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1016
§ 21a NAG und ARB 1/80: Deutsch vor Zuzug nicht für türkische ArbeitnehmerInnen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 steht grundsätzlich der Anwendung von neuen Beschränkungen wie etwa eines neu eingeführten Erfordernisses des Nachweises von Deutschkenntnissen für die Ermöglichung des Familiennachzuges für Ehegatten von in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen entgegen (vgl VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0057, mit Hinweis auf EuGH 10.7.2014, Dogan, C-138/13). II. Das Erfordernis zum Nachweis von Sprachkenntnissen in Österreich wurde erstmals durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 - somit nach Inkrafttreten des ARB 1/80 mit Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1.1.1995 - eingeführt und stellt somit eine neue Bestimmung dar. Dass eine neue Bestimmung (Nachweis einfacher Kenntnisse der Amtssprache vor Einreise in den Mitgliedstaat), die eine Familienzusammenführung erschwert, indem sie die Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme der Ehegatten türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zu denjenigen verschärft, die galten, als das Zusatzprotokoll in Kraft trat, auch eine "neue Beschränkung" der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch diese türkischen Staatsangehörigen iSd Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (diesem kommt dieselbe Wirkung wie der Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 zu) darstellt, brachte der EuGH im Urteil vom 10.7.2014, C-138/13, Dogan, deutlich zum Ausdruck. III. Es trifft zwar zu, dass eine Beschränkung, mit der bezweckt oder bewirkt wird, die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Inland durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen als denen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 galten, nicht generell unzulässig ist. Zulässig ist eine solche "neue Beschränkung" aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Art 14 ARB 1/80), oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht (vgl EuGH 7.8.2018, C-123/17, Yön). IV. Eine Verpflichtung zum Nachweis von Sprachkenntnissen für Unmündige (§ 21a Abs 4 Z 1 NAG) und für Drittstaatsangehörige, denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann, liegt nicht vor (§ 21a Abs 4 Z 2 NAG); darüber hinaus kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von der Nachweisverpflichtung für unbegleitete Minderjährige (§ 21a Abs 5 Z 1 NAG) und gemäß § 21a Abs 5 Z 2 NAG dann absehen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 MRK (§ 11 Abs 3 NAG) erforderlich ist; ein solcher Antrag ist bis zur Erlassung eines Bescheides zulässig. Diese Ausnahmeregelung erlaubt jedoch kein Absehen vom Nachweis der Deutschkenntnisse, wenn deren Erwerb dem Drittstaatsangehörigen nicht aufgrund eines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes, sondern aus anderen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, sofern diese Gründe nicht von Art 8 MRK umfasst sind. V. Die Behörde ist aufgrund der in § 21a NAG festgelegten Ausnahmen von der Verpflichtung zum Nachweis von Deutschkenntnissen nicht in der Lage, alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, die es einem Drittstaatsangehörigen möglicherweise unmöglich oder unzumutbar machen, einen solchen Nachweis zu erbringen. Im Hinblick auf die Judikatur des EuGH zur Zulässigkeit neuer Beschränkungen ist daher davon auszugehen, dass § 21a NAG über das zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels der Förderung der Integration türkischer Staatsangehöriger Erforderliche hinausgeht und somit eine unzulässige neue Beschränkung iSd Art 13 ARB 1/80 darstellt (vgl EuGH 7.8.2018, C- 123/17, Yön; 10.7.2014, C-138/13, Dogan).
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1017
§ 9 IntG und ARB 1/80: Integrationsvereinbarung auch von türkischen Staatsangehörigen zu erfüllen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Eine nationale Regelung fällt nur insoweit in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80, als sie geeignet ist, die Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates durch türkische Arbeitnehmer zu beeinträchtigen (vgl Urteil EuGH 12.4.2016 in der Rs C- 561/14, Genc). Eine Beschränkung, mit der bezweckt oder bewirkt wird, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Inland durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen, ist verboten, sofern sie nicht zu den in Art 14 ARB 1/80 aufgeführten Beschränkungen gehört oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist oder geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Zieles zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht (vgl Urteil EuGH 7.11.2013 in der Rs C-225/12, Demir). II. Der Fremden wurde ein Aufenthaltstitel mit freiem Arbeitsmarktzugang erteilt. Im vorliegenden Fall ist somit nicht ersichtlich, inwiefern die Fremde durch die Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung in ihrem Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt eingeschränkt wäre.
