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Rechtsstaatliche Erfordernisse an die Akteneinsicht im Asylverfahren im digitalen Zeitalter; "schriftliche" Bescheiderlassung
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Das Recht auf Akteneinsicht im Asylverfahren durch die rechtsfreundliche Vertretung, wie es in Art 23 Abs 1 RL 2013/32/EU ausgestaltet wird, bezieht sich auf alle (in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht) entscheidungserheblichen Aktenstücke. II. Auch die Metadaten des (elektronischen) Akts (Zugriffe, Änderungen, etc) sowie dessen Struktur und Chronologie können entscheidungserheblich sein und müssen daher gemäß Art 23 Abs 1 RL 2013/32/EU im Zuge der Akteneinsicht offengelegt werden. Ob dies in der mitgliedstaatlichen Behördenpraxis gewährleistet ist, unterliegt als Tatfrage der Prüfung durch das vorlegende Gericht. Allerdings kann der geschilderte Umfang der Akteneinsicht hinsichtlich einzelner Bestandteile aus Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden. III. Das (elektronische) Format der Gewährung von Akteneinsicht wird unionsrechtlich nicht vorgegeben: Es müssen nur die in I. und II. genannten Bestandteile und Umstände offengelegt werden, soweit sie entscheidungserheblich sind. Dass für deren vollständige Ermittelbarkeit allenfalls eine kostenlose Software heruntergeladen werden muss, ist als nicht schwerwiegender Eingriff mit Art 47 GRC vereinbar (iSd Art 52 Abs 1 GRC). IV. Das in Art 11 Abs 1 RL 2013/32/EU statuierte Gebot, Bescheide "schriftlich" auszufertigen, bedeutet (anders als in der Terminologie des deutschen und österreichischen Zivilrechts) nicht, dass sich auf der Ausfertigung die (Original-)Unterschrift des Organwalters befinden muss.
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Neuerlich zum Primat der meritorischen Entscheidung (hier: allgemeine Voraussetzungen für Aufenthaltstitel)
LEITSATZ DES GERICHTS: Dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausgehend von ihrer Annahme, die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 1 NAG liege nicht vor, keine Feststellungen zu den weiteren Erteilungsvoraussetzungen getroffen hat, ändert nichts am Vorhandensein der Ermittlungsergebnisse zum maßgeblichen Sachverhalt. Schon deshalb ist die Annahme des LVwG, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG lägen vor, verfehlt.
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Hinweis auf Aufenthaltsehe darf auch vom eigenen Ehemann kommen
LEITSATZ DES GERICHTS: Von welcher Seite Verdachtsmomente für das Bestehen einer Aufenthaltsehe an die Behörde herangetragen bzw aufgrund welcher Anhaltspunkte Ermittlungen durchgeführt werden, ist für die Möglichkeit der amtswegigen Durchführung einer Wiederaufnahme unerheblich.
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Besondere Vulnerabilität unmündiger Minderjähriger bei der Prüfung einer möglichen Verletzung der Rechte des Art 3 EMRK
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Bei der Beurteilung, ob der betroffenen Person bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat eine Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, ist im Speziellen das etwaige Vorliegen einer besonderen Vulnerabilität, wie dies bspw bei Minderjährigen der Fall ist, zu berücksichtigen. II. Spielt in einem Verwaltungsverfahren auch das Kindeswohl eine Rolle, so sind die Maßstäbe des § 138 ABGB als Orientierung heranzuziehen. III. Müsste ein minderjähriger Fremder aufgrund unterschiedlicher Staatsbürgerschaften ohne seine Mutter in jenes Land, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, zurückkehren und muss er dort mit unzureichender Nahrung und Unterkunft sowie fehlender Unterstützung durch den Familienverband rechnen, so stellt dies eine Form unmenschlicher Behandlung iSd Art 3 EMRK dar, die sich aus den exzeptionellen Umständen eines minderjährigen Kindes ohne ausreichenden familiären Rückhalt ergibt. IV. Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK bedarf einer Einzelfallprüfung in Bezug auf die in concreto betroffene Person sowie einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemein vorliegenden Menschenrechtslage zu beziehen hat. So hat bei mehreren, demselben Familienverband angehörigen Asylwerbern, eine gesonderte Prüfung jedes einzelnen Antrags (auf internationalen Schutz) unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse der fremden Person zu erfolgen.
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Behauptete Konversion zum Christentum aus asyltaktischen Gründen?
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Wird von einer erwachsenen Person die Religion gewechselt, so kann davon ausgegangen werden, dass sich diese mit der bisherigen und der neuen Glaubensrichtung eingehend auseinandersetzt. Beschränkt sich etwa eine Aufzählung von Unterschieden zwischen dem Islam und dem Christentum bloß auf Stereotype, so wird damit eine Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten und eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung nicht dargelegt. II. Ist in Bezug auf einen behaupteten Glaubenswechsel die Erzählweise hierzu knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpft sich diese in Stehsätzen, so erscheint ein emotionaler Bezug jedenfalls fragwürdig. Damit kann eine bewusste Hinwendung zu einer neuen Religion nicht schlüssig belegt werden. III. Erfolgt die Kontaktaufnahme mit der Pfarre erst nach einer negativen Asylentscheidung durch das BFA, so kann daraus uU abgeleitet werden, dass eine behauptete Konversion zum Christentum nur aus asyltaktischen Gründen vorgebracht wird.
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