsantrags zu sehen.
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Klarstellungen zum Begriff des "Familienangehörigen" iSd Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Begriffe des Unionsrechts sind unionsweit einheitlich auszulegen, so auch die in Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG verwendete Definition von besonderen Familienangehörigen von Unionsbürgern. II. Bei der Beurteilung, ob ein Familienangehöriger, der nicht unter Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG fällt, womöglich unter Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG zu subsumieren ist, ist auf die folgenden Parameter abzustellen: Zwischen dem Unionsbürger und dessen Familienangehörigen muss ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen, wobei etwa die folgenden Gesichtspunkte ausschlaggebend sind: Dauer des Zusammenlebens, der Grad einer Verwandtschaft und die Intensität der Beziehung. Für diese Beurteilung ist nicht nur der Zeitraum seit dem Erwerb der Unionsbürgerschaft zu würdigen. III. Zwar steht den in Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG definierten Familienangehörigen anders als jenen iSd Art 2 Z 2 leg cit nicht unmittelbar ein Einreise- und Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat zu. Wohl aber trifft die Mitgliedstaaten gemäß Art 3 Abs 2 UAbs 2 RL 2004/38/EG eine eingehende Untersuchungspflicht der genannten persönlichen Umstände (oben II.) und – im Falle der Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen – eine Begründungspflicht.
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Verweigerung der Rückholung von Frauen und Kindern, die in Nordostsyrien in Lagern für Anhänger*innen des Daesch angehalten werden
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Wenn es dem direkten Opfer einer behaupteten Verletzung der EMRK aufgrund besonderer Umstände unmöglich ist, sich selbst an den EGMR zu wenden, können Dritte auch ohne Vorlage einer Vollmacht die Beschwerde in dessen Namen erheben. Ausschlaggebend sind dabei insb die Verletzlichkeit des Opfers, dessen Verbindungen zur Beschwerde erhebenden Person und das Fehlen eines Interessenkonflikts. Im vorliegenden Fall können die Eltern von in syrischen Lagern angehaltenen Frauen eine sich auf die Weigerung Frankreichs, sie zu repatriieren, beziehende Beschwerde erheben, weil die Frauen sich in einer Situation besonderer Verletzlichkeit befinden, sie ihre Absicht zurückzukehren klar zum Ausdruck gebracht haben, ihnen die Übermittlung einer Vollmacht nicht möglich ist und kein Interessenkonflikt besteht. II. Die bloße Einleitung eines Verfahrens durch einen Beschwerdeführer in einem Vertragsstaat, zu dem er keine Verbindung hat, kann nicht ausreichen, um die Hoheitsgewalt dieses Staats über ihn zu begründen. Andernfalls würde es zu einer beinahe universellen Geltung der Konvention aufgrund der einseitigen Entscheidungen irgendeiner Person kommen, egal wo auf der Welt sie sich befindet, und damit eine uneingeschränkte Verpflichtung der Vertragsstaaten geschaffen, einer Person die Einreise zu gestatten, der außerhalb ihrer Hoheitsgewalt eine mit der EMRK unvereinbare Misshandlung drohen könnte. Daher kann die Einleitung von Verfahren durch die beschwerdeführenden Eltern vor französischen Gerichten nicht ausreichen, um die Hoheitsgewalt Frankreichs im Hinblick auf ihre Töchter und Enkelkinder zu begründen. III. Da Frankreich keine Kontrolle über die Lager in Nordostsyrien ausübt und auch sonst keine besonderen Merkmale vorliegen, bringt die bloße Entscheidung der französischen Behörden, die Familienangehörigen der Beschwerdeführer nicht zu repatriieren, diese hinsichtlich der Misshandlung, der sie in den syrischen, von Kurden kontrollierten Lagern ausgesetzt sind, nicht unter die französische Hoheitsgewalt. IV. Das Recht auf Einreise kann sich nicht auf Personen beschränken, die sich bereits unter der Hoheitsgewalt des Staates der eigenen Staatsbürgerschaft befinden, da es ansonsten seiner Wirksamkeit beraubt würde. Bestimmte Umstände bezüglich der Situation von Personen, die in den