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1018
Studienzulassung unter Auflagen begründet Aufnahmebestätigung iSv § 8 Z 7 lit a NAG-DV
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die aufrechte Zulassung an einer Universität ist als eine (besondere) Erteilungsvoraussetzung für die Aufenthaltsbewilligung "Student" anzusehen, deren Nichterfüllung zur Abweisung des Antrages führt. II. Nebenbestimmungen eines Bescheides sind Willensäußerungen der Behörde, die von ihr dem Hauptinhalt des Spruches beigefügt werden; zu diesen Nebenbestimmungen werden Auflagen, Bedingungen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte gezählt (siehe die umfangreichen Nachweise bei Hengstschläger-Leeb, AVG § 59, Rz 16). III. Nebenbestimmungen sind normative Aussprüche einer Behörde und daher, auch wenn sie § 59 Abs 1 AVG nicht ausdrücklich erwähnt, in den Spruch des Bescheides aufzunehmen. IV. Werden einem Bescheid Nebenbestimmungen, dh Willensäußerungen der Behörde, die zum Hauptinhalt des Bescheides hinzutreten können, beigesetzt, so ist vor allem in Hinblick auf die Rechtsfolgen von entscheidender Bedeutung, ob diese als Auflagen oder Bedingungen zu qualifizieren sind. Zwischen Auflagen und Bedingungen besteht nämlich ein Rechtsfolgenunterschied. Während von den Bedingungen die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes abhängig ist, berührt die Nichtbefolgung der Auflagen den Bestand des Aktes, dem sie beigefügt werden, nicht. V. Dass Zulassungsbescheide die Absolvierung von Lehrveranstaltungen bzw Prüfungen (wie etwa Ergänzungsprüfungen in Deutsch) als Auflage vorsehen, um die volle Gleichwertigkeit der Universitätsreife bzw eines Studiums herzustellen, ist iSd § 64 Abs 3 UniversitätsG als eine mögliche Alternative vorgegeben. Ein Bescheid über die Zulassung zum Masterstudium bestätigt die Erfüllung der Zulassungsbedingungen für dieses Studium - wenn auch nur iVm der Auflage, zusätzliche Prüfungen zu absolvieren. Auch daraus wird ersichtlich, dass eine Zulassung unter Auflagen für sich genommen nicht die Verneinung einer aufrechten Zulassung an einer Universität bzw des Vorliegens einer Aufnahmebestätigung iSd § 8 Z 8 lit a NAG-DV rechtfertigen kann.
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1019
§ 25 NAG: keine verwaltungsgerichtliche Zurückverweisung bei Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Das LVwG hat, wenn es "in der Sache selbst" entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde. Dabei hat das LVwG seine Entscheidung idR an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten. II. § 25 Abs 1 NAG regelt die Vorgehensweise bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung (des § 11 Abs 1 und 2 NAG). Fehlt hingegen eine besondere Erteilungsvoraussetzung, so ist nach § 25 Abs 3 NAG der Antrag ohne Weiteres abzuweisen. III. Bei Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen bei Verlängerungsanträgen hat die Niederlassungsbehörde nach § 25 Abs 1 NAG vorzugehen und nicht etwa den an sie gerichteten Antrag meritorisch durch Abweisung zu erledigen. Der Umstand allein, dass erst das LVwG vom Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ausgegangen ist, vermag an der Maßgeblichkeit des § 25 NAG nichts zu ändern. IV. Nach § 25 Abs 1 NAG erfolgt kein Zuständigkeitsübergang von der Niederlassungsbehörde auf das BFA. Bei der darin vorgesehenen Verständigungsvorschrift handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung. V. Die vor dem LVwG belangte Behörde hat den Verlängerungsantrag wegen Fehlens von besonderen Voraussetzungen (Studienerfolg) abgewiesen. Das LVwG kam zu dem Schluss, dass die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorlägen, jedoch nicht die allgemeine Voraussetzung des § 11 Abs 2 Z 3 NAG (Krankenversicherung). Demnach wäre - bezogen auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG - die Behörde nicht befugt, den Verlängerungsantrag nach § 25 Abs 3 NAG abzuweisen, sondern wäre angehalten gewesen, nach § 25 Abs 1 NAG vorzugehen. Dieser Umstand allein berechtigt das LVwG jedoch nicht, die Angelegenheit an die Behörde zurückzuverweisen. Gemäß § 17 VwGVG sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des NAG, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem LVwG vorangegangenen Verfahren anzuwenden gehabt hätte, vom LVwG sinngemäß anzuwenden. Daraus folgt, dass § 25 NAG auch vom LVwG anzuwenden ist, ungeachtet dessen, dass lediglich von der "Behörde" die Rede ist.
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1020
§ 10 Abs 4 IntG: Feststellungsbescheid über Nichterfüllung der Integrationsvereinbarung verlangt nach Sprachdiplom gleichwertigen Beweis
LEITSATZ DES GERICHTS: I. In der IV-VO ist detailliert geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Institution vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) als Kursträger zur Abhaltung von Integrationskursen und zur Durchführung der Integrationsprüfung zertifiziert werden kann. Sowohl betreffend das Lehrpersonal (§ 2 IV-VO) als auch den Prüfungsinhalt und die Standards für die Durchführung der Integrationsprüfung (§ 7 IV-VO) sowie die Prüfer (§ 8 IV-VO) sind detaillierte Anforderungen festgelegt. So müssen Lehrkräfte beispielsweise über ein einschlägiges Universitätsstudium oder umfangreiche Unterrichtserfahrung in der Erwachsenenbildung sowie eine Zusatzausbildung im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" oder "Deutsch als Zweitsprache" verfügen. Prüfungen dürfen nur von Lehrkräften mit einer vom ÖIF befristet erteilten Prüferlizenz abgenommen werden. Angesichts der genauen Anforderungen, wer unter welchen Voraussetzungen zur Abnahme der Sprachprüfung als Teil der Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2 betreffend vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen befugt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beweiswert eines nach diesen Vorgaben ausgestellten Sprachzertifikates nur auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden kann. II. Eine nicht den Anforderungen des § 7 IV-VO entsprechende Befragung des Fremden kann als Überprüfung, ob die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 10 Abs 4 IntG erforderlich ist, gewertet werden, nicht jedoch als geeignete Ermittlungstätigkeit im Rahmen eines solchen Verfahrens. Gegenstand eines Feststellungsverfahrens gemäß § 10 Abs 4 IntG ist ausschließlich die Frage, ob trotz Vorlage des den Anforderungen des § 10 Abs 2 Z 2 IntG entsprechenden Zertifikates keine ausreichenden Sprachkenntnisse vorhanden sind.
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