Staat einreisen wollen, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen, und sich dabei auf Art 3 Abs 2 4. ZPEMRK berufen, können eine im Hinblick auf die Hoheitsgewalt relevante Verbindung zu diesem Staat begründen. V. Im vorliegenden Fall liegen derartige Umstände im Hinblick auf die in Lagern in Nordostsyrien festgehaltenen Töchter und Enkelkinder der beschwerdeführenden Eltern vor: Sie wandten sich wiederholt mit der Bitte um Repatriierung an die französischen Behörden; die Lebensbedingungen in den Lagern sind mit der Menschenwürde unvereinbar und die Betroffenen befinden sich dort in einer Situation extremer Verwundbarkeit; die betroffenen Personen sind wegen der Art und der Dauer ihrer Anhaltung ohne die Unterstützung der französischen Behörden nicht in der Lage, die Lager zu verlassen, um nach Frankreich zurückzukehren; die kurdischen Behörden erklärten ihre Bereitschaft, die weiblichen Gefangenen französischer Staatsangehörigkeit und ihre Kinder an die französischen Behörden zu übergeben. VI. Auch informelle oder indirekte Maßnahmen, die dem Staatsangehörigen de facto den effektiven Genuss seines Rechts auf Rückkehr entziehen, können unter bestimmten Umständen mit dieser Bestimmung unvereinbar sein. Aus ihr können sich folglich auch positive Verpflichtungen der Behörden ergeben. VII. Art 3 Abs 2 4. ZPEMRK verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, ihre Staatsangehörigen zu repatriieren. Französische Staatsbürger*innen, die in den Lagern im Nordosten Syriens angehalten werden, können daher kein generelles Recht auf Repatriierung auf der Grundlage des Rechts auf Einreise in das Staatsgebiet nach Art 3 Abs 2 4. ZPEMRK geltend machen. VIII. Allerdings kann Art 3 Abs 2 4. ZPEMRK dem Staat eine positive Verpflichtung auferlegen, wenn seine Weigerung, aktiv zu werden, unter den konkreten Umständen eines Falls den betroffenen Staatsangehörigen in einer Situation belassen würde, die de facto mit jener der Verbannung vergleichbar wäre. Dies wird allerdings nur unter außergewöhnlichen Umständen der Fall sein. VIII. Eine Entscheidung über die Repatriierung von im Ausland festgehaltenen Staatsangehörigen muss frei von Willkür getroffen werden. Daher muss der Entscheidungsfindungsprozess von ausreichenden Verfahrensgarantien begleitet sein, die eine Vermeidung jeglicher Willkür gewährleisten. Die Ablehnung eines Ersuchens um Repatriierung muss daher von einem unabhängigen Spruchkörper überprüft werden können. Dabei muss es sich nicht zwingend um ein Gericht handeln.
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Revisionseinbringung per E-Mail außerhalb der Amtsstunden
LEITSATZ DES GERICHTS: Aus der Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 13.8.2020 ergibt sich, dass die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit von Montag bis Freitag (werktags) - sofern es sich dabei nicht um den Karfreitag oder den 31.12. handelt - mit 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr festgelegt sind und dass sämtliche per Telefax oder E-Mail eingebrachten Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden können, weshalb die außerhalb dieser Amtsstunden an die Empfangsgeräte des Verwaltungsgerichts übermittelten Angaben auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichts gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten.
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Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit ist kein Freizügigkeitssachverhalt
LEITSATZ DES GERICHTS: I. § 57 NAG stellt auf die Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts iSv Art 7 Abs 1 lit a, b oder c der RL 2004/38/EG ab. Die Unionsbürger-RL regelt allein die Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf. Ohne Vorliegen eines Freizügigkeitssachverhalts iSd Art 3 der Unionsbürger-RL ist diese nicht anzuwenden. II. Mit dem bloßen Erbringen von Dienstleistungen an Kunden in anderen Mitgliedstaaten wird nicht vom Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat iSd § 57 NAG Gebrauch gemacht.
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